Anordnung

Rechtswidrige Kurzarbeit – muss der Arbeitgeber den vollen Lohn zahlen?

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Rechtswidrige Kurzarbeit - muss der Arbeitgeber den vollen Lohn zahlen?
Kurzarbeit

Gerade in der Corona-Pandemie was oft so, dass Arbeitgeber aus betriebsbedingten Gründen versucht haben, so schnell wie möglich Kurzarbeit anzuordnen.

Vereinbarung über Kurzarbeit

In der Regel ist dafür eine Vereinbarung mit dem Arbeitnehmer erforderlich. Eine solche Vereinbarung muss der Arbeitgeber mit allen Arbeitnehmern (einzeln) schließen. Diese sind nicht verpflichtet zuzustimmen.

Kurzarbeiterklausel im Arbeitsvertrag

In manchen Arbeitsverträgen fanden sich aber auch Klauseln, wonach der Arbeitgeber berechtigt ist die Kurzarbeit anzuordnen und der Arbeitnehmer im Arbeitsvertrag dazu bereits seine Zustimmung erteilt hat. Diese Klauseln werden auf ihre Wirksamkeit von den Arbeitsgerichten wie allgemeine Geschäftsbedingungen überprüft.

Arbeitsgericht Stuttgart und Zahlung des vollen Arbeitslohnes

Das Arbeitsgericht Stuttgart (Urteil vom 6.12.2022, 25 Ca 7031/21) hat nun entschieden, dass selbst wenn eine solche Klausel wirksam ist, aber trotzdem die Kurzarbeit rechtswidrig angeordnet wurde, der Arbeitnehmer nicht automatisch einen vollen Lohnanspruch hat.

unwirksame Anordnung von Kurzarbeit „Null“

Das Problem ist, dass bei Kurzarbeit oft sogenannte Kurzarbeit null angeordnet wurde. Der Arbeitnehmer muss dann nicht arbeiten, bekommt aber nur einen Teil seines Lohnes. Arbeitnehmer, die arbeitswillig sind werden faktisch gezwungen auf einen Teil ihres Lohnes zu verzichten. Wenn die Kurzarbeitsanordnung nun unwirksam ist, könnte man auf die Idee kommen, dass der Arbeitgeber dann den vollen Lohn schuldet, da es seine Schuld ist, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung nicht erbringen konnte.

Lohn bei unwirksamer Anordnung von Kurzarbeit

Hier ist aber zu beachten, dass es den Grundsatz im Arbeitsrecht gibt, wonach Arbeitnehmer ohne Arbeit keinen Lohn bekommen („kein Lohn ohne Arbeit“). Der Arbeitgeber ist nur verpflichtet den Lohn zu zahlen, wenn er sich im Annahmeverzug befindet. Der sogenannte Annahmeverzugslohn setzt aber voraus, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitskraft angeboten hat. In der Regel ist das tatsächliche Anbieten der Arbeitskraft (also vor Ort) erforderlich. Ein wörtliches Angebot oder ein Angebot über soziale Medien reicht im Normalfall hierfür nicht aus.

Entscheidung des Arbeitsgericht Stuttgart

Das Arbeitsgericht Stuttgart hatte sich nun mit dem Fall zu beschäftigen, wonach der Arbeitgeber die Kurzarbeit rechtswidrig angeordnet hatte und der Arbeitnehmer nun nachträglich seinen vollen Lohn eingeklagt hat. Hierbei ging es hauptsächlich um die Frage, inwieweit der Arbeitnehmer tatsächlich seine Arbeitskraft hätte anbieten müssen.

