LAG Köln
Bei tätlicher sexueller Belästigung droht auch bei langjähriger Beschäftigung die fristlose Kündigung!

Ein Arbeitnehmer, der bereits seit 16 Jahren im Betrieb (in der Produktion) beim Arbeitgeber beschäftigt war, bekam eine außerordentliche, fristlose Kündigung. Der Vorwurf war sexuelle Belästigung.
Arbeitnehmer fasst Kollegin in den Schritt
Der Arbeitnehmer soll eine Arbeitskollegin in den Schritt gefasst haben und dies bei sich sodann wiederholt haben mit den Worten, “ Da tue sich etwas!“.
Strafanzeige wegen sexueller Belästigung
Die Kollegin teilte dies zudem dem Arbeitgeber mit und zeigte den Kläger bei der Polizei wegen sexueller Belästigung an.
Strafbefehl über 60 Tagessätze an Geldstrafe
Aufgrund der Strafanzeige der Kollegin erging später dann gegen den Arbeitnehmer ein Strafbefehl wegen sexueller Belästigung mit einer Verurteilung zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen.
fristlose und außerordentliche Kündigung
Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers fristlos aus außerordentlichen Grund. Dagegen erhob dieser Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht.
Arbeitsgericht Siegburg wies Kündigungsschutzklage ab
Das Arbeitsgericht Siegburg gab dem Arbeitgeber Recht, nachdem es die Arbeitskollegin vernommen hatte. Es wies die Kündigungsschutzklage ab.
LAG Köln wies Berufung zurück
Auch in der Berufungsinstanz vor dem Landesarbeitsgericht Köln verlor der Arbeitnehmer.
Begründung des Landesarbeitsgerichts Köln
Das LAG Köln (Urteil vom 19.06.2020 zum Aktenzeichen 4 Sa 644/19) führte in der Pressemitteilung Nr. 4/2020 vom 24.06.2020 dazu aus:
Angesichts der Schwere der festgestellten Pflichtverletzung hat das Landesarbeitsgericht eine vorhergehende Abmahnung für nicht erforderlich gehalten, weil der Kläger nicht ernsthaft damit habe rechnen können, dass die Beklagte sein Verhalten tolerieren werde. Aufgrund ihrer Verpflichtung nach § 12 Abs. 3 AGG, ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen vor sexuellen Belästigungen wirksam zu schützen, sei der Beklagten der Ausspruch einer Kündigung unter Einhaltung der sechsmonatigen Kündigungsfrist nicht zuzumuten gewesen.
Anmerkung:
Selbst bei langjähriger Betriebszugehörigkeit kann eine sexuelle Belästigung zu einer außerordentlichen Kündigung führen ohne vorherige Abmahnung. Die Besonderheit bestand hier auch darin, dass der Arbeitnehmer die Kollegin tätlich sexuell belästigt hatte.
Rechtsanwalt Andreas Martin – Marzahner Promenade 22, 12679 Berlin
Entscheidungen der Gerichte zu sexuellen Übergriffen am Arbeitsplatz
- Arbeitnehmer fast Azubi an die Brust – Kündigung wegen sexueller Belästigung wirksam?
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- LAG Berlin – Verdachtskündigung wegen sexueller Belästigung einer Patientin
- sexuelle Belästigung „Hat dein Mann eine Gummiallergie?“ – Kündigung unwirksam!
- sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz durch Worte – außerordentliche Kündigung unrechtmäßig!
Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht in Berlin
LAG Köln: Urlaub aus Vorjahren verfällt nicht ohne Hinweis des Arbeitgebers!
Die Rechtsprechung zum Urlaub wurden durch die Entscheidung des EuGH Urteil vom 06.11.2018 – C 684/16) und dann durch das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 19.02.2019 – 9 AZR 541/15 stark verändert.
kein automatischer Verfall des Urlaubs zum 31.3. des Folgejahres mehr
Früher ging man ohne weiteres davon aus, dass der Urlaubsanspruch des Vorjahres spätestens zum 31.3. des Folgejahres verfiel (so steht es immer noch im Bundesurlaubsgesetz) und der Arbeitnehmer auch hier keinen Schadenersatzanspruch hatte, wenn der Verfall eintrat. Dies führte dazu, dass Urlaub aus den Vorjahren oft nicht mehr abgegolten/ ausgezahlt (Urlaubsabgeltung) werden konnte, wenn das Arbeitsverhältnis nach dem 31.3. endete.
