Sozialleistungen
LSG Rheinland-Pfalz: Elternzeit nach dem 3. Lebensjahr des Kindes kann zum Ausschluss von Arbeitslosengeld führen
Die Klägerin / Mutter hatte – nach Übertragung der Elternzeit (2 Kinder) auf die Zeit nach Vollendung des 3. Lebensjahres ihrer Kinder – noch ca. 14,5 Monate Elternzeit nach Vollendung des dritten Lebensjahres ihres jüngsten Kindes in Anspruch genommen.
Unmittelbar danach war sie arbeitslos (weil sie ihr Arbeitsverhältnis durch Vergleich aufheben lies). Sie stellte einen Antrag auf auf Arbeitslosengeld. Dieser wurde aber mit der Begründung abgelehnt, dass sie ja während der ca. 14,5 Monate der Elternzeit nicht in der Arbeitslosenversicherung versicherungspflichtig war. Von daher würde die Klägerin – so die Agentur für Arbeit – nicht die für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld notwendige Mindestversicherungszeit erfüllen.
§ 26 SGB III bestimmt u.a.:
(2a) Versicherungspflichtig sind Personen in der Zeit, in der sie ein Kind, das das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, erziehen, wenn sie
1.
unmittelbar vor der Kindererziehung versicherungspflichtig waren oder Anspruch auf eine laufende Entgeltersatzleistung nach diesem Buch hatten und
Die Klägerin/ Mutter wehrte sich gegen die Entscheidung und Erhob Klage. Die vor dem Sozialgericht Mainz erhobene Klage der Klägerin / Mutter hatte aber keinen Erfolg.
Diese Entscheidung des Sozialgerichts Mainz hat das LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 30.8.2016) nun bestätigt.
Das Landessozialgericht führt dazu in seiner Pressemitteilung (18/2016) aus:
Es sei nicht zu beanstanden, dass die nach der Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes in Anspruch genommene Elternzeit keine Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung begründe. Darin liege kein Verstoß gegen europäisches Recht, etwa gegen die „Richtlinie 2010/18/EU des Rates vom 08.03.2010 zur Durchführung der von BUSINESSEUROPE, UEAPME, CEEP und EGB geschlossenen überarbeiteten Rahmenvereinbarung über den Elternurlaub und zur Aufhebung der Richtlinie 96/34/EG“. Der deutsche Gesetzgeber sei mit den nationalen Regelungen deutlich über die europäischen Mindestvorgaben hinausgegangen.
……..
Die nationalen Regelungen schützten Arbeitnehmer auch deshalb hinreichend, weil diese während der Elternzeit einem Kündigungsschutz unterlägen. Die dem am 30.08.2016 entschiedenen Fall zu Grunde liegende Konstellation habe daher nur durch die Mitwirkung der Klägerin – durch Zustimmung zu der Aufhebung ihres Arbeitsverhältnisses in dem arbeitsgerichtlichen Vergleich – eintreten können.
Hätte der Arbeitnehmerin ihr Arbeitsverhältnis nicht durch Vergleich aufgehoben, stünde diese besser dar.
Rechtsanwalt Andreas Martin
Ab dem 1.1.2016 höhere ALG-II-Regelsätze!
Mit dem Beginn des neuen Jahres 2016 erhöhen sich auch die Regelsätze für ALG-II / Hartz IV und für Sozialhilfe.
Die Sätze ändern sich wie folgt:
Regelbedarfstufe I Grundsicherung:
alleinstehende und alleinerziehende Leistungsberechtigte: €404,00
Regelbedarfstufe II:
jeweils für 2 Partner einer Bedarfsgemeinschaft über 18 Jahre: € 364,00
Regelbedarfsstufe III
erwachsene Leistungsberechtigte, die keinen eigenen und keinen gemeinsamen Haushalt mit einem Partner führen): € 324,00
Regelbedarfsstufe IV
Jugendliche von 14 bis unter 18 Jahre: € 306,00
Regelbedarfsstufe V
Kinder von 6 bis unter 14 Jahre: € 270,00
Regelbedarfsstufe VI
Kinder zur Vollendung des 6. Lebensjahres: € 237,00
Bundesverfassungsgericht: Hartz IV – Satz ist derzeit verfassungsgemäß!
Das Bundesverwaltungsgericht (BVerfG- Urteil vom 9.9.2014, 1 BvL 10/12) hat entschieden, dass die derzeitigen Hartz-IV- Sätze verfassungsgemäß sind.
Das Gericht führte dazu aus, dass die Anforderungen des Grundgesetzes, tatsächlich für eine menschenwürdige Existenz Sorge zu tragen, wurden im Ergebnis nicht vom Gesetzgeber verfehlt. Die vom Gesetzgeber festgelegte Höhe der existenzsichernden Leistungen ist – nach Ansicht der Verfassungsrichter – auch tragfähig begründet.