Begründung der Ablehnung des Lohnanspruchs

Das Arbeitsgericht führte dazu aus:

Der Vergütungsanspruch des Klägers gemäß § 611a Abs. 2 BGB ist vorliegend nicht aufgrund von § 615 Satz 1 BGB aufrechterhalten worden, (BAG, Urteil vom 19.10.2000 – 8 AZR 20/00, NZA 2001, 598) da es an einem Angebot des Klägers fehlt. Ein solches wäre vorliegend allerdings zumindest in der Form des wörtlichen Angebots nötig gewesen, da der Kläger unstreitig in den Monaten April 2020 bis August 2021 lediglich am 17.09.2020 und im Zeitraum vom 29.06.2021 – 02.07.2021 seine Arbeitsleistung erbracht hat und die Beklagte zu Ziffer 1.) den korrespondierenden Arbeitslohn bezüglich dieser Tage auch zur Auszahlung gebracht hat

(2) Ausgehend von diesen Grundsätzen besteht auch beim Vorliegen einer rechtswidrigen Anordnung von Kurzarbeit die Obliegenheit des Arbeitnehmers, gegen diese Anordnung zumindest zu protestieren (BAG, Urteil vom 18.11.2015 – 5 AZR 491/14, NZA 2016, 565 Rn. 23; BAG, Urteil vom 18.11.2015 – 5 AZR 814/14, BeckRS 66759 Rn. 51; BAG, Urteil vom 15.05.2013 – 5 AZR 130/12, NZA 2013, 1076 Rn. 22). Der wohl mittlerweile überholten Meinung des Bundesarbeitsgerichts, auch im bestehenden Arbeitsverhältnis sei bei unwirksamer Anordnung von Kurzarbeit gemäß § 296 BGB ein Angebot entbehrlich, da es seitens des Arbeitgebers einer Mitwirkungshandlung – Einrichtung eines funktionsfähigen Arbeitsplatzes – bedurft hätte, (BAG, Urteil vom 27.01.1994 – 6 AZR 541/93, NZA 1995, 134 (134 f.)) kann sich die Kammer nicht anschließen. Dies gründet zuvorderst darauf, dass § 615 BGB iVm §§ 293 ff. BGB den im allgemeinen Schuldrecht bei synallagmatischen Leistungsverknüpfungen gemäß der §§ 275 Abs. 1, 326 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 BGB bestehenden Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“ durchbricht und somit nach Meinung der Kammer restriktiv auszulegen ist. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund des im allgemeinen Schuldrecht entwickelten Dogmas der Exklusivität von Annahmeverzug und Unmöglichkeit (Bieder in BeckOGK, BGB, Stand: 01.07.2022, § 615 Rn. 6). Auch ist zu berücksichtigen, dass aufgrund der gesetzlichen Systematik der §§ 294 – 296 BGB die komplette Entbehrlichkeit des Angebots die Ausnahme zum wörtlichen Angebot und dieses wiederum die Ausnahme zum tatsächlichen Angebot darstellen soll. Dieses Regel-Ausnahme-Verhältnis erscheint bei einer wortlautgetreuen Anwendung der §§ 294 – 296 BGB allerdings im Arbeitsrecht ins Gegenteil verkehrt, da aufgrund der Verpflichtung des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer zu beschäftigen, eine Mitwirkungshandlung – Einrichtung eines funktionsfähigen Arbeitsplatzes – besteht, für welche typischerweise auch eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist, sodass im Normalfall ein Angebot des Arbeitnehmers gemäß § 296 BGB entbehrlich wäre. So muss die 2. Alternative des § 295 Satz 1 BGB dahingehend teleologisch reduziert werden, dass allein die Bereitstellung eines funktionsfähigen Arbeitsplatzes keine Mitwirkungshandlung im Sinne des Annahmeverzugsrechts darstellt, sodass ein automatisches Eingreifen von § 296 BGB und damit auch des Annahmeverzugs verhindert werden kann. Deutlich wird dies durch einen Vergleich mit § 295 Satz 1 Alt. 1 BGB, da hier zumindest ein zusätzliches aktives Tun des Arbeitgebers – Erklärung der Nichtannahme – gefordert wird. Durch eine solche teleologische Reduktion ist es dem Arbeitnehmer nicht möglich, die rechtswidrige Anordnung von Kurzarbeit lediglich zu dulden, um später die Differenzvergütung zu liquidieren. Erst wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber durch ein wörtliches Angebot verdeutlicht hat, dass er gegen die Anordnung von Kurzarbeit protestiere, erscheint es interessengerecht, ihm bei Rechtswidrigkeit dieser Anordnung die korrespondierende Differenzvergütung zuzusprechen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Kläger nicht damit rechnen konnte, dass ihm aufgrund seines Protests ein korrespondierender Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt werde, da von ihm zumindest gefordert werden kann, den Arbeitgeber auf seine ablehnende Haltung hinzuweisen, sodass dieser mögliche Schritte zur Abwendung eines finanziellen Schadens einleiten kann.

