Arzt
Telefonische Krankschreibung wieder möglich

Arbeitnehmer, die an leichten Atemwegserkrankungen leiden, können sich ab sofort wieder telefonisch krankschreiben lassen.
Krankschreibung per Telefon
Die telefonische Krankschreibungen sind ab sofort bei leichten Atemwegserkrankungen (Erkältung/ Husten) wieder für bis zu 7 Tage möglich. Ein Besuch beim Arzt ist nicht notwendig. Damit sollen die Arztpraxen entlastet werden.
gelber Schein für 7 Tage
Die Krankschreibung erfolgt nicht durch persönliches Vorsprechen in der Arztpraxis, sondern allein telefonisch. Voraussetzung ist aber, dass sich der niedergelassene Arzt persönlich vom Zustand des Patienten durch eine eingehende telefonische Befragung überzeugt. Die Krankschreibung ist bis zu 7 Tage möglich. Der gelbe Schein wird dann dem Patienten zugeschickt.
Verlängerung um 7 Tage möglich
Nach Ablauf der ersten Krankschreibung ist eine einmalige Verlängerung der Krankschreibung per Telefon für weitere 7 Kalendertage möglich. Insgesamt kann der Arzt also bis zu 14 Tage den Patienten / Arbeitnehmer arbeitsunfähig per Telefon schreiben.
Regelung bis 30.11.2022
Die Sonderregelung gilt vorerst befristet bis 30. November 2022.
Schutz von vulnerablen Gruppen
Der Hintergrund ist, dass für die kommende Monate eine Erkältungs- und Grippesaison erwartet wird. Mit dem Wiedereinsetzen der telefonischen Krankschreibung sollen volle Wartezimmer in Arztpraxen und das Entstehen neuer Infektionsketten vermieden werden.
Die Regelung soll vor allem die besonders gefährdeten Risikogruppen wie Ältere oder chronisch Kranke, die dringend regelmäßig zum Arzt müssen, vor der Ansteckung mit Corona schützen.
Rechtsanwalt Andreas Martin
Krankschreibung per Telefon bis 31.05.2022 verlängert

Verlängerung der Krankschreibung per Telefon bis 31.05.2022
Bisher galt – befristet – die Möglichkeit, dass ein Arzt den Patienten auch nur bei telefonischen Kontakt arbeitsunfähig schreiben kann. Diese Sonderregelung zur telefonischen Krankschreibung wurde nun bis zum 31.05.2022 verlängert.
Verlängerung der Corona-Schutz-Maßnahme
Der Gemeinsame Bundesausschuss hat dazu am 18.3.2022 die Sonderregeln für die telefonische Krankschreibung bei leichten Atemwegsinfekten nochmals um weitere zwei Monate bis einschließlich 31.5.2022 verlängert. Dies ist eine Sonderregelung in der Corona- Pandemie.
telefonische Krankschreibung durch einen Arzt
Diese telefonische Krankschreibung ist nur dann möglich ,wenn der Patient/ Arbeitnehmer an leichten Atemwegserkrankungen leidet. In einen solchen Fall kann dieser weiterhin telefonisch für bis zu 7 Kalendertage krankgeschrieben werden. Damit soll verhindert werden, dass an Corona infizierte Patienten durch ihre persönliche Anwesenheit in einer Arztpraxis weitere Personen infizieren.
Informationen per Telefon über Patienten und Symptome
Ein Arzt muss sich allerdings – vor der Krankschreibung per Telefon – durch eine eingehende telefonische Befragung persönlich vom Zustand des Patienten überzeugen.
Verlängerung für weitere 7 Tage möglich
Die telefonische Krankschreibung kann zudem weiterhin einmalig für weitere 7 Kalendertage verlängert werden.
Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht
Wegen Krankheit gekündigt – was tun?

Bei einer Kündigung wegen Krankheit fragt man sich als Arbeitnehmer, ob überhaupt eine solche Kündigung zulässig ist und wenn ja, was man dagegen unternehmen kann.
Was ist eine krankheitsbedingte Kündigung?
Im Kündigungsschutzgesetz sind drei mögliche Kündigungsarten geregelt. Neben der verhaltensbedingten und betriebsbedingten Kündigung ist die Kündigung aus krankheitsbedingten Gründen (ein Unterfall der personenbedingten Kündigung) die dritte Möglichkeit für den Arbeitgeber ein Arbeitsverhältnis zu beenden, bei denen der allgemeinen Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz gilt. Bei der Kündigung wegen Krankheit stützt der Arbeitgeber die Kündigung darauf, dass aufgrund von entweder einer langanhaltenden Arbeitsunfähigkeit oder wegen häufigen kurzer Erkrankungen es diesem unzumutbar ist das Arbeitsverhältnis über die Kündigungsfrist hinaus fortzusetzen. Die krankheitsbedingte Kündigung wird fast ausschließlich als ordentliche Kündigung ausgesprochen. Die Anforderung an eine solche Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber sind recht hoch.
Wann droht eine Kündigung wegen Krankheit?
Nach dem Kündigungsschutzgesetz darf der Arbeitgeber krankheitsbedingt kündigen, wenn die Voraussetzung für eine solche Kündigung vorliegen. Die betriebsbedingte Kündigung und die verhaltensbedingte Kündigung kommen weitaus häufiger vor als die personenbedingte Kündigung, welche der Überbegriff für eine krankheitsbedingte Kündigung ist.