Miteinander verheirateter Eltern und ihr Kind erhielten für Januar 2011 bis Juni 2012 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Dem lag bei den Eltern für 2011 ein monatlicher Regelbedarf von je 328 €, für 2012 von je 337 € und für das minderjährigen Kind (Schüler auf Gymnasium) ein monatlicher Bedarf von 287 € für beide Jahre zugrunde. Der Schüler erhielt im August 2011 daneben Leistungen für den Schulbedarf in Höhe von 70 €. Die Eltern nebst Kind klagten gegen die ALG II- Bescheid vor dem Sozialgericht Oldenburg. Das Ausgangsverfahren zielt unter Berücksichtigung eines höheren Regelbedarfs auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II.
Das Sozialgericht Oldenburg vom 10. Januar 2012 – S 48 AS 1136/11 hatte das Verfahren ausgesetzt und die Sache dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Es gab noch weitere Kläger im Verfahren mit ähnlichen Fällen.
Entscheidend war hier, ob die Regelsätze des ALG II verfassungsgemäß seien oder zu niedrig, um das grundgesetzlich garantierte Existenzminimum zu gewährleisten.
Das Bundesverfassungsgericht hielt die Regelsätze von angemessen und führte dazu aus:
Die Bestimmung der Höhe der Leistungen für den Regelbedarf durch den Gesetzgeber im Rahmen des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch genügt den Anforderungen an eine hinreichend transparente, jeweils aktuell auf der Grundlage verlässlicher Zahlen und schlüssiger Berechnungsverfahren tragfähig zu rechtfertigende Bemessung der Leistungshöhe. Der Gesetzgeber hat die relevanten Bedarfsarten berücksichtigt, die für einzelne Bedarfspositionen aufzuwendenden Kosten mit einer von ihm gewählten, im Grundsatz tauglichen und im Einzelfall mit hinreichender sachlicher Begründung angepassten Methode sachgerecht, also im Wesentlichen vollständig und zutreffend ermittelt und auf dieser Grundlage die Höhe des Gesamtbedarfs bestimmt (vgl. BVerfGE 125, 175 <225>; 132, 134 <165, Rn. 79>; oben C I 2 b). Es ist nicht erkennbar, dass er für die Sicherung einer menschenwürdigen Existenz relevante Bedarfsarten übersehen und die zu ihrer Deckung erforderlichen Leistungen durch gesetzliche Ansprüche nicht gesichert hat (a). Selbst wenn die Leistungshöhe für den Regelbedarf in der Summe einer politischen Zielvorstellung entsprochen haben mag, ist sie verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn sie sich mit Hilfe verlässlicher Daten tragfähig begründen lässt (b). Zur Bestimmung der Höhe der Leistungen für den Regelbedarf hat sich der Gesetzgeber mit dem Statistikmodell auf eine Methode gestützt, die grundsätzlich geeignet ist, die zur Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums notwendigen Leistungen bedarfsgerecht zu bemessen (c). Er stützt sich im Ausgangspunkt mit der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) auch auf geeignete empirische Daten (d). Soweit von der Orientierung an den so ermittelten Daten durch die Herausnahme und durch Kürzungen einzelner Positionen abgewichen wird, bestehen im Rahmen der erforderlichen Gesamtbetrachtung keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken (e). Die damit einhergehenden spezifischen Risiken der Unterdeckung müssen allerdings im Rahmen der nächsten Aktualisierung der Regelbedarfe bewältigt werden (f). Die geltend gemachten verfassungsrechtlichen Einwände gegen den Regelbedarf für Kinder und Jugendliche greifen nicht durch (g).
a) Der Gesetzgeber hat die zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz erforderlichen Leistungen durch gesetzliche Ansprüche gesichert. Es ist nicht zu erkennen, dass er relevante Bedarfsarten übersehen hätte. Die zu überprüfenden Regelungen normieren ein System von Leistungsansprüchen, das – ohne vom Grundgesetz als einzig mögliches vorgegeben zu sein – grundsätzlich keine substantiellen Defizite enthält. Der Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts dient nach der Definition in § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB II dazu, die physische Seite des Existenzminimums zu sichern und dessen soziale Seite abzudecken, denn er umfasst auch die persönlichen Bedürfnisse des täglichen Lebens einschließlich der Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft. Die Vorgaben der § 5 Abs. 1 Nr. 2a und § 10 SGB V, § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2a und § 25 SGB XI tragen der Fürsorgepflicht bei Krankheit und Pflegebedürftigkeit Rechnung. Zudem sind nach § 21 SGB II auch besondere Mehrbedarfe zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz gedeckt und mit § 21 Abs. 6 SGB II liegt eine Regelung vor, die einen Anspruch auf Leistungen für einen unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen besonderen Bedarf vorsieht. Nach § 22 Abs. 1 SGB II werden die angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung übernommen. Mit § 28 SGB II berücksichtigt der Gesetzgeber für Kinder und Jugendliche auch Bedarfe für Bildung und Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft.