Arbeitgeber muss den Urlaub gewähren und auf Verfall hinweisen
Dies ist nun anders.
Nach dem obigen BAG -Urteil ist es die Verpflichtung des Arbeitgeber den Urlaub zu gewähren. Er muss den Arbeitnehmer zum Urlaubsantritt auffordern und auf bestehenden Verfall des Urlaubs hinweisen.
Entscheidung des Landesarbeitsgericht Köln zum Verfall von „alten Urlaubs“
Das LAG Köln (Urteil vom 09.04.2019 – 4 Sa 242/18) hat nun klargestellt, dass sich diese Verpflichtung des Arbeitgebers auch auf den Urlaub aus vergangenen Jahren bezieht und führt dazu in seiner Pressemitteilung vom 2/2019 vom 1.7.2019 aus:
Nach einem nunmehr veröffentlichten Urteil der 4. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln erlischt der Urlaubsanspruch eines Arbeitnehmers in der Regel nur dann am Ende des Kalenderjahres, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor über seinen Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt hat. Diese Initiativlast des Arbeitgebers bezieht sich nicht nur auf das laufende Kalenderjahr, sondern auch auf den Urlaub aus vorangegangenen Kalenderjahren.
Dem Fall des Landesarbeitsgerichts Köln lag folgender Sachverhalt zu Grunde:
Der Arbeitnehmer/ Kläger war in der Zeit vom 01.09.2012 bis zum 31.03.2017 als Bote bei dem beklagten Apotheker (Arbeitgeber) beschäftigt.
Bezüglich der Urlaubsansprüche des Arbeitnehmers war im Arbeitsvertrag geregelt, dass der Kläger seinen Jahresurlaub auf eigenen Wunsch in Form einer wöchentlichen Arbeitszeitverkürzung nimmt. Statt der bezahlten 30 Stunden/Woche arbeitete der Arbeitnehmer nur 27,5 Stunden/Woche.
Mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses machte der Arbeitnehmer seinen gesamten Urlaub aus den Jahren 2014, 2015 und 2016 als Urlaubsabgeltung geltend.
In der ersten Instanz verlor der Arbeitnehmer. Beim LAG Köln in der Berufungsinstanz sah dies dann anders aus:
Das Landesarbeitsgericht Köln führt dazu seiner Pressemitteilung vom 2/2019 vom 1.7.2019 aus:
Nach der Bewertung des Landesarbeitsgerichts sind die Urlaubsansprüche des Klägers nicht durch den geringeren Arbeitszeitumfang erfüllt worden. Die wöchentliche Arbeitszeitverkürzung stelle keinen Erholungsurlaub im Sinne des Bundesurlaubsgesetzes dar.
Die Urlaubsansprüche des Klägers seien auch nicht gemäß § 7 Abs. 3 BUrlG verfallen. Unter Berücksichtigung des europäischen Rechts verfalle der Urlaub eines Arbeitnehmers in der Regel nur, wenn der Arbeitgeber ihn zuvor konkret aufgefordert habe, den Urlaub zu nehmen, und ihn klar und rechtzeitig darauf hingewiesen habe, dass der Urlaub anderenfalls mit Ablauf des Urlaubsjahres oder Übertragungszeitraums erlösche. Entsprechende Vorgaben hatte am 06.11.2018 der Gerichtshof der Europäischen Union unter dem Aktenzeichen C-684/16 gemacht. Dem Arbeitgeber obliege die Initiativlast, im laufenden Kalenderjahr den Arbeitnehmer konkret aufzufordern, den Urlaub zu nehmen. Diese Obliegenheit des Arbeitgebers bezieht sich nach Auffassung der 4. Kammer des Landesarbeitsgerichts auch auf Urlaub aus vorangegangenen Kalenderjahren.
Anmerkung:
Der Arbeitgeber muss also folgendes machen: Er muss den Arbeitnehmer beweissicher (schriftlich am besten) auffordern „den Urlaub aus dem Kalenderjahr … sowie den Urlaub aus dem Kalenderjahr …. bis zum … zu nehmen“ und darauf hinweisen „dass beim Nichtantritt des Urlaubs vor dem 31.3. sowohl der Urlaub aus dem Jahr … als auch aus dem Jahr … zum 31.3.2020 verfällt“. Dann sollte der Arbeitgeber hier wenigstens nochmals auffordern und belehren vor Ablauf des 31.3.2019.