Bei der personenbedingten Kündigung muss ein nicht unerheblicher Arbeitsausfall durch häufige kurzer Erkrankungen oder durch eine Langzeiterkrankung vorliegen. Aufgrund der Erkrankungen in der Vergangenheit muss der Arbeitgeber im Wege einer negativen Prognoseentscheidung (negative Gesundheitsprognose) zu dem zwingenden Schluss kommen dürfen, dass auch zukünftig erhebliche Fehlzeiten des Arbeitnehmers vorliegen werden. Wichtig ist, dass eine Krankheit an sich nie den Kündigungsgrund darstellen kann. Der Kündigungsgrund ergibt sich erst durch die (wirtschaftlichen) Belastungen, die durch den Ausfall der Arbeitskraft bzw. das Freihalten des Arbeitsplatzes für den Betrieb entstehen.
Dabei schaut man sich einen Zeitraum von ungefähr drei Jahren des Arbeitsverhältnisses an. Hierbei es auch eine Tendenz zu beachten, also ob tatsächlich die Anzahl der Fehlzeiten zugenommen hat oder nicht. Krankheiten, die nur einmal auftreten, wie zum Beispiel eine Blinddarmentfernung, werden herausgerechnet. Darüberhinaus auch Fehlzeiten, die zum Beispiel durch die Betreuung von Kindern erfolgt sind.
Bei den Zeiten der Arbeitsunfähigkeit ist zu unterscheiden:
- lang andauernden Krankheitenund
- häufigen Kurzerkrankungen.
Häufige Kurzerkrankungen können einen Dauertatbestand für eine Kündigung bilden. Voraussetzung ist, dass die verschiedenen Erkrankungen den Schluss auf eine dauerhafte Krankheitsanfälligkeit des Arbeitnehmers zulassen und hier eine negative Prognose begründen.
Ein Arbeitsausfall von wenigstens sechs Wochen muss vorliegen. Dies ist allerdings noch recht niedrig angesetzt. Es muss faktisch der Schluss zwingend sein aus den Fehlzeiten in der Vergangenheit der letzten drei Jahre, dass der Arbeitnehmer auch zukünftig erhebliche Fehlzeiten haben wird und keine Besserung eintritt.
Um hier eine höhere Sicherheit zu haben, muss der Arbeitgeber auch erforschen, welche Möglichkeiten er hat, um zukünftig weitere Fehlzeiten des Arbeitnehmers zu verhindern bzw. dessen Eingliederung in den Betrieb wieder zu ermöglichen. Dafür wird der Arbeitgeber in der Regel ein sogenanntes betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) vornehmen. Dies ist ein sogenanntes Krankenrückführungsgespräch, dem es vor ein darum geht, welche Ursachen die Erkrankung haben und was der Betrieb tun kann, um hier weitere Fehlzeiten für die Zukunft zu vermeiden bzw. diese zu vermindern.
Kommt der Arbeitgeber zu dem Schluss, dass eine negative Gesundheitsprognose für die Zukunft vorliegt, dann muss eine Interessenabwägung vorgenommen werden zwischen dem Interesse des Arbeitgebers an einem ungestörten Betriebsablauf und dem Interesse des Arbeitnehmers an einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses. Da es auch zu berücksichtigen, wie lange der Arbeitnehmer bereits im Betrieb beschäftigt ist und welche Ausfallzeiten angefallen sind und welche Konsequenzen diese für den Arbeitgeber, auch in wirtschaftlicher Hinsicht, vorgelegen haben.
Der Arbeitgeber kann ohne Angabe von Gründen kündigen. Die Kündigungsgründe müssen aber vorliegen, sofern allgemeiner Kündigungsschutz greift oder Sonderkündigungsschutz.
Falls die Möglichkeit einer Versetzung auf einen anderen freien Arbeitsplatz besteht, ist dies ebenfalls zu erwägen, genauso wie der Ausspruch eine Änderungskündigung.
Wie erfolgt die Prüfung einer personenbedingten Kündigung wegen Arbeitsunfähigkeit?
Die Prüfung der Zulässigkeit einer krankheitsbedingten Kündigung erfolgt wie folgt:
- Vorliegen einer negativen Zukunftsprognose.
- Vorliegen der Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen durch den Arbeitsausfall
- Umfassende Interessenabwägung.
Werden alle Punkte vom Arbeitgeber beachtet, was schwierig ist, ist die ausgesprochene Kündigung wirksam, wenn der Arbeitgeber die Rechtslage falsch einschätzt – was oft vorkommt – dann ist die Kündigung unwirksam. Sofern der Arbeitnehmer sich an das Arbeitsgericht wendet, wird dann die ausgesprochene Kündigung gerichtlich überprüft. Hier gelten strenge Regeln.
Wie lange muss man krank sein, um mit einer Kündigung zu rechnen?
Bei der Frage, der krankheitsbedingten Ausfallzeiten gibt es keine genauen zeitlichen Grenzen. Grob kann man sich an die Dauer der Betriebszugehörigkeit orientieren.
Was kann der Arbeitnehmer tun, wenn er eine krankheitsbedingte Kündigung erhält?