3) Vorliegend ist zwischen den Parteien unstreitig, dass der Kläger zu keinem Zeitpunkt der Anordnung von Kurzarbeit widersprochen hat oder seinen Protest auf andere Art zum Ausdruck gebracht hat. Es fehlt somit an einem wörtlichen Angebot. Die Beklagte zu Ziffer 1.) befand sich somit zu keinem Zeitpunkt im Annahmeverzug.

ArbG Stuttgart Urteil vom 6.12.2022, 25 Ca 7031/21

Anmerkung:

Das letzte Wort hat letztendlich das Bundesarbeitsgericht. Der Fall hat erhebliche praktische Relevanz, denn oft wurde Kurzarbeit unwirksam angeordnet.

Beitrag in meinen Podcast

Anbei auch der Link zu meinen Podcast zum Thema: „Lohn ohne Arbeit – geht das?


Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht

Bundesarbeitsgericht: Wer muss was im Überstundenprozess beweisen?

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Bundesarbeitsgericht: Wer muss was im Überstundenprozess beweisen?
Überstundenprozess

Überstunden vor dem Arbeitsgericht

In Deutschland werden viele Überstunden geleistet. Entsprechend gibt es viele Überstundenprozesse vor den Arbeitsgerichten.

Einklagen von Überstunden und Fachkräftemangel

Aufgrund des Fachkräftemangels hat sich die Problematik sogar noch weiter verschärft. Arbeitnehmer gehen immer noch wie selbstverständlich davon aus, dass sie die geleisteten Überstunden immmer bezahlt bekommen und diese notfalls einfach vor dem Arbeitsgericht durchsetzen können. Dies stimmt so aber nicht. Ein Prozess auf Zahlung von Überstunden ist schwierig zu führen.

Überstundenprozesse sind schwierig

Kommt es nämlich zum Streit zwischen Arbeitnehmern Arbeitgeber und zahlt der Arbeitgeber die Überstunden nicht, dann bleibt dem Arbeitnehmer nur die Möglichkeit die absolvierten Überstunden vor dem Arbeitsgericht geltend zu machen. In Berlin ist dafür das Arbeitsgericht Berlin örtlich zuständig. Der Arbeitnehmer muss dann notgedrungen – auch oft wegen bestehender Ausschlussfristen – einen Überstundenprozess vor dem Arbeitsgericht führen.

Lohnklage ist nicht vergleichbar

Was viele Arbeitnehmer nicht wissen ist, dass diese Prozesse auf Zahlung von Überstunden recht schwierig zu führen und zu gewinnen sind. Während man den „normalen“ Arbeitslohn recht einfach vor dem Arbeitsgericht einklagen kann und dazu auch nicht allzu viel vor dem Gericht dazu vorzutragen hat, ist dies im Überstundenprozess anders. Der Arbeitnehmer muss hier bestimmte Umstände vortragen und notfalls auch beweisen. Dies macht den Prozess schwierig und den Ausgang des Prozesses von daher auch schwer vorhersagbar.

Entscheidung des Bundesarbeitsgericht

Das Bundesarbeitsgericht (BAG, Urteil vom 4. Mai 2022 – 5 AZR 359/21 ) hat sich nun nochmals mit der Frage der Darlegungs- und Beweislast im Überstundenprozess beschäftigt. Der Hintergrund ist der, dass es eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes gibt, wonach der deutsche Gesetzgeber verpflichtet ist, dafür zu sorgen, dass Arbeitgeber verpflichtet sind, um zu verhindern dass das Arbeitszeitgesetz bzw. die Richtlinie zur Arbeitszeit umgangen werden, die Arbeitszeiten ihrer Arbeitnehmer zu erfassen. Eine entsprechende gesetzliche Regelung gibt es aber in der Bundesrepublik Deutschland noch nicht.

