allgemeine Persönlichkeitsrecht
Darf der Arbeitgeber den Arbeitnehmer bei bestehender Arbeitsunfähigkeit zu Beweiszwecken fotografieren?
Der Fall des angeblich arbeitsunfähigen Arbeitnehmers (wegen Bandscheibenvorfall), der seine 63 kg schwere Frau aus Anlass seiner Hochzeit anhob, das Bild auf Facebook postete und dann vom Arbeitgeber außerordentlich gekündigt wurde (AG Krefeld Az. 3 Ca 1384/13) ist durch die deutsche Presse gegangen.
Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung und Beweiswert
Immer wieder wird von Arbeitgebern – und nicht immer zu Unrecht – angezweifelt, dass der Arbeitnehmer tatsächlich erkrankt ist. Das bloße Anzweifeln der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bringt aber wenig. Etwas professioneller ist die Einschaltung des MDK, wobei auch dies selten zum Erfolg führt. Wer als Arbeitgeber etwas mehr Geld investieren will, beauftragt eine Privatdetektei, die dann den Arbeitnehmer beobachtet und dies dokumentiert und deren Mitarbeiter dann auch ggfs. als Zeugen zur Verfügung stehen.
Vortrag im Verfahren vor dem Arbeitsgericht
Um den Beweiswert einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu erschüttern, z.B. um dann die Lohnfortzahlung verweigern zu können, muss der Arbeitgeber schon Beträchtliches vortragen und – im Bestreitensfall – beweisen. Ein solcher Beweis gelingt natürlich eher, wenn er ein Verhalten des Arbeitnehmers, dass der AU-Bescheinigung widerspricht, z.B. mittels Fotografie dokumentieren kann.
Fotografien als Beweismittel
Dabei stellt sich die Frage, ob der Arbeitgeber einfach so den Arbeitnehmer fotografieren darf und ob solche Fotografien als Beweismittel zulässig sind.
Landesarbeitsgericht RP
Das LAG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 11.7.2013 – 10 SaGa 3713) hatte über einen solchen Fall zu entscheiden. Ein arbeitsunfähig krank geschriebener Arbeitnehmer hatte während seiner Arbeitsunfähigkeit seinen Vater bei der Autowäsche geholfen. Dabei wurde er von einem Vorgesetzten beobachtet, der sodann mit seinem Handy einige Fotos des Arbeitnehmers beim Autowaschen aufnahm. Der Arbeitnehmer griff daraufhin seinen Vorgesetzten an. Der Arbeitgeber kündigte das bestehende Arbeitsverhältnis außerordentlich. Der Arbeitnehmer erhob Kündigungsschutzklage und verlangte darüber hinaus mittels einstweiliger Verfügung vom Arbeitgeber es zu unterlassen, ihn zu filmen, zu fotografieren oder ihm heimlich nachzustellen. Weiter verlangte er die Herausgabe sämtlicher Film- und Fotoaufnahmen.
Das Arbeitsgericht Kaiserslautern wie die Anträge des Arbeitnehmers zurück. Hiergegen richtete der Arbeitnehmer die Berufung zum LAG, welches ebenfalls dem Arbeitgeber Recht gab und ausführte:
1. Dem Verfügungskläger steht der geltend gemachte Untersagungsanspruch gemäß §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog iVm. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG nicht zu.
Mit der Berufung ist davon auszugehen, dass das Anfertigen der Fotos mit der Handykamera an der Autowaschanlage am 16.03.2013 das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers beeinträchtigt hat.
Das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst ua. auch das Recht am eigenen Bild. Es gehört zum Selbstbestimmungsrecht jedes Menschen, darüber zu entscheiden, ob Fotografien oder Filmaufnahmen von ihm gemacht und möglicherweise gegen ihn verwendet werden dürfen. Dabei ist das Recht am eigenen Bild nicht identisch mit dem Schutz der Privatsphäre (BAG 29.06.2004 – 1 ABR 21/03 – Rn. 15 mwN, NZA 2004, 1278; BVerfG 09.10.2002 – 1 BvR 1611/96 – und – 1 BvR 805/98 – NJW 2002, 3619, zu C II 1 b der Gründe). Es ist deshalb nicht auf bestimmte Örtlichkeiten, wie insbesondere die eigene Wohnung, begrenzt. Auch ist es nicht nur – wie durch § 22 KunstUrhG ausdrücklich geregelt – gegen die unzulässige Verbreitung oder öffentliche Zurschaustellung geschützt. Vielmehr unterfällt bereits die Herstellung von Abbildungen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (BAG 26.08.2008 – 1 ABR 16/07 – Rn. 15 mwN., NZA 2008, 1187; BGH 25.04.1995 – VI ZR 272/94 – NJW 1995, 1955, zu III 1 der Gründe).
