betriebsbedingt
Betriebsbedingte Kündigung in der Elternzeit.
Eine betriebsbedingte Kündigung während der Elternzeit einer Arbeitnehmerin kann selbst beim Wegfall des Arbeitsplatzes/ Beschäftigungsmöglichkeit unwirksam sein, so dass LAG Niedersachsen 14.10.15, 16 Sa 281/15.
Das Landesarbeitsgericht führt dazu aus, dass auch wenn im Kündigungszeitpunkt die Beschäftigungsmöglichkeit weggefallen ist, kann eine betriebsbedingte Kündigung gegenüber einer sich in Elternzeit befindlichen Arbeitnehmerin im Rahmen der Interessenabwägung sozial ungerechtfertigt sein und zwar vor allem dann, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass sich bis zum Ende der Elternzeit eine neue Beschäftigungsmöglichkeit ergeben könnte.
Kündigung während der Elternzeit
Zu beachten ist dabei, dass ein ordentliche Kündigung während der Elternzeit normalerweise ausgeschlossen ist. Eltern in der Elternzeit genießen nämlich gemäß § 18 BEEG einen Sonderkündigungsschutz.
Bundesarbeitsgericht
Nach § 18 Abs. 1 Satz 1 BEEG darf der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis ab dem Zeitpunkt, von dem an Elternzeit beantragt worden ist, höchstens aber acht Wochen vor Beginn der Elternzeit nicht kündigen (Vorwirkung). Darin liegt ein gesetzliches Verbot, das sich gegen die Kündigungserklärung selbst richtet. Eine Kündigung, die trotzdem erfolgt, ist nach § 134 BGB nichtig (so das Bundesarbeitsgericht Urteil 26. Juni 2008 – 2 AZR 23/07).
Rechtsanwalt Andreas Martin- Fachanwalt für Arbeitsrecht – Berlin
Wiedereinstellunganspruch des Arbeitnehmers bei Kündigung
Selbst wenn die Kündigung des Arbeitgebers berechtigt war, kann sich für den gekündigten Arbeitnehmer im Kündigungsschutzprozess ein sog. Wiedereinstellungsanspruch ergeben.
Selbst der berechtigten Kündigung liegt ein Kündigungssachverhalt zum Zeitpunkt derselben zu Grunde. Dieser Sachverhalt kann sich im Nachhinein als nicht zutreffend erweisen oder die Prognose des Arbeitgebers (z.B. über weitere Fehlzeiten des Arbeitnehmers) erfüllt sich nicht.
Beispiele:
- personenbedingte Kündigung (Kündigung wegen Krankheit- nach Kündigung neue Behandlungsmethode entdeckt, die zur Genesung führen kann)
- betriebsbedingte Kündigung (Betrieb des Arbeitgebers wird nicht stillgelegt, sondern fortgeführt)
- verhaltensbedingte Kündigung (Kündigung wegen einer angeblichen Straftat des Arbeitnehmers; diese stellt sich später als nicht vom Arbeitnehmer begangen, heraus)
Wichtig ist, dass die zeitliche Grenze des Wiedereinstellungsanspruches der Ablauf der Kündigungsfrist ist. Von daher spielt der Wiedereinstellungsanspruch meist nur bei langen Kündigungsfristen (lang bestehenden Arbeitsverhältnisses) eine Rolle.
Darüber hinaus gilt hier die 3-Wochenfrist des Kündigungsschutzgesetzes analog, ab Kenntnis des Arbeitnehmers vom Wiedereinstellungsgrund.
Weiter darf der Arbeitgeber den Arbeitsplatz nicht bereits anderweitig besetzt bzw. eine anderweitige Disposition getroffen haben.
RA A. Martin
BAG: betriebsbedingte Kündigung – Arbeitgeber muss nicht Arbeitsplatz im Ausland anbieten
Kündigt der Arbeitgeber betriebsbedingt dem Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis, so muss er zunächst überprüfen, ob nicht ein anderer freier Arbeitsplatz zur Verfügung steht, auf den der Arbeitnehmer entsprechend seiner Qualifikation und der geschuldeten Arbeit (gegebenenfalls nach zumutbarer Fortbildung/Weiterbildung) versetzt werden kann, § 1 Abs. 2 KschG. Dies wird oft übersehen.
Änderungskündigung
Notfalls muss der Arbeitgeber eine Änderungskündigung aussprechen, welche immer noch besser als eine betriebsbedingte Kündigung ist.