Urteil des BAG

Das Bundesarbeitsgericht hat hier seine alte Rechtsprechung im Wesentlichen bestätigt und nochmals genau festgesetzt, was der Arbeitnehmer im Überstundenprozess genau vorzutragen und beweisen hat.

In der Pressemitteilung des BAG vom 04.05.2022 zur Nr. 16/22 führt das Bundesarbeitsgericht Folgendes aus:

Der Arbeitnehmer hat zur Begründung einer Klage auf Vergütung geleisteter Überstunden – kurz zusammengefasst – erstens darzulegen, dass er Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden Umfang geleistet oder sich auf Weisung des Arbeitgebers hierzu bereitgehalten hat. Da der Arbeitgeber Vergütung nur für von ihm veranlasste Überstunden zahlen muss, hat der Arbeitnehmer zweitens vorzutragen, dass der Arbeitgeber die geleisteten Überstunden ausdrücklich oder konkludent angeordnet, geduldet oder nachträglich gebilligt hat. Diese vom Bundesarbeitsgericht entwickelten Grundsätze zur Verteilung der Darlegungs- und Beweislast für die Leistung von Überstunden durch den Arbeitnehmer und deren Veranlassung durch den Arbeitgeber werden durch die auf Unionsrecht beruhende Pflicht zur Einführung eines Systems zur Messung der vom Arbeitnehmer geleisteten täglichen Arbeitszeit nicht verändert.

BAG, Urteil vom 4. Mai 2022 – 5 AZR 359/21

Anmerkung:

Der Arbeitnehmer muss danach darlegen und notfalls beweisen:

  1. Wann und welchem Umfang er Überstunden geleistet hat.
  2. Der Arbeitgeber muss die Überstunden angeordnet, geduldet oder nachträglich gebilligt haben.

Überstunden sind dabei die Stunden, welche die regelmäßige Arbeitszeit übersteigen.

Beispiel:

Im Arbeitsvertrag beträgt die regelmäßige Arbeitszeit 40 h pro Woche. Hier wäre die 41 Stunde, die erste Überstunden. Dabei ist unerheblich, wie sich die Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage verteilt!


Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht

Darf man Kurzarbeit für die Vergangenheit anordnen?

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Kurzarbeit für die Vergangenheit anordnen- darf man das?
Kurzarbeit

In vielen Firmen wird mittlerweile – aufgrund von Corona- in Kurzarbeit gearbeitet. Gerade bei der Anordnung der Kurzarbeit sind aber in der Vergangenheit viele Fehler von den Arbeitgebern gemacht worden. Diese waren oft in der Situation überfordert und haben sich vor der Anordnung der Kurzarbeit nicht anwaltlich beraten lassen, sondern hierfür Muster aus dem Internet verwendet.

Was ist Kurzarbeit?

Kurzarbeit ist zunächst nichts weiter als die Absenkung der regelmäßigen Arbeitszeit des Arbeitnehmers. Die regelmäßige Arbeitszeit kann dabei bis auf Null (sog. Kurzarbeit Null) abgesenkt werden.

Achtung:

Jede Änderung des Arbeitsvertrag bedarf in der Regel der Zustimmung des Arbeitnehmers.

Einseitige Anordnung der Kurzarbeit möglich?

Der Arbeitgeber kann in der Regel nicht einseitig Kurzarbeit anordnen. Eine solche Anordnung ist unzulässig. Das Direktionsrecht des Arbeitgebers nach § 106 GewO berechtigt zwar, die arbeitsvertraglich geschuldete Leistungspflicht des Arbeitnehmers durch einseitige Anordnungen näher zu definieren bzw. auszugestalten, aber nicht zu einer Änderung des bestehenden Arbeitsvertrags und damit auch nicht zu einer vorübergehenden Verkürzung der Arbeitszeit. Die Kurzarbeit ist letztendlich eine Änderung der regelmäßigen Arbeitszeit, nämlich dessen vorübergehende Verkürzung (bis auf 0).

