Erkrankung
Erkrankung des Arbeitnehmers während des Urlaubs?
Nicht selten kommt der Fall vor, dass der Arbeitnehmer während des Urlaubs erkrankt. Die Frage ist dann, ob der Urlaub dadurch verfällt oder ob der Arbeitnehmer für die Tage der Erkrankung einen Urlaubsanspruch behält.
Entscheidung des EuGH zur Erkrankung während des Urlaubs
Diesbezüglich hat der EuGH (Urteil vom 10.09.2009, Az. C277/08 entschieden, dass nach Artikel 7 der Arbeitszeitrichtlinie ein Arbeitnehmer, der während eines voraus festgelegten Urlaubs arbeitsunfähig erkrankt, berechtigt ist, den Urlaub nach Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit zu einem anderen als den ursprünglich festgesetzten Zeitpunkt in Anspruch zu nehmen. Dies soll sogar gelten nach Ablauf des Urlaubsjahres.
Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung muss vorliegen
Voraussetzung ist, dass eine Arbeitsunfähigkeit während des Urlaubs vorliegt, die der Arbeitnehmer letztendlich auch durch eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (sog. Krankenschein) nachweisen muss. Es reicht nicht aus, wenn der Arbeitnehmer einfach nur zum Arzt geht und sich dies nicht bescheinigen lässt. Diese Bescheinigung muss dem Arbeitgeber im Original vorgelegt werden.
auch ausländische Arzt kann ausstellen
Eine solche Bescheinigung kann auch von einem ausländischen Arzt ausgestellt sein.
kein Urlaub während Erkrankung
Nach alledem kann der Arbeitnehmer also seinen Urlaub zu einem späteren Zeitpunkt in Bezug auf die Tage, an denen er arbeitsunfähig erkrankt war, nachholen. Der Arbeitnehmer kann nicht gegen seinen Willen verpflichtet werden Urlaub während seiner Erkrankung in Anspruch zu nehmen.
Rechtsanwalt Andreas Martin
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Kanzlei Marzahn
EuGH und Urlaub – Fall „Dominguez“ – Entscheidung vom 24.01.2012
Die Entscheidung des EuGH zum „Urlaubsfall – Dominguez“ ging am 24.01.2012 durch die Presse als „Grundsatzentscheidung zum Verfall von Urlaub bei Erkrankung“, obwohl der EuGH dies schon früher (EuGH- Entscheidung vom 20.1.2009, C 350/06 – Schultz -Hoff) grundsätzlich entschieden hatte. Bei der hier vorliegenden Entscheidung ging es vor allem darum, ob ein Urlaubsanspruch durch nationales Recht abhängig gemacht werden kann von einer „Mindestbeschäftigungszeit“ pro Jahr, wie hier nach dem französischen Recht, also um die Frage der Entstehung des Urlaubsanspruches z.B. bei Erkrankung des Arbeitnehmers.
der Fall- Dominguez
Frau Dominguez erlitt im Dezember 2005 auf dem Weg von ihrer Wohnung zu ihrem Arbeitsort einen Unfall. Aufgrund dessen war sie vom 3. November 2005 bis 7. Januar 2007 krankgeschrieben. Sie wandte sich an die französischen Gerichte, um für diesen Zeitraum 22,5 Urlaubstage zu erhalten, die ihr Arbeitgeber, das Centre informatique du Centre Ouest Atlantique (CICOA) ihr verwehrt hatte; hilfsweise beantragte sie die Zahlung einer Urlaubsabgeltung von etwa 1 970 Euro. Frau Dominguez macht geltend, dass der Wegeunfall ein Arbeitsunfall gewesen sei, der der Regelung für Arbeitsunfälle unterliege. Der Zeitraum der durch den Wegeunfall bedingten Arbeitsunterbrechung müsse für die Berechnung ihres bezahlten Urlaubs tatsächlicher Arbeitszeit gleichgesetzt werden. Da dem Begehren von Frau Dominguez nicht stattgegeben wurde, erhob sie Kassationsbeschwerde.
Die Cour de cassation (Frankreich) hat dem Gerichtshof die Frage vorgelegt, ob die französische Regelung, nach der ein Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nur entsteht, wenn der Arbeitnehmer mindestens zehn Tage (oder einen Monat vor Februar 2008) beim selben Arbeitgeber im Bezugszeitraum (grundsätzlich ein Jahr) gearbeitet hat, mit der Richtlinie vereinbar ist. Die französische Regelung erkennt Fehlzeiten infolge eines Arbeitsunfalls als effektive Arbeitszeiten an, ohne in diesem Zusammenhang den Wegeunfall zu erwähnen.
die Entscheidung des EuGH
Im Urteil vom heutigen Tage antwortet der Gerichtshof erstens, dass die Richtlinie dahin auszulegen ist, dass sie einer nationalen Bestimmung entgegensteht, nach der der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub von einer effektiven Mindestarbeitszeit von zehn Tagen (oder einem Monat) während des Bezugszeitraums abhängt.
……..