Sofern der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber krankheitsbedingt gekündigt wurde, sollte dieser sich anwaltlich beraten lassen. In der Regel wird ein Anwalt dazu raten gegen die Kündigung mittels einer Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht vorzugehen. Die Kündigungsschutzklage ist darauf gerichtet festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die streitgegenständliche Kündigung aufgelöst wurde. Nur kurze Zeit nach Einreichung der Klage gibt es dann einen sogenannten Gütetermins und in diesem Termin wird dann seitens des Gerichtes versucht eine gütliche Einigung zu finden. Der Arbeitnehmer kann sich dann immer noch überlegen, ob er gegebenfalls-wenn dies vom Arbeitgeber vorgeschlagen wird, gegen Abfindung das Arbeitsverhältnis beendet oder den Rechtsstreit fortsetzt, sodass das Gericht über die Wirksamkeit der Kündigung dann entscheidet. Ohne Kündigungsschutzklage hat der ein Arbeitnehmer kaum eine Möglichkeit eine Abfindung vom Arbeitgeber zu erhalten.
Was ist bei einer dauerhaften Arbeitsunfähigkeit über 2 Jahren?
Die Chancen für den Arbeitnehmer bei krankheitsbedingter Kündigung verschlechtern sich erheblich, wenn die Krankheit dauerhaft besteht. Die dauerhafte Arbeitsunfähigkeit von über 2 Jahren ist für den Arbeitnehmer problematisch. In der Regel überwiegt dann das Interesse an der Kündigung des Arbeitgebers, da dann fast immer eine erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen vorliegt. Allerdings gilt dies erst, wenn die andauernde Arbeitsunfähigkeit von 2 Jahren oder mehr vorliegt.
Bekommt man eine Abfindung bei der krankheitsbedingten Kündigung?
Eine Abfindung bei Kündigung erfolgt nicht automatisch. Ein Abfindungsanspruch besteht jedenfalls so gut wie nie. Die Abfindung ist dann letztendlich Verhandlungssache. Die Verhandlungsposition des Arbeitnehmers verbessert sich erheblich, wenn dieser Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht einreicht und die Chancen im Prozess vor dem Arbeitsgericht für den Arbeitnehmer nutzen. In diesem Fall wird der Arbeitgeber in der Regel eine Abfindung nach Kündigung anbieten. Wenn der Arbeitnehmer gegen die Kündigung nicht vorgeht, wird diese nach 3 Wochen wirksam und kann nicht mehr angegriffen werden. In dieser Situation wird der Arbeitgeber in der Regel keinerlei Abfindung mehr zahlen, da kein Nachteil hat, wenn er dies nicht tut. Wichtig ist auch, dass bei ordentlichen Kündigungen, wenn das Kündigungsschutzgesetz gilt, die Chancen auf eine Entlassungsentschädigung erheblich höher sind als bei einer außerordentlichen Kündigung. Eine außerordentliche Kündigung, die fast immer als fristlose Kündigung erfolgt, erhöht das Prozessrisiko für den Arbeitnehmer. Oft wird dann als Vergleichsmöglichkeit vom Arbeitsrichter vorgeschlagen, dass man sich auf eine ordentliche Beendigung ohne Abfindung einigt.
Muss der Arbeitgeber vorher abmahnen?
Während es bei verhaltensbedingten Kündigungen auf ein Verschulden des Arbeitnehmers ankommt, ist dies bei Kündigungen wegen Krankheit nicht der Fall. In der Regel handelt der Arbeitnehmer hier nicht schuldhaft. Bei der Kündigung wegen Krankheit erhalten die betroffenen Mitarbeiter diese nicht, weil sie die Arbeitsunfähigkeit verschuldet haben. Eine Abmahnung kommt von daher nicht vor einer Kündigung in Betracht. Diese ist nicht notwendig und würde auch ins Leere gehen.
Nach dem Landesarbeitsgericht Hessen, Urteil vom 18.03.2014 – 13 Sa 1207/13 kann vor Ausspruch einer krankheitsbedingten Kündigung ausnahmsweise aber doch eine Abmahnung geboten sein, wenn die Erkrankung durch ein steuerbares Verhalten beseitigt werden kann. In der Entscheidung des LAG ging es um die Wiederaufnahme einer unterbrochenen Medikation mit Psychopharmaka.
Ist die Kündigung bei Krankheit nicht grundsätzlich verboten?
Nein, es gibt nach deutschem Arbeitsrecht kein Kündigungsverbot bei Erkrankung des Arbeitnehmers. Dies nehmen aber viele Arbeitnehmer an, obwohl dies unlogisch ist. Wenn dies tatsächlich so wäre, könnte der Arbeitgeber einen dauerhaft erkrankten Arbeitnehmer niemals das Arbeitsverhältnis kündigen. Von daher ist eine Kündigung auch während der Krankheit durch den Arbeitgeber grundsätzlich möglich. Ob diese tatsächlich im Einzelfall wirksam ist, ist eine andere Frage. Dies bestimmt sich dann nach dem Kündigungsschutzgesetz, sofern dieses Anwendung findet.
Was ist bei der Kündigung im Kleinbetrieb?
Bei der krankheitsbedingten Kündigung im Kleinbetrieb hatte Arbeitnehmer meist schlechte Karten. Wenn er die Kündigungsschutzklage einreicht, dann hat er nur Chancen den Prozess zu gewinnen und so den Arbeitgeber gegebenfalls zur Zahlung eine Abfindung“ zwingen „, wenn er nachweist, dass die Kündigung sittenwidrig oder treuwidrig ist. Im Kleinbetrieb gilt nämlich nur ein sogenannter Mindestkündigungsschutz. Dieser Schutz ist weitaus weniger effektiv als der Schutz nach dem Kündigungsschutzgesetz und schützt nur vor treuwidrige und sittenwidrige Kündigungen. Der Arbeitgeber braucht eigentlich für die Kündigung keinen Grund. Muss also auch nicht darlegen, dass ihm ein wirtschaftlicher Schaden durch die Krankheit des Arbeitnehmers entstanden ist. Anders ist dies, wenn es ein Sonderkündigungsschutz vorliegt. Bei diesen speziellen Kündigungsschutz, wie z.B. bei Schwangerschaft oder Schwerbehinderung besteht ein gesonderter Schutz vor Kündigung.