Das durch Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG gewährleistete, auch im Privatrechtsverkehr und insbesondere im Arbeitsverhältnis zu beachtende allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers ist – auch in seiner Ausprägung als Recht am eigenen Bild – nicht schrankenlos gewährleistet. Eingriffe können durch Wahrnehmung überwiegend schutzwürdiger Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt sein. Bei einer Kollision des allgemeinen Persönlichkeitsrechts mit den Interessen des Arbeitgebers ist durch eine Güterabwägung im Einzelfall zu ermitteln, ob dieses den Vorrang verdient (BAG 21.06.2012 – 2 AZR 153/11 – Rn. 30 mwN, NZA 2012, 1025).
Im vorliegenden Fall traf der Beklagte zu 2) den arbeitsunfähig krankgeschriebenen Kläger am Samstag, dem 19.03.2013, zufällig an einer Autowaschanlage an. Für eine heimliche Überwachung des Klägers bestehen keine Anhaltspunkte. Der Kläger war an der Waschanlage mit Reinigungsarbeiten beschäftigt und machte auf den Beklagten zu 2) einen körperlich gesunden Eindruck. Der Beklagte zu 2) fertigte mit seiner Handykamera Fotos, um seine Beobachtung zu dokumentieren. Aus seiner Sicht bestand der Verdacht, dass der Kläger seine Arbeitsunfähigkeit lediglich vorgetäuscht haben könnte. Da der Beweiswert einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung durch andere Tatsachen mehr oder weniger entwertet werden kann, hatte der Beklagte zu 2) das Interesse die körperlichen Aktivitäten des Klägers an der Waschanlage zu Beweiszwecken zu fotografieren.
Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers durch die Speicherung der Fotos auf der Handykamera ist nicht schwerwiegend. Der Beklagte zu 2) hat die Aktivitäten des Klägers an der öffentlich zugänglichen Autowaschanlage unmittelbar beobachtet, so dass er als Augenzeuge zur Verfügung steht. Die Speicherung der Fotos über seine punktuelle persönliche Beobachtung stellt unter den gegebenen Umständen keinen unverhältnismäßigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers dar. Es bestand aus Sicht des Vorgesetzten der konkrete Verdacht, dass der Kläger seine Arbeitsunfähigkeit vorgetäuscht und damit einen Entgeltfortzahlungsbetrug begangen haben könnte.
Das LAG hielt hier also das Fotografieren zu Beweiszwecken – nach einer Interessenabwägung – für zulässig. Man darf daraus nicht den Schluss ziehen, dass ein Fotografieren immer zulässig ist; es kommt – wie immer – auf den Einzelfall an. Auch besagt eine körperliche Arbeit eines krank geschriebenen Arbeitnehmers nicht zwangsläufig, dass dieser einen Entgeltfortzahlungsbetrug begangen hat. Auch hier kommt es auf den Einzelfall (insbesondere auch die zur Krankschreibung führende ärztliche Diagnose) an.
RA A. Martin
Was ist Mobbing? Brauche ich einen Anwalt?
Was ist Mobbing? Brauche ich einen Anwalt?
Unter dem Begriff Mobbing kann man sich schon etwas vorstellen, wenn man aber danach fragt „Mobbing“ zu beschreiben, dann wird´s meistens nichts. Eventuell kann ja das Bundesarbeitsgericht weiterhelfen, die befassen sich ja berufsmäßig mit den Erstellen aller erdenklichen Definitionen, so auch hier.
Nach dem BAG ist Mobbing Folgendes:
Mobbing ist ein“ systematisches Anfeinden, Schikanieren und die Diskriminieren von Arbeitnehmern untereinander oder duch Vorgesetzte“ (BAG Enscheidung vom 15.01.1997 – 7 ABR 14/96 NZA 1997,781).
Zugegeben etwas schwammig, aber wir haben noch die einzelnen Arbeitsgerichte, die sich ebenfalls an der Definition des Mobbings versucht haben.
Nach den meisten Landesarbeitsgerichten ist Mobbing folgendes:
Mobbing ist die“ fortgesetzten aufeinander aufbauenden und ineinander übergreifenden, der Anfeindung, Schikane oder Diskrminierung dienenden Verhaltensweisen, die nach ihrer Art und ihrem Ablauf im Regelfall eine übergeordneten, von der Rechtsprechung nicht gedeckte Zielsetzung förderlich sind und in ihrer Gesamtheit das allgemeine Persönlichkeitsrecht, die Ehre oder die Gesundheit des Betroffenen verletzen.“ (Zitat aus ZAP Formularbuch Arbeitsrecht, Meixner, Seite 313 mit weiteren Hinweisen zur Rechtsprechung).
