Arbeitsvertrag zu überprüfen

Gibt es für Arbeitsverträge / Arbeitsvertragsklauseln auch eine AGB-Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB?

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In fast allen Fällen benutzen Arbeitgeber vorformulierte Arbeitsverträge/ Arbeitsvertragsmuster. Dabei stellt der Arbeitgeber nur in wenigen Fällen den Arbeitsvertrag oder einzelne Klausel des Vertrags zur Disposition. In der Regel wird hier nichts ausgehandelt und der Arbeitnehmer unterschreibt den Arbeitsvertrag, um die Arbeit zu bekommen. Streitigkeiten über die Wirksamkeit einzelner Klauseln gibt es fast immer erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Dann aber stellt sich die Frage, wie eigentlich der Arbeitsvertrag zu überprüfen ist, insbesondere, ob für die Überprüfung der Vertragsklauseln die §§ 305 ff. BGB (früher AGB-Gesetz) heranzuziehen sind.

Anwendbarkeit der §§ 305 ff. BGB/ Arbeitsvertrag und allgemeine Geschäftsbedingungen

Erst seit dem Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes (2002) unterliegen auch allgemeiner Arbeitsbedingungen der gesetzlichen AGB-Kontrolle der §§ 305 ff. BGB. Von daher werden die Klauseln des Arbeitsvertrages, wie allgemeine Geschäftsbedingungen überprüft, was für den Arbeitnehmer stark vorteilhaft ist, denn die §§ 305 ff. BGB enthalten eine Vielzahl von Regelungen, die den Verbraucher (Arbeitnehmer) schützen (Stichwort: Verbraucherschutz).

Besonderheiten bei der Überprüfung von Arbeitsverträgen

§ 310 Abs. 4 S. 2 BGB regelt:

Bei der Anwendung auf Arbeitsverträge sind die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen; § 305 Abs. 2 und 3 ist nicht anzuwenden. 

Dies heißt, dass bei der Überprüfung von Arbeitsverträgen und deren Klauseln Einschränkungen gelten; es sind die Besonderheiten des Arbeitsrechts zu berücksichtigen. Was dies genau heisst, erschließt sich dem Leser nicht.

BAG- AGB-Kontrolle und Berücksichtigung der Besonderheiten des Arbeitsrechts

Das Bundesarbeitsgericht hat bereits im Jahr 2004 (BAG, Entscheidung vom 4.3.2004 – AZR 196/03) sich genauer dazu geäußert.

Danach gelten folgende Grundsätze:

  1. die Besonderheiten beziehen sich nicht auf einzelne Arbeitsrechtsgebiete (z.B. Kündigungsschutz), sondern auf das gesamte Arbeitsrecht
  2. ausreichend ist, dass sich ein rechtlicher Umstand nicht ausschließlich, sondern besonders im Arbeitsrecht auswirkt 
  3. dies gilt auch für tatsächliche Besonderheiten des Arbeitsrechts
  4. die Besonderheiten des Arbeitsrechts gelten für die gesamte AGB-Kontrolle nach §§ 305 ff. BGB; also auch für die Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeiten (§ 309 BGB)

Beispiele für solche Besonderheiten

Das Bundesarbeitsgericht hatte wahrscheinlich mit der obigen Definition gewollt sich einen größeren Spielraum bei der Überprüfung von Arbeitsvertragsbedingungen einzuräumen. Ohne dies wären einige Klauseln, die bereits vor 2002 seit Jahren in Arbeitsverträgen verwendet wurden und vom BAG bis dato auch für rechtmäßig anerkannt worden sind, nun aufgrund der strengen AGB-Kontrolle de, vor allem des § 309 BGB unwirksam geworden. Das BAG hätte in diesen Fällen seine Rechtsprechung komplett ändern müssen, was auch dem Vertrauen auf die Wirksamkeit solcher Klauseln zuwider gelaufen wäre.

Solche Beispiele für im Arbeitsrecht wirksame (aber außerhalb nach den §§ 305 BGB u.u. unwirksame) Klauseln sind:

  • arbeitsvertragliche Anrechnungsklauseln 
  • Vertragsstraferegelungen
  • Ausschlussklauseln in Arbeitsverträgen

Besonderheiten bei Alt-Arbeitsverträgen vor 2002?