Kurzarbeit, wie wirksam anordnen?

Die Einführung von Kurzarbeit im Betrieb ist möglich durch

  • einer einzelvertraglichen Regelung mit dem einzelnen Arbeitnehmer oder
  • durch eine Betriebsvereinbarung oder
  • durch einem Tarifvertrag oder
  • nach § 19 KSchG mit Zustimmung der Arbeitsagentur

Einseitig – ohne Zustimmung des Arbeitnehmers, Betriebsrat, Tarifvertragspartei – kann der Arbeitgeber keine Kurzarbeit anordnen.

Vereinbarung über Kurzarbeit

Wie oben bereits ausgeführt wurde, muss der Arbeitgeber (falls es keine andere wirksame Kurzarbeitsregelung gibt) mit jedem Arbeitnehmer eine Vereinbarung über die Kurzarbeit treffen.

Eine solche Kurzarbeitsvereinbarung sollte in der Regel folgende Punkte enthalten:

  • den Umfang der Kurzarbeit,
  • den Beginn und
  • das voraussichtliche Ende der Kurzarbeit

Zu beachten ist dabei, dass das Ende der Kurzarbeit dabei auf einen Zeitpunkt gelegt werden sollte, der innerhalb der maximal geltenden Bezugsdauer für das Kurzarbeitergeld von grundsätzlich 12 Monaten liegt, (vgl. § 104 Absatz 1 Satz 1 SGB III).

Vereinbarung der Kurzarbeit für die Vergangenheit?

Eine solche Vereinbarung über die Einführung von Kurzarbeit ist unter bestimmten Voraussetzungen möglich und rechtlich zulässig. Denn nach der Weisung der Bundesagentur für Arbeit vom 30.03.2020 ist es grundsätzlich zulässig, Kurzarbeit bei Vorliegen eines Arbeitsausfalls auch für die Vergangenheit zu vereinbaren.

Dies gilt nur dann nicht, wenn das Arbeitsentgelt bereits abgerechnet und ausbezahlt worden ist.

Änderungskündigung

Stimmt der Arbeitnehmer der Einführung der Kurzarbeit nicht zu, dann bleibt dem Arbeitgeber oft nur die Möglichkeit der sog. Änderungskündigung, um so eine vorübergehende Herabsetzung der Arbeitszeit zu erreichen.

betriebsbedingte Kündigung und Kurzarbeit

Die angeordnete Kurzarbeit beruht meist auf betriebsbedingten Gründen. Die Kurzarbeit soll betriebsbedingte Kündigungen vermeiden.

Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht – Berlin

Darf der Arbeitgeber einfach so Kurzarbeit im Betrieb anordnen?

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Anordnung von Kurzarbeit durch den Arbeitgeber
Kurzarbeit

Antwort: Nein, dass darf er nicht; auch nicht in der Corona-Krise.

Kurzarbeit muss vereinbart werden

Die Kurzarbeit ist eine Änderung des Arbeitsvertrags. Die regelmäßige Arbeitszeit des Arbeitnehmers wird hier (unter Umständen bis auf 0) herabgesetzt und sein Lohnanspruch damit verringert.

Kurz formuliert: Wegen der arbeitsvertraglichen Pflicht des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer im vereinbarten Umfang zu beschäftigen und zu vergüten, bedarf die Einführung von Kurzarbeit entweder einer entsprechenden Vereinbarung zwischen den Arbeitsvertragsparteien oder einer besonderen kollektivrechtlichen Grundlage.

Im Normalfall bedarf nämlich jede Änderung des Arbeitsvertrages der Zustimmung des Arbeitnehmers. Der Arbeitgeber darf hier auch nicht dem Arbeitnehmer zur Zustimmung mit unlauteren Mitteln drängen und ggfs. sogar mit der betriebsbedingten Kündigung (Kündigung in Corona-Krise) drohen.

1. Kurzarbeit und Direktionsrecht


Eine Anordnung der Kurzarbeit im Wege des Direktionsrecht (also ohne Vereinbarung mit Arbeitnehmer) durch den Arbeitgeber ist nicht zulässig (BAG,Urteil vom 16.12.2008 – 9 AZR 164/08). Der Arbeitgeber kann die Kurzarbeit also nicht einfach anordnen.