Was ist wenn der Arbeitgeber wegen der Erkrankung kündigt?
Nicht selten kommt es vor, dass der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber mitteilt, dass er krankgeschrieben ist. Manchmal reagieren Arbeitgeber dann so, dass diese sofort die Kündigung aussprechen und der Grund für die Kündigung dann die Krankschreibung des Arbeitnehmers ist. Dies wird dann vermutet, wenn ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen der Krankmeldung und dem Ausspruch der Kündigung liegt. Diese Kündigung ist nicht unwirksam. Allerdings bestimmt § acht des Entgeltfortzahlungsgesetzes, dass der Arbeitgeber dann die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall auch notfalls über das Ende der Kündigungsfrist hinaus maximal bis sechs Wochen vornehmen muss. Damit will man verhindern, dass der Arbeitgeber so die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall durch eine Kündigung ab kürzt. Der Arbeitnehmer muss allerdings nachweisen, dass die Kündigung aufgrund der Krankheit erfolgte.
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Rechtsanwalt Andreas Martin – Berlin – Fachanwalt für Arbeitsrecht
BAG: Keine Vergütung des ärztlichen Hintergrunddienstes!
ärztlicher Hintergrunddienst
Oberärzte leisten oft einen sogenannten Hintergrunddienst. Dabei sind sie örtlich nicht anwesend, sondern können sich Zuhause aufhalten, müssen aber im Notfall erreichbar sein und in bestimmten Fällen sogar dann ins Krankenhaus fahren. Dieser sogenannte Hintergrunddienst stellt die Frage danach, ob ein solcher Dienst, wie Arbeitszeit, zu vergüten ist.
Tarifverträge in Krankenhäusern regeln den Hintergrunddienst und dessen Vergütung
Eine Besonderheit besteht auch noch darin, dass für in Krankenhäusern beschäftigte Ärzte oft tarifvertragliche Regelungen Anwendung finden. In vielen ärztlichen Tarifverträgen wird der Dienst als Hintergrund nicht oder nur sehr gering vergütet.
Entscheidung des BAG zur Vergütung des Hintergrundes
Das Bundesarbeitsgericht hatte nun einen Fall zu entscheiden, wonach ein Oberarzt die Zeiten seines Hintergrunddienstes vergütet bekommen wollte.
> Ergebnis: > Um das Ergebnis vorwegzunehmen, das Bundesarbeitsgericht war der Meinung, dass die Hintergrunddienstzeiten des Arztes als Rufbereitschaftsdienste nicht zu vergüten sind.
> Dazu wie folgt:
Was ist Rufbereitschaft?
Rufbereitschaft ist die Verpflichtung des Arbeitnehmers sich an einem bestimmten Ort aufzuhalten und die Arbeit im Bedarfsfall aufzunehmen. In Tarifverträgen werden für die Rufbereitschaft teilweise andere Bezeichnungen verwandt.
Ist Rufbereitschaft zu vergüten?
Rufbereitschaft ist in der Regel nicht zu vergüten und zählt nicht zur Arbeitszeit, sondern ist Ruhezeit. Der Arbeitnehmer kann seinen Aufenthaltsort frei bestimmen und muss nur erreichbar sein.
Was ist Bereitschaftsdienst?
Bereitschaftsdienst ist eine Sonderform der Arbeitszeit und keine Ruhezeit. Der Bereitschaftsdienst ist das Verfügbarhalten des Arbeitnehmers außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort mit der Pflicht zur unverzüglichen Aufnahme der Arbeit im Bedarfsfall.
Muss der Bereitschaftsdienst vergütet werden?
Da der Bereitschaftsdienst keine Ruhezeit, sondern Arbeitszeit ist, ist dieser zu vergüten.
Was ist der Unterschied zwischen Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft?
Grundsätzlich unterscheiden sich die Rufbereitschaft und Bereitschaftsdienst durch die unterschiedliche Bestimmung des Aufenthaltsortes. Bei der Rufbereitschaft bestimmt der Arbeitnehmer, bei der Arbeitsbereitschaft und dem Bereitschaftsdienst der Arbeitgeber den Aufenthaltsort. Die Rufbereitschaft ist Ruhezeit und von daher nicht zu vergüten. Der Bereitschaftsdienst ist vergütungspflichtige Arbeitszeit.
Ist der ärztliche Bereitschaftsdienst zu vergüten?
Nach einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs ist Bereitschaftsdienst von Ärzten, den diese in persönlicher Anwesenheit in der Gesundheitseinrichtung zu leisten haben, als Arbeitszeit anzusehen (so Urteil des EuGH vom 03.10.2000 C 303/98).
Ist die ärztliche Rufbereitschaft zu vergüten?
In der Regel nicht, aber hier können Ausnahmeregelungen in Tarifverträgen vorgesehen werden.
Sachverhalt des Bundesarbeitsgerichts zur Hintergrundzeit
Der Kläger ist Oberarzt und leistet bei der Beklagten im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses, auf das der TV-Ärzte/TdL Anwendung findet, außerhalb seiner regelmäßigen Arbeitszeit sog. Hintergrunddienste.
