Behinderung

Versetzung eines schwerbehinderten Beamten und Beteiligung des Integrationsamtes

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Versetzung eines schwerbehinderten Beamten und Beteiligung des Integrationsamtes
Versetzung

Beamtenrecht und Versetzung in den Ruhestand

Das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 07.07.2022 – BVerwG 2 A 4.21) hat entschieden, dass das Integrationsamt bei der Versetzung eines schwerbehinderten Lebenszeitbeamten in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit nicht nach Maßgabe des § 168 SGB IX zu beteiligen ist. Nach dem BVerwG ergibt sich auch nichts Gegenteiliges aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, wie zum Beispiel aus dem Urteil des EuGH vom 9.3.2017 – Rs. C-406/15, weil das durch das Verfahren der Zurruhesetzung für Lebenszeitbeamte bewirkte Schutzniveau (§§ 44 ff. BBG) jedenfalls nicht hinter dem durch die §§ 168 ff. SGB IX für AN begründeten zurückbleibt.

Was war passiert?

Ein Beamter des BND klagte gegen seine Versetzung in den Ruhestand wegen dauernder Dienstunfähigkeit. Der Beamte erlitt am 12. September 2015 einen Autounfall und ist seitdem durchgehend „arbeitsunfähig“ erkrankt. Nach mehreren Untersuchungen und stationären Behandlungen sowie einer erfolglos durchgeführten Wiedereingliederung beauftragte der BND einen Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie mit der Erstellung eines psychiatrisch-neurologischen Fachgutachtens.

starke psychische Beeinträchtigungen

Der Facharzt stellte mehrere stark ausgeprägte psychische Erkrankungen fest, wie zum Beispiel rezidivierende depressive Störung, derzeit mittel- bis schwergradige Episode und teilte mit, dass der Beamte/ Kläger wegen einer gravierenden seelischen Erkrankung dienstunfähig sei.

Der Dienstherr beantragte mit dem an das Bundeskanzleramt gerichtetem Schreiben vom 7. Dezember 2018 die Zustimmung zur Versetzung des Klägers in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit. Das Bundeskanzleramt erteilte daraufhin mit Schreiben vom 10. Dezember 2018 „unter dem Vorbehalt, dass der Beamte keine Einwendungen erhebt – gemäß § 47 Abs. 2 Satz 2 BBG zu der beabsichtigten Maßnahme“ das Einverständnis.

Anhörung

Mit Schreiben vom 30. Januar 2019 wurde dann der Beamte vom BND angehört. Der Kläger wandte sich dagegen mit einem anwaltlichen Schreiben, allerdings ohne Erfolg.

Die Gleichstellungsbeauftragte, die Schwerbehindertenvertretung und der auf Antrag des Klägers hinzugezogene Personalrat erhoben keine Einwendungen gegen die beabsichtigte Versetzung des Klägers in den Ruhestand.

Versetzung in den Ruhestand

Mit Bescheid vom 15. Juli 2019 verfügte der Präsident des BND die Versetzung des Klägers in den vorzeitigen Ruhestand. Den hiergegen erhobenen Widerspruch des Klägers wies der BND mit Widerspruchsbescheid vom 5. März 2021 zurück.

Klage vor dem Bundesverwaltungsgericht

Es kam dann zum Gerichtsverfahren, da der Kläger am 16. Februar 2021 (Untätigkeits-)Klage erhob. Der Beamte stützte die Klage vor allem auf formelle Mängel der Beschwerde.

Hier bestand die Besonderheit, dass die Eingangsinstanz nicht das Verwaltungsgericht war, sondern die erste und einzige Instanz (§ 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO) das Bundesverwaltungsgericht.

Klageabweisung durch das BVerwG

Dieses hält die Klage für unbegründet und wies diese ab.