Zweitens hat der Gerichtshof ausgeführt, dass die nationalen Gerichte bei der Anwendung des nationalen Rechts dieses soweit wie möglich anhand des Wortlautes und des Zwecks der Richtlinie auslegen müssen. Um die volle Wirksamkeit der Richtlinie zu gewährleisten, wird das nationale Gericht zu prüfen haben, ob es das innerstaatliche Recht in einer Weise auslegen kann, die es erlaubt, die Fehlzeiten des Arbeitnehmers aufgrund eines Wegeunfalls Fehlzeiten aufgrund eines Arbeitsunfalls gleichzustellen. Nach der Richtlinie darf das Recht eines Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub nicht beeinträchtigt werden, gleich, ob er während des Bezugszeitraums infolge eines Unfalls am Arbeitsplatz oder anderswo oder aber infolge einer Krankheit, welcher Art oder welchen Ursprungs auch immer, krankgeschrieben ist.
Rechtsanwalt A. Martin
Kind krank im Urlaub – verfällt der Urlaubsanspruch oder ist er nachzugewähren?
Wird der Arbeitnehmer während des Urlaubs krank, dann ist ihm in der Regel der Urlaub nachzugewähren.
§ 9 Bundesurlaubsgesetz
In § 9 Bundesurlaubsgesetz ist nämlich Folgendes geregelt:
„Erkrankt ein Arbeitnehmer während des Urlaubs, so werden die durch ärztliches Zeugnis nachgewiesenen Tage der Arbeitsunfähigkeit auf den Jahresurlaub nicht angerechnet.“
Faktisch heißt dies, dass der Arbeitnehmer die Tage, in denen er während des Urlaubs nachgewiesen krank war, später noch als Urlaub gewährt bekommen muss.
Beispiel: Der Arbeitnehmer A nimmt beim Arbeitgeber B 5 Tage Urlaub. Dies ist sein letzter Urlaub für das Jahr 2016. Während des Urlaubs erkrankt er 3 Tage, was er auch ordnungsgemäß dem B durch die Übersendung eienr AU-Bescheinigung nachweisst.
Ergebnis: Der A hat noch einen Resturlaubsanspruch in Höhe von 3 Tagen.
Krankheit des Kindes während des Urlaubs?
Die Frage stellt sich nun, ob dies auch gilt, wenn nicht der Arbeitnehmer erkrankt, sondern dessen Kind. Eine Gleichbehandlung erscheint hier zweckmäßig, denn schließlich hat der Gesetzgeber ja auch das sog. „Kinderkrankengeld“ in § 45 SGB V geregelt.
Kinderkrankengeld
Dort heißt es:
„Versicherte haben Anspruch auf Krankengeld, wenn es nach ärztlichem Zeugnis erforderlich ist, daß sie zur Beaufsichtigung, Betreuung oder Pflege ihres erkrankten und versicherten Kindes der Arbeit fernbleiben, eine andere in ihrem Haushalt lebende Person das Kind nicht beaufsichtigen, betreuen oder pflegen kann und das Kind das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder behindert und auf Hilfe angewiesen ist. § 10 Abs. 4 und § 44 Absatz 2 gelten.
(2) Anspruch auf Krankengeld nach Absatz 1 besteht in jedem Kalenderjahr für jedes Kind längstens für 10 Arbeitstage, für alleinerziehende Versicherte längstens für 20 Arbeitstage. Der Anspruch nach Satz 1 besteht für Versicherte für nicht mehr als 25 Arbeitstage, für alleinerziehende Versicherte für nicht mehr als 50 Arbeitstage je Kalenderjahr.
(3) Versicherte mit Anspruch auf Krankengeld nach Absatz 1 haben für die Dauer dieses Anspruchs gegen ihren Arbeitgeber Anspruch auf unbezahlte Freistellung von der Arbeitsleistung, soweit nicht aus dem gleichen Grund Anspruch auf bezahlte Freistellung besteht.“
Anders bei der Erkrankung des Arbeitnehmers hat dieser keinen Anspruch auf Zahlung gegen den Arbeitgeber, sondern nur auf unbezahlte Freistellung von der Arbeit, während der Arbeitnehmer hier Krankengeld bekommt und keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall.
kein Anspruch auf Nachgewährung bei Pflege eines Kindes
Auch wenn hier zwei ähnliche Fallgestaltungen vorliegen, so steht die arbeitsrechtliche Rechtsprechung doch auf den Standpunkt, dass diese beiden Fälle (einmal Erkrankung des Arbeitnehmers während des Urlaubs und einmal Erkrankung des Kindes) unterschiedlich behandelt werden.
Bei der Erkrankung des Arbeitnehmers während des Urlaubs ist der Urlaub nachzugewähren; dies ergibt sich eindeutig aus § 9 des BUrlG.
Bei der Erkrankung eines Kindes des Arbeitnehmers während des Urlaubs besteht kein Nachgewährungsanspruch des Arbeitnehmers. Dies deshalb, da in § 9 BUrlG eben nur die Rede von der Erkrankung des Arbeitnehmers ist und nicht der Fall, dass ein pflegebedürftiges Kind des Arbeitnehmers während des Urlaubs erkrankt geregelt ist. So sah dies auch zuletzt das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg.
Der Urlaub gilt von daher bei der Erkrankung des Kindes als genommen.
Anwalt A. Martin