b) Der Gesetzgeber verletzt seinen grundgesetzlichen Ausgestaltungsauftrag zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums nicht, weil sich die Leistungshöhe für den Regelbedarf im Ergebnis tragfähig auf der Grundlage verlässlicher Daten rechtfertigen lässt. Der für das Jahr 2011 ermittelte Regelbedarf der Stufe 1 nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 RBEG entspricht zwar mit 364 € exakt dem Betrag, der sich auf der Grundlage des 2008 geltenden Regelsatzes, der um den jeweiligen aktuellen Rentenwert in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 4 RSV in der Fassung bis 31. Dezember 2010 fortgeschrieben worden wäre, ergeben hätte (BTDrucks 16/11065, S. 3). Da sich dies auf der Grundlage belastbarer Zahlen nachvollziehen und nach Maßgabe vertretbarer Wertungen verfassungsrechtlich rechtfertigen lässt, in sich nicht unsachlich ist und nicht auf schlicht gegriffenen Zahlen oder Schätzungen ins Blaue hinein beruht (vgl. BVerfGE 125, 175 <223, 237 f.>; 132, 134 <170 f., Rn. 90 f.>; oben C I 2 b aa), ist ein solches Ergebnis von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden.
c) Die in § 20 Abs. 5 Satz 2 SGB II in Verbindung mit § 28 SGB XII und dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz vorgegebene Orientierung an der EVS ist als statistisches Berechnungsmodell ein im Grundsatz geeignetes Verfahren, die zur Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums notwendigen Leistungen realitätsgerecht zu bemessen (vgl. BVerfGE 125, 175 <232 ff.>). Die Festlegung in § 28 Abs. 2 SGB XII, dass bei der Ermittlung der bundesdurchschnittlichen Regelbedarfsstufen der Stand und die Entwicklung von Nettoeinkommen, das Verbrauchsverhalten und die Lebenshaltungskosten auf der Grundlage der durch die EVS nachgewiesenen tatsächlichen Verbrauchsausgaben unterer Einkommensgruppen zu berücksichtigen sind, ist nicht unsachlich und tragfähig begründbar. Es ist im Ausgangspunkt verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber in § 28 Abs. 2 SGB XII insoweit das Einkommen in Bezug nimmt, als für die Festlegung der Regelbedarfe nach den hier zu prüfenden Vorschriften nur die tatsächlichen Verbrauchsausgaben unterer Einkommensgruppen herangezogen werden (dazu unten d bb). Dies ist Teil der Ausrichtung auf den Entwicklungsstand des Gemeinwesens und die bestehenden Lebensbedingungen (vgl. BVerfGE 125, 175 <222>); es stellt einen Bezug zu den Erwerbstätigen her (vgl. BVerfGE 125, 175 <234>; dazu BTDrucks 17/3404, S. 121 f.), ermöglicht aber für sich genommen keine Unterschreitung der verfassungsrechtlich gebotenen Mindesthöhe der existenzsichernden Leistungen.
Insgesamt hält das Bundesverfassungsgericht also die Höhe der Sätze und auch die Bestimmung / Ermittlung der Höhe der Sätze durch den Gesetzgeber für zulässig und verfassungsgemäß. Dass man trotzden kaum mit den Sätzen als ALG-II-Empfänger auskommt, dürfte aber auch bekannt sein.
RA A. Martin
Keine SGB-Extrazahlungen für Jugendweihe eines Jugendlichen
Für die Jugendweihe braucht man ersteinmal Geld, schließlich muss ja die Feier finanziert werden. Im Osten ist die Jugendweihe das Gegenstück zur Konfirmation und immer noch fest etabliert. Die Frage ist, ob ein Jugendlicher hier gesonderte Sozialleistungen nach dem SGB II erhalten kann.
keine Sonderzahlungen für Jugendweihen
Ein jugendlicher SGB-II-Bezieher wollte für die anstehende Jugendweihe eine Sonderzahlung nach dem SGB II in Höhe von € 407. Dies wurde ihm vom Amt verwehrt. Die Klage blieb ohne Erfolg. Das Landessozialgericht Sachsen (LSG Sachsen-Anhalt, Urteil v. 14.11.2013, L 5 AS 175/12) sah einen Anspruch des Jugendlichen nicht. Eine Verletzung der Religionsausübungsfreiheit im Kern sah das LSG nicht. Darüber hinaus wurde darauf verwiesen, dass im Regelsatz bereits 10 % Ansparungsmöglichkeiten für Kleidung und 11 % für Kultur vorgesehen seien, so dass der Jugendliche hier rechtzeitig hätte sparen können, um so z.B. die Feier bzw. den Anzug finanzieren zu können.
RA A. Martin