Das Bundesverwaltungsgericht führte dazu aus:

Der Beteiligung des Integrationsamtes bedurfte es nicht, obwohl beim Kläger bereits zu Beginn des Zurruhesetzungsverfahrens ein Grad der Behinderung von 60 vom Hundert festgestellt und er als schwerbehinderter Mensch i. S. v. § 2 Abs. 2 SGB IX anerkannt war. Denn § 168 SGB IX, wonach die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen durch den Arbeitgeber der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes bedarf, ist nicht auf das Verfahren der Zurruhesetzung eines Lebenszeitbeamten nach §§ 44 ff. BBG anzuwenden (a. A. von Roetteken, ZBR 2018, 73 <79 ff.>; ders. jurisPR-ArbR 50/2021 Anm. 8 zu OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29. Juli 2021 – 4 B 14.19 -; Düwell, in: Dau/Düwell/Joussen/Luik, SGB IX, 6. Aufl. 2022, Vorbem. § 168 Rn. 11; Rolfs, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 22. Aufl. 2022, § 168 SGB IX Rn. 3). Dies gilt selbst im Hinblick auf den Umstand, dass die Zurruhesetzung nach §§ 44 ff. BBG auch Fälle erfasst, in denen der zur Zuerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft führende körperliche Zustand des Beamten zugleich die Dienstunfähigkeit i. S. v. § 44 Abs. 1 BBG begründet.

Auch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Auslegung von Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (im Folgenden: RL 2000/78/EG) führt nicht dazu, dass die Vorschriften der §§ 168 ff. SGB IX auf das Verfahren der Zurruhesetzung eines Lebenszeitbeamten nach Maßgabe der §§ 44 ff. BBG anzuwenden sind.

Nach Art. 7 Abs. 2 RL 2000/78/EG steht im Falle von Menschen mit Behinderung der Gleichbehandlungsgrundsatz weder dem Recht der Mitgliedstaaten entgegen, Bestimmungen zum Schutz der Gesundheit und der Sicherheit am Arbeitsplatz beizubehalten oder zu erlassen, noch steht er Maßnahmen entgegen, mit denen Bestimmungen oder Vorkehrungen eingeführt oder beibehalten werden sollen, die einer Eingliederung von Menschen mit Behinderung in die Arbeitswelt dienen oder diese Eingliederung fördern. Diese Bestimmung hat der Europäische Gerichtshof dahingehend ausgelegt, dass die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet sind, Maßnahmen im Sinne des Art. 7 Abs. 2 RL 2000/78/EG beizubehalten oder zu erlassen, dies aber nicht den Schluss zulässt, dass von den Mitgliedstaaten erlassene Bestimmungen außerhalb des Anwendungsbereichs des Unionsrechts liegen. Ist der Bereich des Unionsrechts eröffnet, haben die Mitgliedstaaten ihr Ermessen bei der Wahl zwischen den verschiedenen Durchführungsmodalitäten unter Beachtung der allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts auszuüben, zu denen insbesondere der Grundsatz der Gleichbehandlung gehört (EuGH, Urteil vom 9. März 2017 – C-406/15, Milkova – NZA 2017, 439 Rn. 52 f.).

Urteil vom 07.07.2022 – BVerwG 2 A 4.21

Anmerkung:

Die Entscheidung zeigt, dass gerade bei Schwerbehinderten – auch wenn es hier um das Beamtenrecht ging – diverse Vorschriften einzuhalten sind. Es wäre für den Dienstherrn hier stark nachteilig gewesen, wenn nach dem langen Verfahren über die Einschätzung der Diensttauglichkeit nun alles an der fehlenden Beteiligung des Integrationsamtes gescheitert wäre.

Rechtsanwalt Andreas Martin

BAG: Öffentlicher Arbeitgeber muss geeigneten schwerbehinderten Bewerber zum Vorstellungsgespräch einladen!