BAG: Arbeitsplätze im Ausland bleiben unberücksichtigt
Das Bundesarbeitsgericht hatte nun zu entscheiden, ob hierbei auch Arbeitsplätze zu berücksichtigen sind, die sich im Ausland befinden. Die deutsche Arbeitgeberin – ein Unternehmen der Textilindustrie – hatte nämlich in der tschechischen Republik eine Betriebsstätte. Hier wäre ein Einsatz-nach Auffassung des Arbeitnehmers- noch möglich gewesen. Die Arbeitgeberin kündigte das Arbeitsverhältnis ohne dies zu berücksichtigen. Der Arbeitnehmer erhob Kündigungsschutzklage gegen die betriebsbedingte Kündigung der Arbeitgeberin.
Arbeitnehmer verlor den Kündigungsschutzprozess
Der Arbeitnehmer verlor den Kündigungsschutzprozess in allen Instanzen.
Entscheidung des BAG
Das BAG (Urteil vom 29. August 2013 – 2 AZR 809/12 ) führt in seiner Pressemitteilung aus:
Die aus § 1 Abs. 2 KSchG folgende Verpflichtung des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer zur Vermeidung einer Beendigungskündigung – ggf. im Wege der Änderungskündigung – eine Weiterbeschäftigung zu geänderten, möglicherweise auch zu erheblich verschlechterten Arbeitsbedingungen anzubieten, bezieht sich grundsätzlich nicht auf freie Arbeitsplätze in einem im Ausland gelegenen Betrieb des Arbeitgebers. Der Erste Abschnitt des KündiguDie aus § 1 Abs. 2 KSchG folgende Verpflichtung des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer zur Vermeidung einer Beendigungskündigung – ggf. im Wege der Änderungskündigung – eine Weiterbeschäftigung zu geänderten, möglicherweise auch zu erheblich verschlechterten Arbeitsbedingungen anzubieten, bezieht sich grundsätzlich nicht auf freie Arbeitsplätze in einem im Ausland gelegenen Betrieb des Arbeitgebers. Der Erste Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes ist gemäß § 23 Abs. 1 KSchG nur auf Betriebe anzuwenden, die in der Bundesrepublik Deutschland liegen. In diesem Sinne muss auch der Betriebsbegriff in § 1 Abs. 2 Satz 1, Satz 2 KSchG verstanden werden. Ob dies der Berücksichtigung von Beschäftigungsmöglichkeiten im Ausland entgegensteht, falls der Arbeitgeber seinen Betrieb als Ganzen oder einen Betriebsteil unter Wahrung der Identität verlagert, war nicht zu entscheiden.ngsschutzgesetzes ist gemäß § 23 Abs. 1 KSchG nur auf Betriebe anzuwenden, die in der Bundesrepublik Deutschland liegen. In diesem Sinne muss auch der Betriebsbegriff in § 1 Abs. 2 Satz 1, Satz 2 KSchG verstanden werden. Ob dies der Berücksichtigung von Beschäftigungsmöglichkeiten im Ausland entgegensteht, falls der Arbeitgeber seinen Betrieb als Ganzen oder einen Betriebsteil unter Wahrung der Identität verlagert, war nicht zu entscheiden.
Vergleich bei Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht – Beendigungsart und Zeitpunkt
In den meisten Kündigungsschutzstreitigkeiten vor dem Arbeitsgericht wird bereits in der Güteverhandlung ein Vergleich geschlossen. Meist sieht der Vergleich so aus, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer einer Abfindung zahlt und das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung des Arbeitgebers beendet worden ist. Dies wird im Gerichtsprotokoll festgehalten. Ich hatte bereits darüber geschrieben, was sinnvollerweise in einem arbeitsgerichtlichen Vergleich geregelt sein sollte. Heute geht es um die Vergleichspunkte „Beendigungsart und Beendigungszeitpunkt“.
Vergleichstext:
Häufig schlagen Arbeitsrichter (so zum Beispiel beim Arbeitsgericht Berlin, wo bestimmte Formulierungstexte auf den „Gerichtsrechner“ gespeichert sind und vom Richter abgerufen werden) in Bezug auf Beendigungsart / Beendigungsgrund und Beendigungszeitpunkt folgende Formulierung vor:
Die Parteien sind sich darüber einig, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher und fristgerechter Kündigung des Arbeitgebers vom …. aus betriebsbedingten Gründen zum … beendet worden ist.