2. Zustimmung im Arbeitsvertrag


Möglich ist aber, dass der Arbeitnehmer im Arbeitsvertrag einer Anordnung von Kurzarbeit durch den Arbeitgeber bereits zugestimmt hat. Manchmal finden sich in Arbeitsverträgen entsprechende Kurzarbeitsklauseln. Diese müssen aber wirksam sein, insbesondere transparent. Auch muss bei einer entsprechenden Klausel im Arbeitsvertrag eine Ankündigungsfrist für die Kurzarbeit vereinbart sein (Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg – Urteil vom 07.10.2010 – 2 Sa 1230/10).

3. Tarifvertrag und Kurzarbeit


Die Kurzarbeit kann auch durch Tarifvertrag oder aufgrund tariflicher Ermächtigungsnorm eingeführt werden. Dies kommt aber recht selten vor. In den meisten Fällen ist der Arbeitgeber auf die Zustimmung des Arbeitnehmers angewiesen.

4. Betriebsvereinbarung und Kurzarbeit


Die Kurzarbeit kann auch – sofern ein Betriebsrat im Betrieb vorhanden ist – mittels Betriebsvereinbarung angeordnet werden. Denn vorübergehenden Einführung von Kurzarbeit bedarf der Arbeitgeber grundsätzlich der Zustimmung des Betriebsrats. Bei Ablehnung kann der Arbeitgeber die Einigungsstelle anrufen (§ 87 II BetrVG).

5. Ermächtigung durch die Bundesagentur für Arbeit


Ein nicht so oft vorkommender Fall in der Praxis ist die Anordnung von Kurzarbeit durch die Bundesagentur für Arbeit.
Ordnet die Agentur für Arbeit im Fall von Massenentlassungen nach § 18 KSchG eine vorübergehende Entlassungssperre an, kann diese als Ausgleich bestimmen, dass der Arbeitgeber bis zum Ablauf der Sperrfrist Kurzarbeit einführt (§ 19 I KSchG).

6. Änderungskündigung

Stimmt der Arbeitnehmer nicht zu, dann bleibt dem Arbeitgeber nur die Möglichkeit eine sog. Änderungskündigung auszusprechen. Dies ist aber auch nicht einfach. Die Anforderungen der Rechtsprechung an die Änderungskündigung sind recht hoch.

Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht

Muss man zum Gütetermin (Güteverhandlung) beim Arbeitsgericht selbst erscheinen?

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Wer selbst vor dem Arbeitsgericht klagt, der stellt sich nicht die Frage, ob er dort auch zum Gütetermin erscheinen muss, da klar ist, dass ein persönliches Erscheinen (Ausnahme: Vertreter) erforderlich ist. Wird man aber anwaltlich vertreten, ist schon nachvollziehbar,  dass sich viele Arbeitnehmer fragen, ob sie nun noch – neben dem Anwalt – zum Gütetermin erscheinen müssen.

das persönliche Erscheinen vor dem Arbeitsgericht

Grundsätzlich ist es so, dass der Arbeitnehmer – neben dem eigenen Rechtsanwalt – vor dem Arbeitsgericht – egal, ob Güte- oder Kammertermin – immer erscheinen muss, wenn sein persönliches Erscheinen vom Arbeitsgericht angeordnet wurde. In diesem Fall erhält der Arbeitnehmer auch eine eigene Ladung vom Arbeitsgericht, in der das persönliche Erscheinen angeordnet wurde.

Ein Nichterscheinen – trotz der Anordnung des persönlichen Erscheines – kann teuer werden. Das Arbeitsgericht kann hier ein Ordnungsgeld festsetzen. In der Praxis geschieht dies aber sehr selten, da die Partei, die zum Termin nicht erscheint, meist anwaltlich vertreten ist. Dies ist ändert zwar nichts an der Verpflichtung selbst zu erscheinen, wenn diese vom Gericht festgelegt wurde, die Gerichte scheuen aber die Festsetzung eines Ordnugungsgeldes.