Rechtsanwalt A. Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht
LAG Köln: Arbeitnehmer muss im ungekündigten Arbeitsverhältnis seine Arbeitsleistung tatsächlich anbieten; dies gilt auch bei Leistungsunwilligkeit nach einer Arbeitgeberkündigung!
Der Arbeitnehmer arbeitete zuvor bei einem Personaldienstleistungsunternehmen.
Kündigung des alten und Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages beim Entleiher
Über dieses war er beim Malermeister tätig. Bei diesem wollte er sodann stattdessen tätig sein und kündigte sein Arbeitsverhältnis mit dem Personaldienstleistungsunternehmen zum 30.08.2015 und schloss sodann mit dem Malermeister ein neues Arbeitsverhältnis ab. Der Arbeitnehmer sollte aber dem 1.09.2015 beim Malermeister als Malergeselle tätig werden.
Krankheit des Arbeitnehmers vor Arbeitsantritt
Am 24.08.2015 wurde der Kläger von einer Radfahrerin angefahren und befand sich danach vier Tage im Krankenhaus.
Streit über Möglichkeit der Anschlussbeschäftigung zwischen Entleiher und Verleiher
Sodann kam es zum Streit zwischen dem alten und dem neuen Arbeitgeber des Arbeitnehmers.
Arbeitnehmer tritt die Arbeit nicht tatsächlich an
So dass dieser (AN) einen Anwalt einschaltete, der dem neuen Arbeitgeber (Malermeister) am 14.09.2017 einen Brief mit folgendem Inhalt schickte:
„Gegenstand unserer Mandatierung ist das zwischen Ihnen und unserem Mandanten zum 01.09.2015 begründete Arbeitsverhältnis. Unser Mandant hat uns darum gebeten, in Kontakt zu Ihnen zu treten, nachdem hier offenbar von Seiten der Firma i GmbH als ehemaligem Verleiher unseres Mandanten Ansprüche gegen Sie geltend gemacht werden.
Wie uns unser Mandant mitteilt, spricht hier einiges dafür, dass diese Ansprüche zu Unrecht geltend gemacht werden. Zu diesem Zweck können Sie uns gerne den zwischen Ihnen und der Firma i n GmbH abgeschlossenen Vertrag zur Verfügung stellen.
Für unseren Mandanten ist die Situation äußerst misslich. Er ist fest davon überzeugt, dass der Wechsel zu Ihnen richtig war und hat weiterhin ein hohes Interesse daran, das Arbeitsverhältnis seinerseits zu erfüllen. Insoweit bleibt die hoffentlich baldige Genesung des Mandanten abzuwarten. Für eine kurze Rückantwort wären wir dankbar. Für Rückfragen stehen wird gerne und jederzeit zur Verfügung.“
Kündigung durch neuen Arbeitgeber
Später -Schreiben vom 5.04.2016- schrieb dann der Arbeiter (Malermeister) zurück:
„[…] nachdem im Spätsommer letzten Jahres die Übernahme Ihrer Person in unser Unternehmen geplant war, kam es zu Widrigkeiten mit der Leiharbeitsfirma für die Sie tätig waren.
In mannigfaltigen Gesprächen sind wir übereingekommen, dass Sie das für den 1. September 2015 beabsichtigte Arbeitsverhältnis nicht antreten.
Aus diesem Grunde sind Sie nicht mehr zur Arbeit erschienen und haben die Schlüssel der von Ihnen zuvor betreuten Baustelle noch im August 2015 an uns zurückgegeben.
Ein Arbeitsverhältnis existiert demnach nicht, Ihr Ansinnen nach nunmehr gut 8 Monaten ist ebenso überraschend wie verwunderlich.
Äußerst vorsorglich kündigen wir daher ein Arbeitsverhältnis zum nächstzulässigen Zeitpunkt und stellen klar, dass wir seit Ende des vergangenen Jahres weder Verwendung für Sie hatten noch haben.“
mehrfache telefonische Arbeitsangebote des Arbeitnehmers sowie per E-Mail
Der Arbeitnehmer steht auf dem Standpunkt, dass der Malermeister ihn telefonisch mitgeteilt habe, dass er ihn nicht ab dem 1.09.2015 beschäftigen werde, da er an den alten Arbeitgeber des Arbeitnehmer eine Ablösesumme von € 12.000 ansonsten hätte zahlen müssen. Auch habe er dem Malermeister seine Arbeitsleistung mehrfach telefonisch und auch per E-Mail angeboten.