Beendigungsart / Beendigungsgrund
Mit der Formulierung „Kündigung des Arbeitgebers“ und „betriebsbedingt„ wird klargestellt, dass hier kein Grund für eine Sperrfrist (§ 144 Abs. 1 Nr. 1 Alt 1 SGB III) vorliegt. Würde hier nicht stehen, wer das Arbeitsverhältnis beendet hat, dann würde die Agentur für Arbeit hier nachfragen und ggfs. würde es Probleme für den Arbeitnehmer geben. Eine Sperre für (so) einen arbeitsgerichtlichen Vergleich gibt es grundsätzlich für den Arbeitnehmer nicht (Bundessozialgericht, Entscheidung vom 17.10.2007, DB 2008,1048 = NZA-RR 2008,383). Der Arbeitnehmer darf grundsätzlich in der „unsicheren Situation des Kündigungsschutzprozesses“ ein für ihn günstiges Angebot des Arbeitgebers auf Beendigung des Arbeitsverhältnis (gegen Zahlung einer Abfindung) annehmen, denn es wäre ja auch möglich, dass zum Beispiel eine betriebsbedingte Kündigung des Arbeitgebers wirksam ist und dann der Arbeitnehmer noch schlechter gestellt ist, nämlich mit einem beendeten Arbeitsverhältnis und vor allem ohne Abfindung.
Ein Problem gibt es aber meistens dann mit der Agentur für Arbeit (Sperre), wenn eine außerordentliche Kündigung zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führt, da dann vermutet wird, dass der Arbeitnehmer die Kündigung schuldhaft herbeigeführt hat. Von daher wird häufig – wenn es um eine verhaltensbedingte Kündigung geht und der Arbeitgeber keine Abfindung zahlen will oder kann – dass das Arbeitsverhältnis „durch ordentliche, betriebsbedingte Kündigung fristgerecht zum …. endet“. Dabei ist das Wort „fristgerecht“ wichtig, da eine ordentliche Kündigung nicht immer zwingend fristgerecht sein muss.
Geltend hier kürzere Kündigungsfristen – zum Beispiel – aufgrund eines Tarifvertrages sollte dies ebenfalls im Vergleichstext aufgenommen werden, da so die Agentur für Arbeit sofort die Einhaltung der Kündigungsfristen überschauen kann. Sonst besteht die Möglichkeit, dass es später Streit über die Einhaltung der Kündigungsfristen gibt.
Sperrwirkung für die Agentur für Arbeit?
Wichtig ist, dass die Bezeichnung im Vergleichstext („betriebsbedingt“; „fristgerecht“ etc) keine Sperrwirkung für die Agentur für Arbeit entfaltet. Faktisch heißt dies, dass die Agentur für Arbeit eben nicht an die Feststellungen im Vergleichstext vor dem Arbeitsgericht gebunden ist. Die Agentur kann später durchaus zum Ergebnis kommen, dass eben keine fristgerechte oder betriebsbedingte Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorliegt und zum Beispiel der Arbeitnehmer schuldhaft Veranlassung für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegeben hat. In der Praxis kommt dies aber selten vor.
Beendigungszeitpunkt
Ebenso sollte der Beendigungszeitpunkt im Vergleichstext angegeben werden. Es muss klar sein – nicht nur für die Agentur für Arbeit, sondern vor allem für die Parteien – wann das Arbeitsverhältnis endet. Der Arbeitgeber muss meist noch das Arbeitsverhältnis abrechnen, zumindest dann, wenn erst außerordentlich gekündigt und man sich dann auf eine ordentliche Kündigung geeignet hatte. Auch im Arbeitszeugnis und in den weiteren Dokumenten des Arbeitsverhältnisses muss ein Beendigungszeitpunkt angegeben sein.
Anwalt Martin – (Zweigstelle Berlin-Marzahn)
leitende Angestellte und Kündigungsschutz
Viele Arbeitnehmer glauben, dass leitende Angestellte faktisch keinen Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz genießen. Das ist nicht richtig, vielmehr ist der Kündigungsschutz nur eingeschränkt.
leitende Angestellte – ja oder nein?
Häufig sind Personen, die im Arbeitsvertrag als leitende Angestellte bezeichnet werden, gar keine. Es kommt nicht darauf an, was im Arbeitsvertrag steht, sondern, wie das Arbeitsverhältnis tatsächlich „gelebt“ wird. Der Begriff des leitenden Angestellten laut dem Kündigungsschutzgesetz (§ 14 Abs. 2 KSchG) ist im Übrigen nicht gleichlautend mit dem anderer Gesetze, wie z.B. dem Betriebsverfassungsgesetz.