Ausnahmen vom persönlichen Erscheinen?

Kann der Arbeitnehmer den Termin nicht wahrnehmen, da er z.B. im Urlaub ist oder erkrankt ist, kann ein Antrag auf Entbindung vom persönlichen Erscheinen stellen. Den Antrag stellt dann meist der beauftragte Rechtsanwalt. Die Krankheit allein ist meist kein Entbindungsgrund, da der Arbeitnehmer verhandlungsunfähig krank sein muss. Das Arbeitsgericht entscheidet dann darüber.

Entsendung eines Vertreters

Wird nicht vom Arbeitsgericht entbunden ,besteht die Möglichkeit einen Vertreter nach § 141 III ZPO zu entsenden, der zur Sachverhaltsaufklärung in der Lage und zum Vergleichsabschluss berechtigt ist.

Die Behauptung allein nützt meist wenig, da in der Regel die spezielle Vollmacht im Original vorzulegen ist.

Von daher tut der Rechtsanwalt – denn dieser ist dann meist der Vertreter – eine entsprechende Vollmacht mitbringt und dem Gericht vorlegt. Man sollte diesbezüglich aber nicht leichtfertig vorgehen, da es schon – gerade, wenn es um Vergleichsverhandlungen geht- es vom Vorteil sein kann, wenn der Arbeitnehmer vor Ort ist, denn dieser kennt den Sachverhalt am besten und kann ggfs. Vorwürfe sofort entkräften, was sich positiv auf die Vergleichsgespräche auswirken kann.

In der Praxis sind die Arbeitsgericht hier aber meist großzügig, denn diesen hoffen natürlich auf einen positiven Abschluss des Verfahrens durch Vergleich.

Rechtsanwalt A. Martin – Anwalt Marzahn

Anordnung des persönlichen Erscheinens vor dem Arbeitsgericht Berlin (Gütetermin)

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Erhebt der Arbeitnehmer Klage –  z.B. Lohnklage oder Kündigungsschutzklage – vor dem Arbeitsgericht Berlin oder vor einem anderen Arbeitsgericht in Deutschland, dann ordnet das Arbeitsgericht häufig das persönliche Erscheinen des Arbeitnehmers und auch des Arbeitgebers zur Güteverhandlung an. Dies geschieht meist zur Aufklärung des Sachverhalts und vor allem um eine Einigung (ohne Widerruf) vor dem Arbeitsgericht zu erreichen. Wird das persönliches Erscheinen angeordnet, erhält der Arbeitnehmer/Arbeitgeber eine eigenständige Ladung zum Termin (neben der Ladung, die dem Rechtsanwalt zugeht).

persönliches Erscheinen

Diese Anordnung sollte nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Arbeitgeber haben häufig Probleme mit der Anordnung, da diese „keine Zeit“ haben den Termin wahrzunehmen. Außerdem wird häufig argumentiert, dass ja ein Anwalt beauftragt ist, der in Sache tätig werden kann, weshalb sollte man denn dann noch selbst zum Gütetermin vor dem Arbeitsgericht Berlin gehen?

Vorsicht – Ordnungsgeld

Letztendlich kann ja jeder seine Meinung zu dieser Anordnung haben, was aber nicht daran ändert, dass eine Verpflichtung beseht. Erscheint die Partei nicht kann das Gericht sogar ein Ordnungsgeld wegen des Nichterscheinens festsetzen. Darüber hinaus kann das Gericht den Prozessbevollmächtigten – neben der Anordnung des Ordnungsgeldes – ausschließen (§ 51 Abs. 1  und Abs.2 ArbGG). Dann besteht die Gefahr, dass gegen die nicht vertretene Partei ein Versäumnisurteil ergeht.