Während dieser Zeit ist der Kläger verpflichtet, telefonisch erreichbar zu sein. Weitere ausdrückliche Vorgaben hinsichtlich des Aufenthaltsortes oder der Zeitspanne, innerhalb derer er die Arbeit im Klinikum aufzunehmen hat, gibt es nicht. In der Regel wird er telefonisch in Anspruch genommen und berät dann die Ärzte im Klinikum. In seltenen Fällen muss er auch ins Klinikum fahren.
> Die Beklagte vergütet die Hintergrunddienste gemäß § 9 Abs. 1 TV-Ärzte/TdL als Rufbereitschaft iSd. § 7 Abs. 6 Satz 1 TV-Ärzte/TdL.
Der klagende Oberarzt möchte nun seine Hintergrunddienst bezahlt bekommen und forderte vor dem Arbeitsgericht insgesamt € 40.000 an Vergütung nach.
Das Landesarbeitsgericht sprach dem Kläger die geforderte Vergütung zu.
Die Beklagte ging daraufhin in Revision zum BAG und gewann dort den Rechtsstreit.
Urteilsbegründung des Bundesarbeitsgerichts
Das Bundesarbeitsgericht sah in der ärztlichen Hintergrunddienstzeit nur eine Rufbereitschaft, da kein Aufenthaltsort vorgegeben war, so dass eine Vergütungspflicht nicht bestand.
Das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 25. März 2021 – 6 AZR 264/20) führt dazu in seiner Pressemitteilung vom 25.03.2021 (Nr. 6/21) folgendes aus:
> Bei dem vom Kläger geleisteten Hintergrunddienst handelt es sich um Rufbereitschaft. Ob ein vom Arbeitgeber im Anwendungsbereich des TV-Ärzte/TdL angeordneter (Hintergrund-)Dienst im vergütungsrechtlichen Sinn Bereitschaftsdienst oder Rufbereitschaft ist, richtet sich ausschließlich nach nationalem Recht und nicht nach der Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG. Rufbereitschaft und Bereitschaftsdienst unterscheiden sich nach den tariflichen Definitionen in § 7 Abs. 4 Satz 1 bzw. Abs. 6 Satz 1 TV-Ärzte/TdL dadurch, dass der Arbeitnehmer sich nach den Vorgaben des Arbeitgebers nicht an einem bestimmten Ort aufhalten muss, sondern seinen Aufenthaltsort frei wählen kann. Maßgeblich ist also der Umfang der vom Arbeitgeber angeordneten Aufenthaltsbeschränkung. Dabei ist der Arbeitnehmer allerdings auch bei der Rufbereitschaft in der Wahl seines Aufenthaltsortes nicht völlig frei. Er darf sich entsprechend dem Zweck der Rufbereitschaft nur so weit von dem Arbeitsort entfernt aufhalten, dass er die Arbeit dort alsbald aufnehmen kann. Das ist bei dem von der Beklagten angeordneten Hintergrunddienst noch der Fall. Mit der Verpflichtung, einen dienstlichen Telefonanruf anzunehmen und damit die Arbeit unverzüglich aufzunehmen, ist keine räumliche Aufenthaltsbeschränkung verbunden. Zeitvorgaben für die Aufnahme der Arbeit im Übrigen bestehen nicht. Dass uU nach einem Anruf zeitnah die Arbeit in der Klinik fortgesetzt werden muss, steht im Einklang mit dem Wesen der Rufbereitschaft. > > Allerdings untersagt § 7 Abs. 6 Satz 2 TV-Ärzte/TdL dem Arbeitgeber die Anordnung von Rufbereitschaft, wenn erfahrungsgemäß nicht lediglich in Ausnahmefällen Arbeit anfällt. Das trifft vorliegend zu. Der Kläger wird in etwa der Hälfte der Hintergrunddienste zur Arbeit herangezogen und leistet zu 4 % aller Rufbereitschaftsstunden tatsächliche Arbeit. Dabei kommt es entgegen der Ansicht der Beklagten nicht nur auf die Arbeitseinsätze an, die in der Klinik fortzusetzen sind, was in mehr als einem Viertel der Rufbereitschaften vorkommt. In der Gesamtschau dieser Umstände hätte sie die vom Kläger geleisteten Hintergrunddienste daher nicht anordnen dürfen. Gleichwohl führt dies nicht zu der vom Kläger begehrten höheren Vergütung. Ein bestimmter Arbeitsleistungsanteil ist nach dem Tarifvertrag weder dem Bereitschaftsdienst noch der Rufbereitschaft begriffsimmanent. Die Tarifvertragsparteien haben damit bewusst für den Fall einer tarifwidrigen Anordnung von Rufbereitschaft keinen höheren Vergütungsanspruch vorgesehen. Diesen Willen hat der Senat respektiert.
Anmerkung: Die Unterscheidung zwischen der nicht Vergütungspflichten Rufbereitschaft und dem zu bezahlenden Bereitschaftsdienst bestimmt sich dem Grunde nach danach, ob der Arbeitnehmer seinen Aufenthaltsort frei bestimmen kann.
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Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht – Berlin
Wer erteilt einer schwangeren Arbeitnehmerin das Beschäftigungsverbot – Arzt oder Arbeitgeber?
Schwangere Arbeitnehmerinnen werden u.a. durch das Mutterschutzgesetz geschützt. Die Frage nach dem Beschäftigungsverbot taucht fast immer bei einer Kündigung während einer bestehenden Schwangerschaft auf.