Klage auf Lohn (Annahmeverzugslohn)
Mit seiner Klage am 23.03.2016 beim Arbeitsgericht eingegangenen hat der Arbeitnehmer den beklagten Malermeister zuletzt auf Zahlung von 9.911,16 EUR netto (Lohn ab dem 1.09.2015/ Annahmeverzugslohn) in Anspruch genommen.
Das Arbeitsgericht Köln hat die Klage durch Urteil vom 25.11.2016 abgewiesen.
Das Landesarbeitsgericht Köln (Urteil vom 8.9.2017 – 4 Sa 62/17) wies die Berufung des Arbeitnehmers / Klägers zurück und führte dazu aus:
Wird eine Verfahrensrüge erhoben, müssen in der Rechtsmittelbegründung gemäß § 66 Abs. 6 ArbGG iVm § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO die Tatsachen bezeichnet werden, die den Mangel ergeben. Bezieht sich die Rüge auf die verfahrensrechtswidrige Unterlassung eines gebotenen richterlichen Hinweises, muss der unterlassene Hinweis bezeichnet und angegeben werden, was auf einen entsprechenden Hinweis hin vorgetragen worden wäre (BAG, Urteil vom 24.02.2016 – 4 AZR 980/13 –, Rn. 25, BeckRS 70257; BGH, Urteil vom 27.01.2015 VI ZB 40/14 –, NJW-RR 2015, S. 511; Zöller-Greger, 30. Aufl. § 139 ZPO, Rn. 20).
Hieran fehlt es im vorliegenden Fall. Ausweislich des Protokolls der Gütesitzung vom 09.05.2016 hat das Gericht den Kläger zunächst darauf hingewiesen, dass es an hinreichend bestimmten Klageanträgen im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO fehlt. Auch wenn mangels entsprechender Dokumentation gemäß § 139 Abs. 4 ZPO davon ausgegangen werden muss, dass weitere Hinweise nicht erfolgt sind, lassen jedoch die Ausführungen des Klägers in der Berufungsbegründung nicht erkennen, welche Hinweise aus seiner Sicht unterlassen worden sind und wie der Kläger sich auf (welche?) Hinweise verhalten hätte.
Die geltend gemachte Nettolohnklage ist zulässig. Sie ist dem Grunde nach hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die – im vorliegenden Fall fehlende – Darlegung der im Einzelnen zu berücksichtigenden Abzüge ist als Erfordernis der schlüssigen Begründung einer Nettolohnklage eine Frage der Begründetheit (BAG, Urteil vom 26.02.2003 – 5 AZR 223/02 –, Rn. 25, juris; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 24.10.2013 – 10 Sa 277/13 –, Rn. 25 f, juris).
Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat bereits dem Grunde nach keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung von Annahmeverzugslohn aus dem Arbeitsvertrag der Parteien i.V.m. § 615 Satz 1 BGB. Der Kläger hat – wie das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt hat – seine Arbeitsleistung nicht tatsächlich angeboten und konnte den Beklagten mit wörtlichen Angeboten nicht in Annahmeverzug setzen. Dies gilt sowohl für die Zeit vor Ausspruch der ersten Kündigung am 05.04.2016 als auch für die Zeit danach.
1.Nach § 615 Satz 1 BGB kann der Arbeitnehmer die vereinbarte Vergütung verlangen, wenn der Arbeitgeber mit der Annahme der Arbeitsleistung in Verzug kommt. Gemäß § 293 BGB kommt der Gläubiger in Verzug, wenn er die ihm angebotene Leistung nicht annimmt (BAG, Urteil vom 29.06.2016 – 5 AZR 696/15 –, Rn. 15, juris). Im unstreitig bestehenden Arbeitsverhältnis muss der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung tatsächlich anbieten, § 294 BGB. Ein wörtliches Angebot des Schuldners genügt nur dann, wenn der Gläubiger ihm erklärt hat, er werde die Leistung nicht annehmen, § 295 BGB. Nur für den Fall einer unwirksamen Arbeitgeberkündigung geht die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts davon aus, ein Angebot der Arbeitsleistung sei regelmäßig nach § 296 BGB entbehrlich (BAG, Urteil vom 25. Februar 2015– 1 AZR 642/13 –, Rn. 41, juris). Ein Angebot der Arbeitsleistung kann ausnahmsweise auch dann entbehrlich sein, wenn offenkundig ist, dass der Gläubiger auf seiner Weigerung, die geschuldete Leistung anzunehmen, beharrt (BAG, Urteil vom 24.09.2014 – 5 AZR 611/12 –, Rn. 22, juris).