Nach Art. 229 § 5 S. 1 EGBGB sind für alle Arbeitsverträge vor 2002 ab dem 1.1.2003 die Regelungen über die AGB-Kontrolle nach §§ 305 BGB ff. anzuwenden. Das BAG nimmt hier in Einzelfällen dennoch Einschränkungen vor. In besonderen Härtefällen erfolgt nach dem Bundesarbeitsgericht (BAG, Entscheidung vom 12.01.2005 – 5 AZR 364/04) ein Anpassung unzulässiger Arbeitsvertragsklauseln im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung (dies widerspricht ja dem Grundsatz, dass es keine geltungserhaltende Reduktion unwirksamer Klauseln gibt). Dies rechtfertigt das BAG damit, dass ansonsten eine echte Rückwirkung des Gesetzes vorliegen würde, was verfassungsmäßig bedenklich wäre.

Was wird alles nach den §§ 305 BGB überprüft?

Der AGB-Kontrolle unterliegen:

  • Formulararbeitsverträge
  • allgemeine Arbeitsbedingungen
  • arbeitsvertragliche Einheitsregelungen
  • Gesamtzusagen
  • betriebliche Übungen
  • auch arbeitsvertragliche Aufhebungsverträge

Was wird nicht durch die AGB-Kontrolle überprüft?

Früher – also vor 2002 – gab es eine sog. Bereichsausnahme, die nun in § 310 Abs. 4 BGB geregelt ist.

Danach gibt es keine AGB-Kontrolle bei:

  • Tarifverträgen
  • Betriebsvereinbarungen
  • Dienstvereinbarungen

Eine solche Kontrolle würde zur Verletzung der Tarifautonomie und der betrieblichen Mitbestimmung führen. Dies heißt aber nicht, dass es gar keine Kontrolle gibt.

Tarifverträge unterliegen einer Rechtskontrolle (wie Gesetzes. Betriebs- und Dienstvereinbarungen einer Billigkeitskontrolle.

Was gilt, wenn in Arbeitsverträgen Bezug auf Tarifverträge genommen wird?

Nimmt der Arbeitsvertrag auf Tarifverträge Bezug, so ist eine solche Bezugnahmeklausel einer AGB-Kontrolle zu unterwerfen. In der Regel ist dies aber zulässig und verstößt nicht gegen das Transparentsgebot / Unklarheitsregel.

gesamte Verweisung auf einschlägigen Tarifvertrag

Eine Überprüfung des Tarifvertrages, der ja nicht normativ gilt (dann theoretisch kein Ausschluss der Kontrolle nach § 310 AGB), ist aber unzulässig, wegen der Richtigkeitsgewähr des Tarifvertrages (Art. 9 GG).

Gesamtverweisung auf nicht einschlägigen (branchenfremden) Tarifvertrag

Dies gilt aber nicht ohne weiteres, wenn auf einen branchenfremden Tarifvertrag verwiesen wird. Hier kann die Richtigkeitsgewähr nicht ohne weiteres unterstellt werden.

Verweisung auf einzelne Normen des Tarifvertrags

Wird im Arbeitsvertrag nur auf einzelne Normen/ Normenbereich des Tarifvertrages verwiesen, dann erfolgt auch eine AGB-Kontrolle der tarifvertraglichen Normen. Ausgenommen sind deklaratorische Vertragsklauseln; also z.B. Klauseln, die ohnehin die gesetzliche Regelung wiedergeben.

Grundsätze der Auslegung von allgemeinen Arbeitsbedingungen

Bei der AGB-Kontrolle ist mit einer Auslegung der zu überprüfenden Klausel zu beginnen.

Dabei sind folgende Grundsätze zu beachten:

  • Maßstab:  aus Sicht eines objektiven Durchschnittsarbeitnehmers ohne rechtliche Vorbildung
  • begleitende Umstände können berücksichtigt werden
  • Zweifel gehen zu Lasten des Arbeitgebers (sog. Unklarheitsregel)

Rechtsanwalt Andreas Martin – Zweigstelle Berlin