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keine Einladung eines Schwerbehinderten zum Vorstellungsgespräch
Bewerbung

Ein Schwerbehinderter (Gleichstellung bei Grad der Behinderung von 30) Bewerber bewarb sich Anfang August 2015 mit einer E-Mail auf eine für den Oberlandesgerichtsbezirk Köln ausgeschriebene Stelle als Quereinsteiger für den Gerichtsvollzieherdienst.

schwerbehinderter Bewerber wird nicht zum Vorstellungsgespräch geladen

Obwohl der Bewerber
fachlich für die Stelle nicht offensichtlich ungeeignet war, wurde er nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen.

Klage auf Entschädigung nach AGG

Daraufhin klagte der Bewerber gegen das Land auf Entschädigung wegen Diskriminierung nach dem AGG auf Zahlung von 7.434,39 Euro.

Bewerbung wurde übersehen

Im Prozess verteidigte sich das Land damit, dass
die Bewerbung des Klägers aufgrund eines schnell überlaufenden Outlook-Postfachs und wegen ungenauer Absprachen unter den befassten Mitarbeitern nicht in den Geschäftsgang gelangt sei. Allein schon deshalb sei der Kläger nicht wegen der (Schwer)Behinderung bzw. Gleichstellung benachteiligt worden.

Entschädigung von € 3.717,30

Das Arbeitsgericht hat die Klage des schwerbehinderten Bewerbers abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht Köln (Urteil vom 23. August 2018 – 6 Sa 147/18) hat ihr teilweise stattgegeben und dem behinderten Kläger eine Entschädigung iHv. 3.717,30 Euro zugesprochen.

BAG hält Entschädigung für richtig

Die Revision des beklagten Landes blieb im Ergebnis erfolglos.

Das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 23. Januar 2020 – 8 AZR 484/18) führt dazu in seiner Pressemitteilung Nr. 5/20 vom 23.1.2020 aus:

Geht dem öffentlichen Arbeitgeber die Bewerbung einer fachlich nicht offensichtlich ungeeigneten schwerbehinderten oder dieser gleichgestellten Person zu, muss er diese nach § 82 Satz 2 SGB IX aF zu einem Vorstellungsgespräch einladen. Unterlässt er dies, ist er dem/der erfolglosen Bewerber/in allerdings nicht bereits aus diesem Grund zur Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG verpflichtet. Das Unterlassen einer Einladung zu einem Vorstellungsgespräch ist lediglich ein Indiz iSv. § 22 AGG, das die Vermutung begründet, dass der/die Bewerber/in wegen seiner/ihrer Schwerbehinderung bzw. Gleichstellung nicht eingestellt wurde. Diese Vermutung kann der Arbeitgeber nach § 22 AGG widerlegen.

Der Kläger hat Anspruch auf eine Entschädigung aus § 15 Abs. 2 AGG in der zugesprochenen Höhe. Das beklagte Land hätte den Kläger, dessen Bewerbung ihm zugegangen war, nach § 82 Satz 2 SGB IX aF zu einem Vorstellungsgespräch einladen müssen. Die Nichteinladung zum Vorstellungsgespräch begründete die Vermutung, dass der Kläger wegen seiner Gleichstellung mit einer schwerbehinderten Person benachteiligt wurde. Das beklagte Land hat diese Vermutung nicht widerlegt. Insoweit konnte das beklagte Land sich nicht mit Erfolg darauf berufen, die Bewerbung sei nicht in den Geschäftsgang gelangt. Dass ihm trotz Zugangs der Bewerbung ausnahmsweise eine tatsächliche Kenntnisnahme nicht möglich war, hat das beklagte Land nicht vorgetragen. Auch die Höhe der Entschädigung war im Ergebnis nicht zu beanstanden.

Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht Berlin Marzahn Hellerdorf

€ 30.000 Schadenersatz für 83 Kilo – korpulente Frau erhält keine AGG – Entschädigung

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Eine übergewichtige Frau (83 kg bei 170 cm Körpergröße) bewarb sich bei einem Verein als Geschäftsführerin. Es erfolgte eine Ablehnung. Die Frau fühlte sich aufgrund ihres Gewichts diskriminiert und klagte vor dem Arbeitsgericht Darmstadt auf € 30.000 Entschädigung für die angebliche Diskriminierung.

Behinderung = Übergewicht?

Dabei ist zu beachten, dass eine Entschädigung nach dem AGG (Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz) voraussetzt, dass eine unzulässige Diskriminierung aufgrund einer der im AGG genannter Kriterien vorliegt.

§ 1 AGG

Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellenIdentität zu verhindern oder zu beseitigen.

§ 2 Anwendungsbereich

(1) Benachteiligungen aus einem in § 1 genannten Grund sind nach Maßgabe dieses Gesetzes unzulässig in Bezug auf:
1.
die Bedingungen, einschließlich Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen, für den Zugang zu unselbstständiger und selbstständiger Erwerbstätigkeit, unabhängig von Tätigkeitsfeld und beruflicher Position, sowie für den beruflichen Aufstieg,
……………

Nicht jede (unzulässige) Benachteiligung löst von daher einen Entschädigungsanspruch nach dem AGG aus. Es muss eine Benachteiligung aufgrund einer der oben in § 1 AGG genannten Gründe für einen in § 2 des AGG normierten Anwendungsbereich vorliegen.

Es stellt sich also die Frage, welcher Grund nach § 1 AGG für Übergewicht hier einschlägig sein soll. Die Bewerberin meinte, dass ihr Fall unter dem Grund „Behinderung“ falle.

Für einen jur. Laien erscheint eine solche Begründung wahrscheinlich grotesk, denn im normalen Lebensalltag setzt man Fettleibigkeit nicht mit Behinderung gleich. Um es überspitzt auszudrücken: kein normaler Mensch würde sich aufgrund von Übergewicht als behindert bezeichnen.

Allerdings darf man die allgemeine Vorstellung einer Behinderung hier nicht verwenden. Eine Behinderung nach § 1 AGG liegt nicht nur bei Schwerbehinderten vor, sondern bei jeder Person, deren körperlichen Funktionen, geistige Fähigkeiten oder deren seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht.

Diese Behindertendefinition ist also viel weiter als die des SGB für Schwerbehinderte. Von daher ist es also auch denkbar, dass bei Fettleibigkeit eine Behinderung nach dem AGG vorliegt, allerdings wohl nur in Extremfällen. Wenn also die Fettleibigkeit so gravierend ist, dass diese Person z.B. sich nicht normal bewegen kann und z.B. bettlägerig wäre.

Kurzum das Arbeitsgericht Darmstadt lehnte den Anspruch der Bewerberin mit der Begründung ab, dass Übergewicht – zumindest in diesem Fall – keine Behinderung ist.

A. Martin

 

kein Anspruch auf Entschädigung des schwerbehinderten Bewerbers bei Verschweigen der Schwerbehinderteneigenschaft

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Das Arbeitsgericht Stuttgart (ArbG Stuttgart Urteil vom 29.1.2014, 11 Ca 6438/13) entschied, dass ein schwerbehinderter nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladener Bewerber  keinen Anspruch auf Entschädigung nach dem AGG wegen Diskriminierung bekommt, wenn er  selbst nur versteckte Hinweise auf seine Schwerbehinderteneigenschaft macht, aber nicht offen angibt, dass er schwerbehindert ist.

Entscheidung und AGG-Entschädigung

Das Arbeitsgericht führt dazu aus:

Ein Entschädigungsanspruch nach den §§ 81 Abs. 2 SGB IX, 15 Abs. 2 AGG setzt voraus, dass ein behinderter Bewerber wegen seiner Behinderung benachteiligt wird. Ein Nachteil liegt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bereits in der Versagung einer Chance bei der Auswahl der Bewerber im Hinblick auf eine zu besetzende Stelle, beispielsweise – wie hier – durch die Nichteinladung zu einem Vorstellungsgespräch.