Nun gut, da ist die Definition des BAG durch etwas handlicher.
Ansatzweise definiert auch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz in § 3 Abs. 3 ein Verhalten, dass als Mobbing bezeichnet werden kann (ohne den Begriff „Mobbing“ zu verwenden).
Eine Belästigung ist eine Benachteiligung, wenn unerwünschte Verhaltensweisen, die mit einem in § 1genannten Grund in Zusammenhang stehen, bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.
Welche Verhaltensweisen sind konkret Mobbing?
In Betracht kommen hiebei Tätlichkeiten, Ehrverletzungen, Demütigungen, Isolierung, auch unsinnige und schikanöse Arbeitsanweisungen vom Arbeitgeber, unbegründete Ungleichbehandlungen, Ausschluss des Arbeitnehmers von Informationen und Kommunikation.
Welche Rechte hat das Mobbing-Opfer?
Zunächst soll klargestellt werden, dass das soziale Phänomen des Mobbings nicht als eigenständige Anspruchsgrundlage vom Gesetzgeber geregelt wurde. Selbstverständlich haben aber die gemobbten Arbeitnehmer Ansprüche, die sich mittels allgemeiner Vorschriften durchsetzen lassen (z.B. §§ § 280 Abs. 1 BGB und § 823 Abs. 1 und 2 BGB).
Welche Ansprüche bestehen beim Mobbing?
Der Arbeitnehmer kann Abwehr- Schadenersatz- und/oder Schmerzensgeldanspräche haben. Diese Ansprüche können sowohl gegenüber dem Arbeitgeber als auch gegenüber Arbeitskollegen bestehen. Darüber hinaus kann ein außerordentliches und fristloses Kündigungsrecht des Mobbingopfers bestehen. Auch kann ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Widerruf ehrverletzender Behauptungen und auf zukünftige Unterlassung haben. Weiter kann ein Zurückbehaltungsrecht in Bezug auf die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers bestehen.
Welche Verpflichtung trifft den Arbeitgeber in Mobbingfällen?
Den Arbeitgeber trifft eine Fürsorgepflicht gemäß § 241 Abs. 2 BGB. Er ist verpflichtet das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers aus gegen Eingriffe durch Belästigungen Dritter, insbesondere anderer Arbeitnehmer zu schützen. Natürlich darf auch der Arbeitgeber nicht selbst das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers verletzen. Der Arbeitgeber muss seinen Betrieb so organisieren, dass ein Mobbing von Arbeitnehmern ausgeschlossen ist.
Was macht die Durchsetzung der obigen Ansprüche des Mobbingopfers so schwer?
Das Problem ist die Beweislast, die liegt nämlich beim Arbeitnehmer. Eine Beweislastumkehr oder Beweiserleichterungen greifen grundsätzlich nicht. Der Arbeitnehmer muss das Mobbing und auch den Schaden und die Kausalität des Mobbings für den Schaden nachweisen. Der Schaden ist hier z.B. die Gesundheitsverletzung des Arbeitnehmers (z.B. bei Klage auf Schmerzensgeld).
Der Arbeitnehmer kann aber (dies ist aber keine Besonderheit des Mobbing-Prozesses) als Partei angehört oder vernommen werden. Dies sind keine Beweiserleichterungen, sondern die „normalen“ Mittel des Zivil- und Arbeitsgerichtsprozesses, die hier aber eine besondere Bedeutung haben. Faktisch heisst dies, dass Gericht hört hier verstärkt den klagenden Arbeitnehmer an und kann dann entscheiden, ob die Behauptungen glaubhaft sind ober nicht. In Bezuga auf die Ursächlichkeit von Mobbing und Schaden (z.B. Gesundheitsbeeinträchtigung) kann ein Indiz für einen Zusammenhang angenommen werden, wenn ein enger zeitlicher Zusammenhang besteht.
Im übrigen reicht es auf keinen Fall ist, wenn der Arbeitnehmer im Prozess vor dem Arbeitsgericht vorträgt, dass er „gemobbt“ wurde. Es müssen immer ganz konkret die einzelnen Umstände und Verhaltensweisen dargelegt werden.
Aufgrund der obigen Problematik sind Probleme im Verfahren vor dem Arbeitsgericht schon vorprogrammiert, wenn sich der Arbeitnehmer hier selbst vertritt. Von daher kann eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt nur nahegelegt werden.