2.Ausgehend von diesen Grundsätzen hat es dem Kläger oblegen, seine Arbeitsleistung ab Beginn des Arbeitsverhältnisses der Parteien, also ab dem 01.09.2015, tatsächlich gemäß § 294 BGB anzubieten. Das Arbeitsverhältnis war zunächst bis zum 05.04.2016 ungekündigt. An einem tatsächlichen Angebot fehlt es im vorliegenden Fall (dazu unter a.). Ein wörtliches Angebot gemäß § 295 BGB war nicht ausreichend. Der darlegungs- und beweisbelastete Kläger hat nicht hinreichend konkret vorgetragen und auch nicht unter Beweis gestellt, dass der Beklagte erklärt habe, er werde eine Arbeitsleistung des Klägers nicht annehmen (dazu unter b.). Für die Zeit nach dem 05.04.2016 gilt nichts anderes (dazu unter c.).
a. Der Kläger hat seine Leistung nicht tatsächlich im Sinne des § 294 BGB angeboten. Nach § 294 BGB muss die Leistung so angeboten werden, wie sie zu bewirken ist, also am rechten Ort, zur rechten Zeit und in der rechten Art und Weise entsprechend dem Inhalt des Schuldverhältnisses (BAG, Urteil vom 28.09.2016 – 5 AZR 224/16 –, Rn. 25, juris). Der Kläger hat erstmals in seiner Berufungsbegründungsschrift behauptet, er sei tatsächlich im Betrieb erschienen und zwar „offensichtlich um zu arbeiten“. In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 08.09.2017 hat der Kläger sich wiederum dahingehend eingelassen, dass er sich nicht persönlich auf den Weg in die Firma des Beklagten gemacht habe, weil ihm der Weg zu weit gewesen sei. Der Vortrag des Klägers ist widersprüchlich und daher unbeachtlich. Schon deshalb hatte die Kammer davon auszugehen, dass der Kläger seine Leistung nicht tatsächlich im Sinne des § 294 BGB angeboten hat, weil er schon nicht am „rechten Ort“, also im Betrieb des Beklagten gewesen ist.
Unabhängig davon, fehlte es aber auch dann an einem tatsächlichen Angebot der Arbeitsleistung, wenn der Kläger – wie er schriftsätzlich vorgetragen hat – im Betrieb des Beklagten gewesen sein sollte. Soweit der Kläger hier ausführt, er sei dort gewesen, „offensichtlich um zu arbeiten“, so trägt er gerade nicht vor, dass er am rechten Ort, zur rechten Zeit und in der rechten Art und Weise seine Arbeitsleistung angeboten hat. Weder lässt sich dem Vortrag des Klägers entnehmen, dass er sich zu Beginn der betriebsüblichen Arbeitszeit im Betrieb des Beklagten aufgehalten hat, noch benennt er sonstige Anhaltspunkt für ein ordnungsgemäßes Arbeitsangebot, etwa das Mitführen von Arbeitskleidung.
Ein ordnungsgemäßes Angebot der Arbeitsleistung setzt gemäß § 297 BGB zudem die Leistungsfähigkeit des Schuldners voraus. Der Kläger hat dem Beklagten durch Schreiben seiner damaligen Bevollmächtigten vom 14.09.2015, also etwa zwei Wochen nach Beginn des Arbeitsverhältnisses, mitteilen lassen, seine Genesung bleibe abzuwarten. Auch dies lässt nicht den Schluss auf ein ordnungsgemäßes Arbeitsangebot zu. Da der eigene Vortrag des Klägers erhebliche Zweifel an seiner Leistungsfähigkeit begründet, ist es im Streitfall unerheblich, dass grundsätzlich der Gläubiger, hier also der Beklagte, die Darlegungs- und Beweislast für die fehlende Leistungsfähigkeit des Schuldners trägt (vgl. Ernst in: MünchKomm, 7. Aufl., § 297 BGB Rn. 4).