2. Zur Feststellung des Kausalzusammenhangs zwischen nachteiliger Behandlung und Behinderung genügt es, wenn der Bewerber Indizien vorträgt, die seine Benachteiligung wegen eines verbotenen Merkmals vermuten lassen, § 22 AGG. Wird ein schwerbehinderter Bewerber von einem öffentlichen Arbeitgeber entgegen § 82 S. 2 SGB IX nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen, rechtfertigt dieser Verfahrensverstoß die Annahme einer durch die Behinderung motivierten Benachteiligung, wenn dem Arbeitgeber die schwerbehinderte Eigenschaft bekannt gewesen ist oder er sich aufgrund der Bewerbungsunterlagen diese Kenntnis hätte verschaffen können.

3. Das setzt voraus, dass der Bewerber im Bewerbungsschreiben oder den beigefügten Unterlagen einen hinreichend deutlichen Hinweis darauf gibt, dass in seiner Person die Schwerbehinderteneigenschaft im Zeitpunkt der Bewerbung (noch) vorliegt. Der öffentliche Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, die Bewerbungsunterlagen nach versteckten und obendrein missverständlichen Hinweisen auf eine Schwerbehinderteneigenschaft zu durchsuchen.

4. Der öffentliche Arbeitgeber ist auch nicht verpflichtet, im Zweifelsfall nachzufragen. Erkundigungen in Bezug auf ein verbotenes Differenzierungsmerkmal im Sinne des § 1 AGG könnten ihm als Indiz-Tatsachen nach § 22 AGG entgegengehalten werden.

5. Der schwerbehinderte Bewerber, der die Einladung zu einem Vorstellungsgespräch auslösen möchte, hat es in der Hand, sich klar, unmissverständlich und eindeutig auszudrücken. Er handelt missbräuchlich, wenn er dem öffentlichen Arbeitgeber die fehlende Einladung zu einem Vorstellungsgespräch als Indiztatsache für eine Benachteiligung vorhält obwohl er lediglich versteckte und missverständliche Hinweise auf seine Schwerbehinderteneigenschaft gegeben hat.

RA A. Martin

BAG: Erteilung einer Falschauskunft – Indiz für Diskriminierung

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Die Verfahren vor den Arbeitsgerichten wegen Diskriminierung – vor allem von Bewerbern – nehmen immer mehr zu. Der Arbeitgeber kann hier schon in der Stellenanzeige und dann auch später im Bewerbungsgespräch viel falsch machen und setzt sich dann später Entschädigungsklagen nach dem AGG (Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz)  der abgelehnten Bewerber aus. Das Bundesarbeitsgericht beschäftigt sich immer häufiger mit derartigen Fällen (siehe diesbezüglich die letzte Entscheidung des BAG vom 21. Juni 2012 zur Frist für die Geltendmachung des Anspruches auf Entschädigung wegen Diskriminierung).

Entscheidung des BAG

Der abgelehnte Bewerber muss die Diskriminierung innerhalb bestehender Ausschlussfristen geltend machen und darüber hinaus auch nachweisen, dass er nach dem AGG diskriminiert wurde, was in der Praxis schwierig ist, da der Bewerber meist wenig über die anderen Bewerbungsgespräche weis und meist auch wenig über die dann später eingestellte Person. Selbst wenn die Diskriminierung offen im Bewerbungsgespräch durch Äußerungen des Arbeitgebers erfolgt, ist der Arbeitnehmer hier im Bestreitensfall beweislastpflichtig und kann häufig diesen Beweis nicht erbringen.

falsche Angaben des Arbeitgebers über die Einstellung

Der Arbeitgeber muss den abgelehnten Bewerber keine Auskunft über die Gründe der Ablehnung oder über die Gründe für die Einstellung einer anderen Person erteilen. Das BAG (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21. Juni 2012 – 8 AZR 364/11 -) urteilte nun, dass der Arbeitgeber aber, wenn er Angaben zu seiner Maßnahme macht, diese Angaben wahr sein müssen, ansonsten liegt ein Indiz für eine Diskriminierung vor.