Entsendung eines Vertreters

Die Partei, die persönlich erscheinen muss, kann einen Vertreter entsenden, der zur Sachverhaltsaufklärung  und auch zum Vergleichsschluss in der Lage ist. Häufig meinen die Mandanten, dass dieser Vertreter doch der Anwalt sein könne. Dies ist aber problematisch, da der Vertreter aus eigener Kenntnis Informationen zum Sachverhalt haben muss, was in der Regel nicht der Fall ist. In der Praxis wir dies gleichwohl häufig so gemacht – auch ohne eine besondere Vollmacht vorzulegen. Damit begeben sich der Prozessbevollmächtigte und auch die Partei auf dünnes Eis. Schlimmes wird es dann noch, wenn der Prozessbevollmächtigte (Anwalt), dann noch nicht einmal einen Vergleich ohne Widerruf schließen kann. Dann ist klar, dass er kein Vertreter sein kann.

 

Arbeitsrecht Berlin – Anwalt Martin-

Muss mein Arbeitgeber meine Überstunden zahlen?

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Muss mein Arbeitgeber meine Überstunden zahlen?

Das Problem der nicht vergüteten Überstunden findet sich häufig, nicht nur im Raum Berlin. Zunächst sind allerdings einige Vorfragen zu klären.

Was sind Überstunden?

Überstunden sind die Arbeitsstunden, die über die Arbeitszeit hinausgehen, welche für das jeweilige Arbeitsverhältnis durch Arbeitsvertrag, Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung festgelegt worden sind (BAG 9 AZR 566/96). Faktisch ergibt sich daher zu 90 % die regelmäßige Arbeitszeit aus dem Arbeitsvertrag.

Ist jede Überstunde vom Arbeitgeber zu vergüten?

Nein, grundsätzlich gilt, dass Überstunden nur dann vom Arbeitgeber zu vergüten sind, wenn diese von diesem angeordnet wurden. Daneben kann noch in Einzelfällen bei Notwendigkeit der Überstunden oder Duldung durch den Arbeitgeber ein Anspruch bestehen. Nun fragt sich der Arbeitnehmer, weshalb dies so kompliziert ist; eine Überstunde muss der Arbeitgeber doch bezahlen, egal, ob er diese angeordent hat oder nicht.

Diese Denkweise ist falsch. Es gibt keine Rechtsgrundsatz wonach eine Mehrarbeit/ Überstunden vom Arbeitgeber zu zahlen sind. Die Rechtsprechung geht davon aus, dass der Arbeitnehmer auch die Mehrarbeit durch nachlässige Arbeitsweise provozieren kann und damit unrechtmäßig sein Gehalt erhöht. Von daher wird immer darauf abgestellt, dass der Arbeitgebert die Überstunden auch angeordnet hat. Diese Anordnung kann auch stillschweigend (also ohne konkreten Hinweis) erfolgen, wenn sich aus den Umständen ergibt, dass der Arbeitgeber mit einer Überschreitung der Arbeitszeit einverstanden ist („der Auftrag muss bis Ende der Woche erledigt sein!“).

Was muss nun der Arbeitnehmer vor Gericht vortragen und beweisen?

Der Arbeitnehmer muss vortragen und notfalls Folgendes beweisen:

  • regemäßige tägliche Arbeitszeit nebst Pausen
  • tatsächliche Arbeitsleistung (genau aufgeschlüsselt)
  • Pausen
  • Anordnung der Überstunden durch den Arbeitgeber

Ist der Arbeitnehmer verpflichtet Überstunden zu leisten?

Ja, wenn sich aus dem Arbeitsvertrag, Tarifvertrag oder aus einer Betriebsvereinbarung eine solche Verpflichtung zur Ableistung von Überstunden ergibt.

Auch wenn dies nicht vereinbart ist, ist in Ausnahmefällen eine solche Verpflichtung anerkannt (aus Treu und Glauben, z.B. Existenz der Firma ist gefährdet).

Kann der Arbeitgeber die Vergütung der Überstunden ausschließen oder mit einer Pauschale abgelten?

Ein Ausschluss ist in engen Grenzen möglich. Ein kompletter Ausschluss der Vergütung von Überstunden – egal wie viele – ist als Verstoß gegen § 307 BGB (AGB-Kontrolle) unwirksam.

Die Rechtsprechung lässt aber einen Ausschluss in Höhe von 10 % über die vereinbarte regelmäßige Arbeitszeit noch zu.

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