Schließlich ist ein tatsächliches Angebot auch nicht in den „mehrfachen“ mündlichen – vom Beklagten allerdings bestrittenen – Angeboten des Klägers per Telefon oder Telefax zu sehen. Die Arbeitsleistung ist am rechten Ort, zur rechten Zeit und in der rechten Art und Weise anzubieten. Der Kläger war ausweislich des Arbeitsvertrags der Parteien als Maler- und Lackierergeselle vom Beklagten eingestellt worden. Per Telefon oder Telefax konnte er ein tatsächliches Arbeitsangebot nicht erbringen. Die Häufigkeit von wörtlichen Angeboten führt – anders als der Kläger in seiner Berufungsbegründung meint – nicht zu einer anderen Bewertung. Ein wörtliches Angebot kann ein tatsächliches Angebot auch dann nicht ersetzen, wenn es mehrfach wiederholt wird (vgl. BGH, Urteil vom 07.11.1985 – VII ZR 45/85, Rn. 11, juris).
b. Durch ein wörtliches Arbeitsangebot des Klägers konnte der Beklagte mit der Annahme der Arbeitsleistung des Klägers nicht in Verzug geraten. Ein wörtliches Angebot ist gemäß § 295 Satz 1 BGB nur dann ausreichend, wenn der Gläubiger dem Schuldner erklärt hat, er werde die Leistung nicht annehmen. Soweit der Kläger hierzu ausgeführt hat, der Beklagte habe ihn „kurz vor“ dem 01.09.2015 angerufen und ihm mitgeteilt, dass er den Arbeitsvertrag nicht erfüllen werde, hat der Beklagte dies bestritten. Obwohl bereits das Arbeitsgericht zu Recht ausgeführt hat, dass dieses Vorbringen nicht hinreichend konkret sei und der Kläger zudem keinen Beweis für seine diesbezügliche Behauptung angetreten habe, hat der Kläger diesen Vortrag im Berufungsverfahren nach wie vor nicht näher konkretisiert und nach wie vor keinen Beweis für seine Behauptung angetreten. Der Kläger, der sich auf diese für ihn günstige Tatsache beruft, trägt für diese die Darlegungs- und Beweislast.
c. Ein tatsächliches Angebot der Arbeitsleistung war auch ab dem Zugang des Kündigungsschreibens des Beklagten vom 05.04.2016 beim Kläger nicht entbehrlich.
Lediglich für den Fall einer unwirksamen Arbeitgeberkündigung geht die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts davon aus, ein Angebot der Arbeitsleistung sei regelmäßig nach § 296 BGB entbehrlich (BAG, Urteil vom 25. Februar 2015 – 1 AZR 642/13 –, Rn. 41, juris). Ein Angebot der Arbeitsleistung kann ausnahmsweise auch dann entbehrlich sein, wenn offenkundig ist, dass der Gläubiger auf seiner Weigerung, die geschuldete Leistung anzunehmen, beharrt (BAG, Urteil vom 24.09.2014 – 5 AZR 611/12 –, Rn. 22, juris). Demgegenüber bedarf es in Fällen, in denen das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien streitig ist zur Begründung des Annahmeverzugs eines tatsächlichen Angebots der Arbeitsleistung durch den Arbeitnehmer (vgl. – für den Fall, dass das Zustandekommen eines Aufhebungsvertrags zwischen den Parteien streitig ist – BAG, Urteil vom 07.12.2005 – 5 AZR 19/05 –, Rn. 17, juris).
Im vorliegenden Fall ist durch das Kündigungsschreiben des Bevollmächtigten des Beklagten vom 05.04.2016 ein tatsächliches Arbeitsangebot des Klägers nicht entbehrlich geworden. Denn dadurch, dass der Kläger seit Beginn des Arbeitsverhältnisses am 01.09.2015 bis zum Zeitpunkt des Zugangs des Schreibens des Beklagten vom 05.04.2016 seine Arbeitsleistung nicht in der geschuldeten Art und Weise angeboten hat, ist davon auszugehen, dass der Kläger leistungsunwillig war. Zwar kann grundsätzlich nicht allein aus dem fehlenden Anbieten der Arbeitsleistung durch den Arbeitnehmer auf dessen fehlenden Leistungswillen geschlossen werden (vgl. BAG, Urteil vom 27.08.2008 – 5 AZR 16/08 –, Rn. 14, juris; HWK/Krause, 7. Aufl., § 615 BGB Rn. 47). Der Kläger hat es im vorliegenden Fall jedoch nicht bloß unterlassen, seine Arbeitskraft tatsächlich anzubieten, sondern er hat dem Beklagten auch unter dem 14.09.2015 mitteilen lassen, dass im Hinblick auf die von ihm erstrebte Erfüllung des Arbeitsverhältnisses seine Genesung abzuwarten sei. Gleichwohl hat der Kläger später über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten hinweg seine Arbeitskraft weder tatsächlich angeboten, noch seine Wiedergenesung angezeigt.