Das BAG führt hier – in seiner Pressemitteilung – aus:

Begründet ein Arbeitgeber seine Maßnahme gegenüber dem Arbeitnehmer, so muss diese Auskunft zutreffen. Ist sie dagegen nachweislich falsch oder steht sie im Widerspruch zum Verhalten des Arbeitgebers, so kann dies ein Indiz für eine Diskriminierung bedeuten.

………………………………………………………………………………………

Anders als das Arbeitsgericht hat das Landesarbeitsgericht die Beklagte zur Zahlung einer Entschädigung iHv. 2.500,00 Euro und von Schadensersatz verurteilt. Die Revision der Beklagten und die hilfsweise eingelegte Anschlussrevision der Klägerin hatten vor dem Achten Senat Erfolg. Eine Verurteilung der Beklagten kann nicht auf die vom Landesarbeitsgericht gegebene Begründung gestützt werden. Das Landesarbeitsgericht wird aber aufzuklären haben, ob die von der Beklagten erteilten Auskünfte über die Gründe der Nichtverlängerung des Arbeitsverhältnisses Indizwirkung für eine Diskriminierung der Klägerin haben, weil diese Auskünfte möglicherweise falsch waren oder im Widerspruch zu dem sonstigen Verhalten der Beklagten standen. Das Landesarbeitsgericht wird dabei zu prüfen haben, ob das erteilte Zeugnis falsch war oder die Begründung, eine Entfristung sei wegen der Leistungsmängel der Klägerin nicht möglich gewesen. Auch wird dem Vortrag der Klägerin nachzugehen sein, zuvor sei eine andere, ebenfalls nicht zutreffende Auskunft erteilt worden. Die Klägerin soll zunächst auf einen Wegfall ihres Arbeitsplatzes wegen einer bevorstehenden Fusion hingewiesen worden sein.

Anwalt Martin

BAG: Entschädigung eines Schwerbehinderten wegen Diskriminierung bei Nichteinladung zum Vorstellungsgespräch!

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Derzeit werden immer mehr Verfahren wegen Diskriminierung von Bewerbern geführt. Gerade bei Schwerbehinderten vermutet man häufig eine Diskriminierung und eine Klage vor dem Arbeitsgericht auf Entschädigung geht vielen Anwälten „leicht von der Hand“.. Das BAG hatte diesbezüglich schon mehrere Fälle entschieden.

Diskriminierung wegen versagter Möglichkeit der persönlichen Vorstellung beim potentiellen Arbeitgeber

Das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 7.4.2011, 8 AZR 679/09) hatte sich erneut mit einer Entschädigungsklage wegen angeblicher Diskriminierung zu beschäftigen. Ein Schwerbehinderter bewarb sich auf eine freie Stelle und wurde zum Vorstellungsgespräch nicht eingeladen. Sein Rechtsanwalt vermutete schon allein deshalb eine Diskriminierung, auch wegen fehlender Kontaktaufnahme zur Agentur für Arbeit ( § 82 Satz 2 SGB IX). Das BAG wies die Revision ab und führte dazu aus:

„Der Kläger hat im Bewerbungsverfahren um die ausgeschriebene Stelle eine weniger günstige Behandlung erfahren als die später eingestellten Bewerber. Seine Bewerbung wurde abgelehnt, ohne dass er zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden war. Eine Benachteiligung kann in der Versagung einer Chance liegen (BAG 19. August 2010 – 8 AZR 530/09 – EzA AGG § 15 Nr. 10). Ein Behinderter hat Anspruch auf ein diskriminierungsfreies Bewerbungsverfahren, unabhängig vom Ausgang des Verfahrens (BAG 18. November 2008 – 9 AZR 643/07 – AP SGB IX § 81 Nr. 16 = EzA SGB IX § 81 Nr. 19). Durch die Nichteinladung wurde dem Kläger die Chance auf Einstellung versagt.