Wenn sich die Arbeitnehmerin gegen die Kündigung mittels Kündigungsschutzklage wehrt und die Schwangerschaft dem Arbeitgeber bekannt war oder diese rechtzeitig nachträglich angezeigt wurde, dann wir das Arbeitsgericht feststellen, dass das Arbeitsverhältnis fortbesteht. Meistens nimmt der Arbeitgeber schon zuvor die Kündigung „zurück“.
In dieser Situation möchte die Arbeitnehmerin meist nicht mehr beim Arbeitgeber arbeiten. Der Arbeitgeber wiederum möchte meistens auch nicht, dass die Arbeitnehmerin dort arbeitet und sucht nach einer „kostengünstigen Lösung“. Hier kommt dann das Beschäftigungsverbot oft ins Spiel.
Bekommt die Arbeitnehmerin nämlich ein Beschäftigungsverbot erhält sie vom Arbeitgeber den sog. Mutterschutzlohn. Dies ist faktisch nichts anderes als der durchschnittliche Arbeitslohn. Der Arbeitgeber zahlt also den Arbeitslohn für die Arbeitnehmerin weiter, bekommt aber -und dies ist sein Vorteil – im sog. Umlageverfahren (U2) eine Erstattung seine Entgeltfortzahlung von der zuständigen Krankenkasse. Von daher kann auch ein sog. Beschäftigungsverbot für den Arbeitgeber interessant sein, wenn er keinen Wert auf die Arbeitsleistung der Arbeitnehmerin mehr legt.
Manchmal stellt sich die Frage, wer das Beschäftigungsverbot ausspricht. Hierzu ist auszuführen, dass dies nicht der Arbeitgeber machen kann, auch wenn dies in der Praxis nicht selten angenommen wird. Vielmehr muss das Beschäftigungsverbot vom Arzt erteilt werden. Dazu regelt § 3 Mutterschutzgesetz:
§ 3 Abs. 1 Mutterschutzgesetz
Werdende Mütter dürfen nicht beschäftigt werden, soweit nach ärztlichem Zeugnis Leben oder Gesundheit von Mutter oder Kind bei Fortdauer der Beschäftigung gefährdet ist.
Von daher ist ein ärztliches Zeugnis erforderlich, dass natürlich nicht der Arbeitgeber ausstellen kann.
Was der Arbeitgeber aber machen kann ist, den zuständigen Arzt über bestimmte Gefährdungen auf der Arbeit für die Mutter oder das werdende Kind zu informieren. Der Arzt (Frauenarzt) muss – um ein Beschäftigungsverbot auszusprechen – auch wissen, welche Arbeitsleistung die Arbeitnehmerin erbringen muss und welches Gefährdungspotential hier vorhanden ist. Darüber kann der Arbeitgeber informieren (z.B. Gefährdung durch bestimmte Arbeitsweisen, Substanzen etc).
RA A. Martin
Krankenschein und Folgebescheinigung – was ist zu beachten?
Wenn der Arbeitnehmer krank wird (arbeitsunfähig), dann bestehen grundsätzlich zwei Verpflichtungen:
Pflichten des Arbeitnehmers bei Arbeitsunfähigkeit
– Anzeige der Arbeitsunfähigkeit sowie voraussichtliche Dauer (Informationspflicht)
– ggfs. Nachweis der Arbeitsunfähigkeit (Nachweispflicht)
Wo dies gesetzlich geregelt?
Geregelt ist dies im Entgeltfortzahlungsgesetz. Dort regel § 5 .
§ 5 Anzeige- und Nachweispflichten
(1) Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen. Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage, hat der Arbeitnehmer eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer spätestens an dem darauffolgenden Arbeitstag vorzulegen. Der Arbeitgeber ist berechtigt, die Vorlage der ärztlichen Bescheinigung früher zu verlangen. Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als in der Bescheinigung angegeben, ist der Arbeitnehmer verpflichtet, eine neue ärztliche Bescheinigung vorzulegen. Ist der Arbeitnehmer Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse, muß die ärztliche Bescheinigung einen Vermerk des behandelnden Arztes darüber enthalten, daß der Krankenkasse unverzüglich eine Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit mit Angaben über den Befund und die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit übersandt wird.
Anzeigepflicht der Arbeitsunfähigkeit
Die Anzeige der Arbeitsunfähigkeit muss unverzüglich erfolgen. Unverzüglich heißt ohne schuldhaftes Zögern. Dies heißt aber nicht, dass der Arbeitnehmer immer sofort die Arbeitsunfähigkeit anzeigen muss. Unverzüglich heißt, dass der Arbeitnehmer den Arbeitgeber von der Arbeitsunfähigkeit so schnell zu informieren hat, wie es ihm nach den Umständen des Einzelfalles möglich ist. Dies erfordert im Regelfall eine telefonische Nachricht zu Beginn der betrieblichen Arbeitszeit am ersten Arbeitstag.
Wie schnell muss der Arbeitnehmer den Arbeitgeber von seiner Krankheit/ Arbeitsunfähigkeit informieren?
Wie oben ausgeführt, muss dies unverzüglich erfolgen.
Was heißt „unverzüglich“?
