Maßregelungsverbot
BAG: Corona-Kündigung im Krankenhaus

Kündigung wegen Weigerung einer Corona-Schutzimpfung
Die Kündigung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber aufgrund der Weigerung sich eine Corona-Schutzimpfung geben zu lassen, ist ein emotionales Thema.
Corona-Kündigung und BAG
Das Bundesarbeitsgericht hatte sich nun mit einer solchen Kündigung beschäftigt.
Wartezeitkündigung
Hierbei soll gleich ausgeführt werden, dass dieser Fall zwei Besonderheiten aufweist. Zum einen spielt der Fall noch vor der im Impfpflichtpflicht in der Gesundheits- und Pflegebranche. Es bestand also zum Zeitpunkt des hier vorliegenden Sachverhalts keine im Impfpflicht gegen Corona für Pflegepersonal bzw. Krankenhauspersonal. Darüber hinaus handelt es sich um eine Kündigung in der Wartezeit. Diese wird auch oft als Kündigung in der Probezeit bezeichnet, wobei dies nicht ganz richtig ist.
Unterschied zwischen Probezeit und Wartezeit
Wenn nämlich der Arbeitgeber innerhalb der ersten 6 Monate des Arbeitsverhältnisses dem Arbeitnehmer kündigt, dann findet das Kündigungsschutzgesetz auf den Arbeitsvertrag keine Anwendung. Der Arbeitgeber braucht dann keinen Kündigungsgrund. Dabei spielt es keine Rolle, wie lang die sogenannte Probezeit ist. Auch wenn diese nur 3 Monate beträgt und der Arbeitgeber kündigt im 4. Monat, findet das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung, da dieses voraussetzt, dass der Arbeitnehmer länger als 6 Monate im Betrieb des Arbeitgebers tätig ist und dort mehr als 10 Arbeitnehmer in Vollzeit abzüglich der Auszubildenden beschäftigt sind.
Beweislastumkehr bei Wartezeitkündigung
Bei der Kündigung in der Wartezeit/Probezeit durch den Arbeitgeber besteht die Besonderheit, dass der Arbeitnehmer nachweisen muss-wenn er sich gegen diese Kündigung mittels Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht wehrt-dass die Kündigung unwirksam ist. Es kehrt sich die Beweislast um. Im Normalfall, also wenn das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet, muss nämlich der Arbeitgeber nachweisen, dass die Kündigung rechtmäßig ist.
Für den Arbeitnehmer liegt also eine Situation vor, in der es recht schwierig ist gegen die Kündigung vorzugehen, da der Arbeitgeber keinen Kündigungsgrund benötigt.
Verstoß gegen das Maßregelungsverbot
Eine Möglichkeit besteht aber darin, dass der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber vorwirft, dass er gegen das sogenannte Maßregelungsverbot verstoßen hat. Dieses ist in § 612a BGB geregelt und besagt, dass es verboten ist, dass der Arbeitnehmer zum Beispiel wegen einer berechtigten Weigerung bestraft wird. Klassische Fälle sind die, dass zum Beispiel der Arbeitnehmer berechtigt seinen Lohn einfordert und der Arbeitgeber dann als Strafe dafür den Arbeitnehmer kündigt. Es muss ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen der Weigerung/Forderung des Arbeitnehmers und der Kündigung bestehen.
§ 612a Maßregelungsverbot
Der Arbeitgeber darf einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme nicht benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt.“
Nun zum Fall:
Im Fall des Bundesarbeitsgerichts arbeitete eine Arbeitnehmerin seit dem 1. Februar 2021 als medizinische Fachangestellte bei der Beklagten in einem Krankenhaus. Die Klägerin wurde dort auf verschiedenen Stationen in der Patientenversorgung eingesetzt. Eine Impfpflicht gegen Corona gab es noch nicht. Trotz mehrfacher Aufforderung durch den Arbeitgeber war die Klägerin nicht bereit sich gegen SARS-CoV-2 impfen zu lassen. Sie schlug mehrere Impfangebote ihrer Arbeitgeberin aus. Daraufhin kündigte die Beklagte/Arbeitgeberin der Klägerin das Arbeitsverhältnis innerhalb der Wartezeit ordentlich und fristgerecht.
Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht
Die Arbeitnehmerin/Klägerin wehrte sich gegen die Kündigung mit der Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht und machte geltend, dass sie wegen der nicht vorgenommenen Impfung zu Unrecht vom Arbeitgeber gemacht geregelt wurde und damit die Kündigung gegen das Maßregelungsverbot nach § 612 a BGB verstoßen würde.
Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz wies die Klage der Arbeitnehmerin ab. Die Revision der Klägerin vor dem Bundesarbeitsgericht hatte keinen Erfolg.
Entscheidung des BAG
Das Bundesarbeitsgericht führte dazu in seiner Pressemitteilung vom 30.03.2023 Nr. 18/23 aus:
Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses einer nicht gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 geimpften medizinischen Fachangestellten zum Schutz von Patienten und der übrigen Belegschaft vor einer Infektion verstößt nicht gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB.
Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Kündigung nicht gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB verstößt. Es fehlt an der dafür erforderlichen Kausalität zwischen der Ausübung von Rechten durch den Arbeitnehmer und der benachteiligenden Maßnahme des Arbeitgebers. Das wesentliche Motiv für die Kündigung war nicht die Weigerung der Klägerin, sich einer Impfung gegen SARS-CoV-2 zu unterziehen, sondern der beabsichtigte Schutz der Krankenhauspatienten und der übrigen Belegschaft vor einer Infektion durch nicht geimpftes medizinisches Fachpersonal. Dabei ist es rechtlich ohne Bedeutung, dass die Kündigung vor Inkrafttreten der gesetzlichen Impfpflicht erklärt worden ist. Auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten bestehen keine Bedenken an der Wirksamkeit der Kündigung.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 30. März 2023 – 2 AZR 309/22
Anmerkung:
Wie oben bereits ausgeführt, bestand die Besonderheit darin, dass eine Kündigung in der Wartezeit vorlag. In einer solchen Situation ist es schwierig für den Arbeitnehmer erfolgreich gegen diese Kündigung vorzugehen, da der Arbeitgeber keinen Kündigungsgrund braucht. Das Maßregelungsverbot half der Arbeitnehmerin hier nicht weiter, da diese nicht nachweisen konnte, dass sie tatsächlich aufgrund der fehlenden Impfung gekündigt wurde und darüber hinaus-und dies ist das Entscheidende-hat das Bundesarbeitsgericht auch schon angedeutet, dass es ein berechtigtes Interesse des Arbeitgeber ist, eine Arbeitnehmerin zu kündigen, die im Krankenhaus arbeitet und sich nicht impfen lässt, da die Möglichkeit besteht, dass diese Patienten und andere Mitarbeiter mit Corona ansteckt. Etwas spitzfindig meint das BAG hier, dass der Grund für die Kündigung nicht die verweigerte Impfung war, sondern der Schutz der Krankenhauspatienten.
Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht
Probezeitkündigung wegen Abwesenheit aufgrund Krankheit des Kindes
Probezeitkündigung
Während der Probezeit kann der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis grundlos mit dem Arbeitnehmer kündigen. Er braucht keinen Kündigungsgrund und muss schon gar nicht den Grund in der Kündigungserklärung angeben. Nur in Ausnahmefällen ist eine solche Kündigung unwirksam. Dies ist dann der Fall, wenn die Kündigung sittenwidrig oder treuwidrig ist. Man spricht hier auch vom sogenannten Mindestkündigungsschutz. Das Kündigungsschutzgesetz gilt ja hier während der Probezeit noch nicht, da dieses voraussetzt, dass das Arbeitsverhältnis mehr als sechs Monate beim Arbeitgeber besteht.
Maßregelungsverbot nach § 612 a BGB
Das sogenannte Maßregelungsverbot ist ein Unterfall der sittenwidrigen Kündigung. Eine Maßregelung kann dabei auch eine Kündigung sein. Eine Kündigung ist von daher ausgeschlossen, wenn diese erfolgt, weil der Arbeitnehmer berechtigte Interessen wahrnimmt. Ein klassischer Fall ist der, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Arbeitszeit reduzieren möchte, da den Lohn nicht mehr zahlen kann und der Arbeitnehmer damit nicht einverstanden ist und dann die Kündigung erhält. Eine solche Kündigung ist unwirksam/nichtig.
Fall des LAG Rheinland-Pfalz
Der Kläger / Arbeitnehmer was als alleinerziehender Vater eines 2011 geborenen Sohnes beim Beklagten / Arbeitgeber als Kurierfahrer zum gesetzlichen Mindestlohn tätig.
Noch während der im Arbeitsvertrag vereinbarten Probezeit erkrankte der Sohn des Arbeitnehmers und musste im Krankenhaus behandelt werden. Vom Freitag den 11.12.2015 bis zum 31.12.2015 wurde der Sohn des Arbeitnehmer weiter krankgeschrieben und die Ärzte attestierten die Erforderlichkeit der Betreuung und Beaufsichtigung durch den Kläger. Die entsprechenden ärztlichen Bescheinigungen für den Bezug von Krankengeld bei Erkrankung eines Kindes faxte der Kläger dem Beklagten noch am gleichen Tag zu.
Kündigung wegen Erkrankung in der Probezeit
Daraufhin kündigte der Beklagten dem Klägerin -während der Probezeit – noch am gleichen Tag das Arbeitsverhältnis mit ordentlicher arbeitgeberseitige fristgerechte Kündigung zum 25.12.2015.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner am 22.12.2015 eingegangenen Kündigungsschutzklage, da er die schriftliche Kündigung des Beklagten für eine unzulässige Maßregelung hält. In der ersten Instanz gewann der Arbeitnehmer.
Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (Urteil vom 8.11.16, 8 Sa 152/16) sieht in der Kündigung keine unzulässige Maßregelung mit der Folge, dass die Kündigung nicht gegen den Mindestkündigungsschutz verstößt und wirksam ist. Dazu führt das LAG aus:
Die Kündigung ist auch nicht gem. § 134 BGB iVm § 612 a BGB nichtig. Sie verstößt nicht gegen das Maßregelungsverbot.
a) Nach § 612a BGB darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei einer Maßnahme nicht deshalb benachteiligen, weil dieser in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Als Maßnahme kommt auch eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses in Betracht. Sie kann sich als Benachteiligung wegen einer zulässigen Rechtsausübung darstellen. ……………
Für das Vorliegen einer Maßregelung i. S. v. § 612a BGB trägt der Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast. In Betracht kommt diesbezüglich jedoch eine Beweiserleichterung durch Anscheinsbeweis, wenn ein offensichtlicher Zusammenhang zwischen benachteiligender Maßnahme und der Rechtsausübung besteht. Dies gilt etwa dann, wenn insoweit ein enger zeitlicher Zusammenhang gegeben ist (vgl. ErfK/Preis, 17. Aufl., § 612a BGB Rz. 22 m.w.N.). Den Anscheinsbeweis kann der Arbeitgeber sodann seinerseits durch substantiierten Vortrag erschüttern mit der Folge, dass nunmehr der Arbeitnehmer den Vollbeweis führen muss.
b) Nach diesen Grundsätzen ist ein Verstoß gegen das Maßregelungsverbot vorliegend nicht gegeben. Es ist nicht erkennbar, dass eine zulässige Rechtsausübung des Klägers tragender Grund für den Ausspruch der Kündigung vom 11.12.2015 gewesen wäre.
aa) Nach dem klaren Gesetzeswortlaut greift der Schutz des § 612 a BGB nur dann ein, wenn das geltend gemachte Recht tatsächlich besteht und in zulässiger Weise ausgeübt wird. Die bloße Mitteilung der bestehenden Erkrankung des Kindes und der daraus resultierenden Notwendigkeit der Betreuung stellt keine Rechtsausübung dar.
Denn die Arbeitspflicht entfällt bereits nach § 45 Abs. 3 SGB V, wenn die kind- und betreuungsbezogenen Voraussetzungen des § 45 Abs. 1 SGB V vorliegen. Daher macht der Kläger, wenn sein zu betreuendes Kind erkrankt ist, kein Recht geltend, sondern ist wegen der Erkrankung des Sohnes nicht zur Arbeitsleistung verpflichtet. Dementsprechend stellt die Mitteilung der Erkrankung des Sohnes und der entsprechenden Betreuungsnotwendigkeit durch Übersendung der ärztlichen Bescheinigungen gerade keine Rechtsausübung dar. Insoweit besteht kein Unterschied zum Fall, dass ein Arbeitnehmer selbst arbeitsunfähig erkrankt. Für den Fall der Arbeitsunfähigkeit entspricht es der Rechtsprechung, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 612a BGB nicht vorliegen, wenn ein Arbeitnehmer erkrankt, da es an einer Rechtsausübung fehlt, weil der Arbeitnehmer bereits wegen der bestehenden Arbeitsunfähigkeit nicht verpflichtet ist, Arbeitsleistungen zu erbringen (vgl. hierzu LAG Rheinland-Pfalz v. 30.08.2007 – 2 Sa 373/03. LAG Berlin-Brandenburg 07.10.2010 -25 Sa 1435/10).
bb) Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn der Beklagte gekündigt hätte, weil der Kläger von seinem Recht Gebrauch gemacht hat eigenmächtig von der Arbeit fern zu bleiben. Denn § 45 Abs. 1 S. 3 SGB V gewährt dem Arbeitnehmer (bei Erkrankung eines Kindes) nicht nur einen Anspruch auf Freistellung von der Arbeit, sondern bei rechtswidriger Verweigerung auch das Recht, der Arbeit „eigenmächtig“ fern zu bleiben (vgl. LAG Köln 10.11.1993 – 7 Sa 6901/93, NZA 1995, 128, so auch für den Fall der Weigerung trotz eigener Arbeitsunfähigkeit zu arbeiten BAG 23.04.2009 – 6 AZR 189/08, NZA 2009, 974).
Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall. Eine Aufforderung des Beklagten wieder zur Arbeit zu erscheinen, die der Kläger mit seiner Übersendung der weiteren Bescheinigungen als Weigerung beantworten konnte, gab es nicht.
Anmerkung:
Ist ist fast immer sehr schwierig gegen eine Kündigung des Arbeitgebers in der Probezeit vorzugehen. Hier greift nur Mindestkündigungsschutz und dieser Schutz ist auf wenige Extremfälle beschränkt.
Rechtsanwalt Andreas Martin- Arbeitsrecht Berlin