b) Die ungünstigere Behandlung des Klägers erfolgte jedoch in keiner vergleichbaren Situation iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG, da der Kläger die in der Stellenausschreibung geforderte Abschlussnote der Berufsausbildung nicht erzielt hat und der Beklagten die Festsetzung des Erfordernisses einer bestimmten Ausbildungsnote in der Stellenausschreibung nicht verwehrt war. Bereits damit scheidet eine unzulässige Benachteiligung des Klägers wegen seiner Behinderung aus.

aa) Das Vorliegen einer vergleichbaren Situation setzt voraus, dass der Kläger objektiv für die ausgeschriebene Stelle geeignet war, denn vergleichbar (nicht: gleich) ist die Auswahlsituation nur für Arbeitnehmer, die gleichermaßen die objektive Eignung für die zu besetzende Stelle aufweisen (BAG 18. März 2010 – 8 AZR 77/09 – AP AGG § 8 Nr. 2 = EzA AGG § 8 Nr. 2). Für das Vorliegen einer Benachteiligung ist es erforderlich, dass eine Person, die an sich für die Tätigkeit geeignet wäre, nicht ausgewählt oder schon nicht in Betracht gezogen wurde. Könnte auch ein objektiv ungeeigneter Bewerber immaterielle Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG verlangen, stünde dies nicht im Einklang mit dem Schutzzweck des AGG. Das AGG will vor ungerechtfertigter Benachteiligung schützen, nicht eine unredliche Gesinnung des (potentiellen) Arbeitgebers sanktionieren. Die objektive Eignung ist also keine ungeschriebene Voraussetzung der Bewerbereigenschaft, sondern Kriterium der „vergleichbaren Situation“ iSd. § 3 Abs. 1 AGG (BAG 19. August 2010 – 8 ZR 466/09 – EzA AGG § 15 Nr. 12).

bb) Maßgeblich für die objektive Eignung ist dabei nicht das formelle Anforderungsprofil, welches der Arbeitgeber erstellt hat, sondern sind die Anforderungen, die der Arbeitgeber an einen Stellenbewerber stellen durfte. Zunächst ist davon auszugehen, dass der Arbeitgeber über den der Stelle zugeordneten Aufgabenbereich und die dafür geforderten Qualifikationen des Stelleninhabers frei entscheiden darf. Durch das Stellen von Anforderungen an den Bewerber, die nach der im Arbeitsleben herrschenden Verkehrsanschauung durch die Erfordernisse der wahrzunehmenden Aufgaben unter keinem nachvollziehbaren Gesichtspunkt gedeckt sind, darf er allerdings die Vergleichbarkeit der Situation nicht willkürlich gestalten und dadurch den Schutz des AGG de facto beseitigen (BAG 22. Juli 2010 – 8 AZR 1012/08 – NZA 2011, 93).

Die objektive Eignung ist zu trennen von der individuellen fachlichen und persönlichen Qualifikation des Bewerbers, die nur als Kriterium der Auswahlentscheidung auf der Ebene der Kausalität zwischen Benachteiligung und verbotenem Merkmal eine Rolle spielt (BAG 22. Juli 2010 – 8 AZR 1012/08 – NZA 2011, 93). Allerdings bedürfen auch Bewerber, welche die auf der zu besetzenden Stelle auszuübenden Tätigkeiten grundsätzlich verrichten können, ohne aber jede Voraussetzung des Anforderungsprofils zu erfüllen, des Schutzes vor Diskriminierung, weil gerade Anforderungsprofile in Stellenanzeigen häufig Qualifikationen benennen, deren Vorhandensein der Arbeitgeber sich für den Idealfall zwar wünscht, die aber keinesfalls zwingende Voraussetzung einer erfolgreichen Bewerbung sind.“

Die Klagen auf Entschädigung häufen sich, wobei häufig übersehen wird, dass die Ansprüche in vielen Fällen schwer durchsetzbar sind.