Unverzüglich heißt, dass der Arbeitnehmer ohne schuldhaftes Zögern handeln muss. Der Arbeitnehmer muss so schnell wie ihm zumutbar dem Arbeitgeber-am besten telefonisch-die Arbeitsunfähigkeit anzeigen. Im Normalfall im Laufe bzw. zu Beginn des ersten Arbeitstages. Bestand die Arbeitsunfähigkeit bereits an arbeitsfreien Tagen zuvor in ( Wochenende/Teilzeitbeschäftigung) und ist bereits abzusehen, dass der Arbeitnehmer die Arbeit nicht wieder aufnehmen kann, so sollte der Arbeitnehmer nicht bis zum ersten Arbeitstag mit seiner Anzeige warten. Er muss die Anzeige im Laufe des ersten Krankheitstages vornehmen.
Welche Informationen müssen bei der Pflicht zur Anzeige der Arbeitsunfähigkeit dem Arbeitgeber mitgeteilt werden?
Der Arbeitnehmer muss dem Arbeitgeber mitteilen, dass er arbeitsunfähig ist und die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit.
Ist Arbeitnehmer verpflichtet die Erkrankung mitzuteilen?
Nein. Eine Verpflichtung zu Mitteilung der Erkrankung ist nicht gesetzlich vorgesehen. Der Arbeitnehmer muss also den Arbeitgeber überhaupt nicht zu Erkrankung mitteilen.
> Dies gilt sowohl zur Art also zur Ursache der Erkrankung.
Eine Besonderheit kann sich allenfalls dann ergeben, wenn der Arbeitgeber besondere Schutzmaßnahmen treffen muss, weil zum Beispiel eine Infektion mit übertragbaren Erregern vorliegt.
Was kann passieren, wenn der Arbeitnehmer die Anzeigepflicht missachtet?
Die Missachtung der Anzeigepflicht kann unter Umständen zu einer verhaltensbedingten Kündigung durch den Arbeitgeber führen. In der Regel muss der Arbeitgeber aber zunächst eine **Abmahnung**Es gibt durchaus auch Fälle, wo mehrfach abzumahnen ist. Es kommt dann auf die Umstände des Einzelfalles an, insbesondere ob dem Arbeitgeber bereits ein Schaden entstanden ist und ob der Arbeitnehmer schon recht lange störungsfrei im Arbeitsverhältnis beschäftigt ist. Auch spielt es eine Rolle, ob die entsprechende Anzeigeverpflichtung nachgeholt wurde und vielleicht noch ein Versehen des Arbeitnehmers beruhte.
Welche Ansprüche könnte der Arbeitgeber noch haben?
Neben der Kündigungen und der Abmahnung kann der Arbeitgeber unter Umständen sogar ein Schadensersatzanspruch gegen den Arbeitnehmer haben, wenn dieser die Erkrankung und damit seinem Ausfall dem Arbeitgeber nicht anzeigt bzw. nicht rechtzeitig anzeigt.
Wann ist die Arbeitsunfähigkeit nachzuweisen?
Laut dem Gesetz ist der Arbeitnehmer verpflichtet, sofern die Dauer der Arbeitsunfähigkeit länger als drei Tage ist, spätestens am darauffolgenden Arbeitstag, d. h. am vierten Krankheitstag eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorzulegen.
Was muss sich aus der Bescheinigung ergeben?
Aus der Bescheinigung müssen sich das Vorliegen der Arbeitsunfähigkeit sowie die voraussichtliche Dauer derselben ergeben. Darüber hinaus muss erkennbar sein, ob eine erste oder eine Folgebescheinigung vorliegt.
Darf der Arbeitgeber bereits ab dem ersten Tag die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung verlangen?
Ja, dies ist möglich, wenn sich eine entsprechende Regelung im Arbeitsvertrag befindet. Aus dem Gesetz ergibt sich eine solche Vorlagepflicht nicht sofort. Hier hat man bis zum vierten Krankheitstag Zeit, allerdings kann der Arbeitgeber im Arbeitsvertrag eine Verschärfung regeln und schon ab dem ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit die entsprechende Bescheinigung verlangen.
Hier soll es weiter um die Folgebescheinigung des Arbeitnehmers gehen.
Folgebescheinigung – was ist das?
Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als in der Erstbescheinigung angegeben, muss der Arbeitnehmer gem. § 5 Abs. 1 Satz 4 EFZG eine neue Bescheinigung vorlegen (so genannte Folgebescheinigung). Diese Bescheinigung (Folgebescheinigung) hat nicht nur den Zweck, die Tatsache der Arbeitsunfähigkeit durch ärztliches Attest nachzuweisen. Die Folgebescheinigung dient dem Interesse des Arbeitgebers, durch ärztliche Bescheinigung zu erfahren, mit welcher Arbeitsunfähigkeitsdauer zu rechnen ist. Nur dann hat er die Möglichkeit notwendige betrieblichen Dispositionen frühzeitig vornehmen zu können.
Die Folgebescheinigung ist faktisch jede Bescheinigung, die nach der Erstbescheinigung folgt.
Kann der Arbeitgeber auf den Nachweis der Arbeitsfähigkeit verzichten?
Ja, dies ist möglich. In der Praxis kommt dies aber sehr selten vor.
Muss eine Folgebescheinigung nur dann vorgelegt werden, wenn ein Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall gegenüber dem Arbeitgeber besteht, also beim Krankengeldanspruch nicht mehr?