Nach dem Kündigungsschutzgesetz sind 3 Arten von leitenden Angestellten zu unterscheiden:
- den Geschäftsführer
- den Betriebsleiter
- und ähnliche leitende Angestellte, die zur selbstständigen Einstellung und Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind
leitende Angestellte und das Kündigungsschutzgesetz
Wenn eine Person dann tatsächlich als leitender Angestellter zu qualifizieren ist, dann gilt der Kündigungsschutz des Kündigungsschutzgesetzes nur eingeschränkt.
Auflösung des Arbeitsverhältnisses im Kündigungsschutzverfahren
Im normalen Kündigungsschutzverfahren stellt der Arbeitnehmer einen Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung und wenn das Arbeitsgericht der gleichen Meinung ist, dass besteht das Arbeitsverhältnis weiter. Der Arbeitgeber (und auch der Arbeitnehmer) kann – nur beim Vorliegen erheblicher Gründe – nur eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch einen sog. Auflösungsantrag herbeiführen. Wie gesagt, braucht der Arbeitgeber hierfür einen erheblichen Grund, so dass es ihm unzumutbar ist das Arbeitsverhältnis weiterzuführen. Dies ist beim leitenden Angestellten anders. Der Arbeitgeber braucht für einen Auflösungsantrag keinen Grund und kann so das Arbeitsverhältnis im Kündigungsschutzprozess beenden (gegen Zahlung einer Abfindung).
Kündigungsgründe light für die Kündigung eines leitenden Angestellten?
Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis eines leitenden Angestellten, so gilt das Kündigungsschutzgesetz, allerdings braucht der Arbeitgeber nicht die gleichen „starken Kündigungsgründe“, die er für die Kündigung eines Arbeitnehmers nach dem Kündigungsschutzgesetz benötigen würde; dies gilt vor allem bei der verhaltensbedingten und der personenbedingten Kündigung. Dies deshalb, da eben höhere Anforderungen an die Leistungsfähigkeit und an die Sorgfaltspflichten des leitenden Angestellten gestellt werden. Im Kündigungsschutzgesetz sind eben keine schwächeren Kündigungsgründe für leitende Angestellte normiert, sonder die Anforderungen an leitende Angestellte sind – und dies liegt in der Natur der Sache – viel höher als an Arbeitnehmer, so dass allein schon aufgrund dieses faktischen Umstandes eine Kündigung auch leichter für den Arbeitgeber durchsetzbar ist.
RA Martin
betriebsbedingte Kündigung und Missbrauchskontrolle
Die betriebsbedingte Kündigung ist die häufigste Kündigung nach dem Kündigungsschutzgesetz. In vielen Fällen steckt hinter der Formulierung:
„Wir kündigen Ihnen das Arbeitsverhältnis aus betriebsbedingten Gründen!“
; einfach der Versuch einen unliebsamen Arbeitnehmer loszuwerden. Im Rahmen der Prüfung der betriebsbedingten Kündigung findet keine Prüfung der sachlichen Rechtfertigung oder der Zweckmäßigkeit der Kündigung statt. Das Bundesarbeitsgericht geht vom Grundsatz der freien Unternehmerentscheidung aus, trotzdem findet aber eine Missbrauchskontrolle statt.
Missbrauchskontrolle
Die Missbrauchskontrolle beschränkt sich darauf zu prüfen, ob die Kündigung offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (BAG Entscheidung vom 24.10.2002 in NZA 2003,605). Wie oben geschildert, geht es häufig darum einen Arbeitnehmer loszuwerden ohne dass dies tatsächlich durch betriebsbedingte Gründe veranlasst ist. Ein solcher Umgehungsfall ist mißbräuchlich; ist aber für den Arbeitnehmer nicht immer einfach nachzuweisen.
Umgehungsfälle – Betriebsaufspaltung
Das Bundesarbeitsgericht geht auch von einem unzulässigen Umgehungsfall aus, wenn eine Aufspaltung eines Betiebes in mehrere Betriebsteile – durch Bildung separater betrieblicher Organsisationsstrukturen- nur um den Arbeitnehmer im Betrieb den allegemeinen Kündigungsschutz zu entziehen. Indiz für eine unzulässige Reorganisation ist, wenn der Arbeitgeber beabsichtigt die neuen Stellen mit Leiharbeitern besetzen möchte.
Praxis
In der Praxis ist es aber häufig so, dass viele betriebsbedingte Kündigungen nicht an der Missbräuchlichkeit scheitern – die Arbeitsgerichte sind hier erstaunlich tolerant – sondern meistens an der nicht richtig vorgenommenen Sozialauswahl oder dem betrieblichen Erfordernissen. Möchte der Arbeitnehmer eine Abfindung bekommen, bleibt fast nur der Weg über die Kündigungsschutzklage.