RA Martin

Diskrimierung von behinderten – aber nicht schwerbehinderten -Menschen beim Vorstellungsgespräch

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Immer häufiger klagen abgelehnte Bewerber auf Entschädigung wegen Diskriminierung bei der Auswahl von Stellenbewerbern. Bei schwerbehinderten Personen muss der potentielle Arbeitgeber die Vorschriften des SGB IX (z.B. § 81 ) zu beachten. Gilt dies auch für Personen, die behindert, aber nicht schwerbehindert sind?

Schutz von Schwerbehinderten bei der Bewerberauswahl

Nach § 81 SGB IX soll der Arbeitgeber prüfen, ob neue Stellen mit schwerbehinderten Personen besetzt werden können. Dies gilt aber letztendlich nur für Schwerbehinderte. Dies setzt widerum voraus, dass diese ein GdB von wenigstens 50 haben. Personen mit Behinderungen, die diesen Wert nicht erreichen fallen nicht unter den Schutzvorschriften des SGB IX.

Schutz von behinderten Menschen

Das Bundesarbeitsgericht hatte sich mit einer Klage einer abgelehnten Bewerberin mit einem GdB von 40 (also nicht schwerbehindert nach dem SGB IX) zu beschäftigen. Die Vorinstanz war das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg. Die abgelehnte Bewerberin wollte Entschädigung vom potentiellen Arbeitgeber, der – ihrer Ansicht nach – die Vorschriften des SGB IX hätte beachten müssen. Das Bundesarbeitsgericht (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 27. Januar 2011 – 8 AZR 580/09) lehnte den Entschädigungsanspruch ab.

Das BAG führte dazu aus:

“ Die Beklagte musste die Klägerin nicht nach den Vorschriften des SGB IX behandeln, da die Klägerin dafür die persönlichen Voraussetzungen nicht erfüllt. Sie fällt nicht unter den Anwendungsbereich der Schutzvorschriften des SGB IX. Deshalb kann sich die Klägerin auch nicht auf sonstige Verletzungen der Vorschriften des SGB IX berufen. Auch dafür müsste sie schwerbehindert oder den schwer-behinderten Menschen gleichgestellt sein.“

Schutz nach dem AGG (Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz)

Im Verfahren vor dem BAG trug die Arbeitnehmerin allerdings keine Verletzung nach dem AGG vor, so dass sich das BAG nicht damit beschäftigte (Verfahrensvorschriften für Revision/ Nichtzulassungsbeschwerde sind „sehr streng“), aber darauf hinwies, dass ein Anspruch auf Entschädigung – theoretisch – nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz möglich gewesen wäre. Natürlich nicht automatisch, sondern bei einer Verletzung dieser Vorschriften.

Das BAG führte aus:

„Allerdings stehen seit August 2006 alle behinderten Menschen unter dem Schutz des AGG. Die Klägerin hat sich jedoch ausschließlich auf die Verletzung von Vorschriften des SGB IX berufen und keine Tatsachen vorgetragen, die die Vermutung für eine Benachteiligung im Sinne des AGG auslösen. Nachdem mit dem AGG die Rahmenrichtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 in deutsches Recht umgesetzt ist, kommt die zwischenzeitlich notwendige entsprechende Anwendung der Regeln des SGB IX auf nicht schwerbehinderte Menschen nicht länger in Betracht.“

Rechtsanwalt Martin – Berlin Arbeitsrechtsberatung

Siehe auch: „Darf der Arbeitgeber im Vorstellungsgespräch nach einer Schwerbehinderung fragen?