Nein, die Folgebescheinigung (auch die Erstbescheinigung – Stichwort Wartezeit) muss immer vorgelegt werden. Dabei ist egal, ob der Arbeitnehmer noch einen Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall gegenüber dem Arbeitgeber hat oder nicht. Also auch nach Ablauf des 6-Wochen-Zeitraumes und beim bloßen Krankengeldbezug (z.B. Krankeit innerhalb der Wartzeit) muss eine solche Folgebescheinigung dem Arbeitgeber vorgelegt werden. Dies ist ja auch nachvollziehbar, denn selbst, wenn der Arbeitnehmer Krankengeld bezieht, so möchte der Arbeitgeber doch wissen (nebst Nachweis), wie lange der Arbeitnehmer weiterhin krank bleibt. Ansonsten könnte der Arbeitnehmer einfach der Arbeit fernbleiben ohne den Nachweis der Arbeitsunfähigkeit. Dies wird in der Praxis oft von Arbeitnehmern übersehen. Das Problem ist, dass der Arbeitgeber dann ggfs. hier abmahnen kann. Für eine außerordentliche Kündigung dürfte dies – im Normalfall – aber nicht reichen.
Weshalb muss ich hier Nachweise führen, wenn der Arbeitgeber doch über die Krankenkasse erfährt, dass ich krank bin?
Kurze Antwort: Weil es im Gesetz steht (siehe oben § 5 des Entgeltfortzahlungsgesetzes). Es ist allein die Verpflichtung des Arbeitnehmers dem Arbeitgeber mitzuteilen und nachzuweisen, dass er arbeitsunfähig krank ist. Vertragspartner des Arbeitgebers laut dem Arbeitsvertrag ist nicht die Krankenkasse, sondern der Arbeitnehmer. Kommt der Arbeitnehmer dem nicht nach, dann verstößt er gegen seine Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis und kann abgemahnt werden. Zudem hat der Arbeitgeber – sofer er noch zur Lohnfortzahlung im Krankheitsfall verpflichtet wäre – solange ein Zurückbehaltungsrecht am Lohn/ Lohnfortzahlung, bis er die AU-Bescheinigung im Original erhält.
Reicht für eine sog. „Folgebescheinigung“ nicht der Nachweis der Erkrankung durch die Krankenkasse aus?
Nein, dies reicht nicht aus. Der Arbeitnehmer hat laut Entgeltfortzahlungsgesetz den Nachweis über die Arbeitsunfähigkeit durch eine sog. Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung eines Arztes zu erbringen. Die Krankenkasse kann dies nicht bescheinigen. Die Krankenkasse könnte lediglich mitteilen, dass sie Krankengeld zahlt, also von einer Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers weiterhin ausgeht. Dies ist aber keine ärztliche Bescheinigung und ersetzt diese auch nicht.
Bekommt man überhaupt noch nach 6 Wochen eine Bescheinigung vom Arzt?
Manche Arbeitnehmer behaupten,dass ihr Arzt Ihnen keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nach Ablauf des Entgeltfortzahlungszeitraumes mehr ausstellt bzw. ausstellen will, da der Arbeitgeber ja kein Geld (Entgelt) mehr zahlt, sondern nun die Krankenkasse. Aber der Arzt irrt sich hier. Der Sinn und Zweck der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung besteht nicht (nur) darin, dem Arbeitnehmer die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall zu sichern, sondern den Arbeitgeber über die fortlaufende Erkrankunge zu informieren und den Nachweis darüber zu erbringen, so dass diese im Betrieb planen und den Arbeitsausfall überbrücken kann. Der Arzt muss von daher eine Bescheingiung ausstellen. Notfalls kann der Hinweis gegenüber dem Arzt auf die eindeutige Regelung des § 5 des Entgeltfortzahlungsgesetzes nicht schaden.
Wann ist die Folgebescheinigung vorzulegen?
Erstaunlich ist, dass der Gesetzgeber die Folgebescheinigung bzw. die Vorlagepflicht der Folgebescheinigung nicht geregelt hat. Überwiegend wird aber angenommen, dass sie dieselben Grundsätze gelten wie bei der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung.
Darf der Arbeitgeber den Lohn zurückbehalten, wenn er keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung hat?
Ja. Der Arbeitgeber hat ein Zurückbehaltungsrecht, solange ihm nicht die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Arbeitnehmers im Original vorliegt. Wenn also der Arbeitgeber den Lohn nicht zahlt und sich darauf beruft, dass er die Bescheinigung nicht hat, sollte der Arbeitnehmer sich unverzüglich eine zweite Bescheinigung ausstellen lassen und diese im Original dem Arbeitgeber übergeben.
Gesundmeldung nach Krankheit erforderlich?
Der Arbeitgeber kann davon ausgehen, dass der Arbeitnehmer, wenn er keine weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung einreicht bzw. bei Ablauf der alten Bescheinigung, dass der Arbeitnehmer dann wieder arbeitsfähig ist.
Wichtig ist aber, dass der Arbeitnehmer nach Ablauf der Arbeitsunfähigkeit zur Arbeit erscheint und seine Arbeitskraft anbietet, ansonsten besteht bei Nichtbeschäftigung (dies kommt manchmal vor) kein Lohnanspruch (Annahmeverzugslohn). Eine bloße „Gesundmeldung „ohne Arbeitsantritt reicht nicht aus. Auch reicht es – im Normalfall – nicht aus, wenn der Arbeitnehmer einfach seine Arbeitskraft per SMS, E-Mail, WhatsUp, Schreiben oder per Telefon dem Arbeitgeber anbietet. Das Anbieten der Arbeitskraft muss vor Ort durch die Person des Arbeitnehmers persönlich erfolgen.
Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht – Berlin