Da der Kläger somit vor Zugang des Schreibens des Beklagten vom 05.04.2016 nicht leistungswillig war, hätte er einen etwa wieder gefassten Leistungswillen durch ein tatsächliches Arbeitsangebot dokumentieren müssen. Ein Lippenbekenntnis reicht in derartigen Fällen nicht aus (vgl. BAG, Urteil vom 22.02.2012 – 5 AZR 249/11 –, Rn. 27, juris). Aus diesem Grund war ein tatsächliches Angebot der Arbeitsleistung auch nicht entbehrlich, nachdem sich der Prozessbevollmächtigte des Beklagten für diesen im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits bestellt hatte.
d. Selbst wenn man aber annehmen wollte, dass ein tatsächliches Arbeitsangebot des Klägers durch das Schreiben des Beklagten vom 05.04.2016 entbehrlich geworden wäre, stünde dem Kläger gegen den Beklagten kein Anspruch auf Zahlung von Annahmeverzugslohn zu. Denn der Arbeitnehmer hat für Zeiträume, in denen sich der Arbeitgeber mit der Annahme der Arbeitsleistung in Verzug befindet Anspruch auf Vergütung der infolge des Annahmeverzugs nicht geleisteten Arbeit. Damit ist der Anspruch aus § 615 Satz 1 BGB auf den Vergütungsanspruch gerichtet, den der Arbeitnehmer gehabt hätte, wenn der Arbeitgeber nicht in Annahmeverzug geraten wäre (Henssler, in: MünchKomm, 7. Aufl., § 615 BGB, Rn. 51; Palandt/Weidenkaff, BGB, 76. Aufl., § 615 Rn. 3). Da der Kläger über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten seine Arbeitsleistung nicht in der erforderlichen Art und Weise, nämlich gemäß § 294 BGB durch ein tatsächlich angeboten hat, kann nicht unterstellt werden, dass ein – zugunsten des Klägers unterstellter – Annahmeverzug des Arbeitgebers für die Nichtleistung der Arbeit durch den Kläger ursächlich gewesen ist. Vielmehr muss – da gegenteilige Anhaltspunkte nicht ersichtlich sind – angenommen werden, dass der Kläger auch ohne das Schreiben des Beklagten vom 05.04.2016 seiner Arbeitsleistung nicht erbracht hätte. Daher hätte er auch ohne dieses Schreiben keine Dienste geleistet und keinen Vergütungsanspruch erworben.
Anmerkung: Die Entscheidung ist interessant. In der Praxis kommen derartige Fallkonstellationen häufiger vor als man denkt. Der klassische Fall hierzu ist der, dass der Arbeitnehmer einen Tag unentschuldigt fehlt und sich dann am nächsten Tag arbeitsunfähig krank schreiben lässt (hier besteht schon mangels Leistungsunwilligkeit kein Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall mehr, was fast immer von Arbeitgeberseite übersehen wird).
Wenn dann das Arbeitsverhältnis durch den Arbeitgeber gekündigt wird, reicht es – so die obigen Entscheidung unter Verweis auf das BAG – nicht mehr aus mittels Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung vorzugehen, wenn der Arbeitnehmer später auch Annahmeverzugslohn (also Lohn aber Ende der Kündigungsfrist bis zur Entscheidung) haben möchte. Er müsste seine Arbeitskraft also nach Genesung nochmals tatsächlich beim Arbeitgeber anbieten.
Dies wird fast nie gemacht, da (oft) beide Seiten davon ausgehen, dass es ausreichend ist, wenn ein wörtliches Angebot des Arbeitnehmers vorliegt, welches man in der Kündigungsschutzklage sieht, da der Arbeitgeber keinen funktionsfähigen Arbeitsplatz zur Verfügung stellen möchte. Ein solches Vorgehen wäre dann für den Arbeitnehmer risikobehaftet. Er sollte dann sicherheitshalber seine Arbeitskraft nochmals tatsächlich anbieten; auch wenn Arbeitnehmer diesen Ratschlag nicht gern hören möchten.
Rechtsanwalt Andreas Martin
Fachanwalt für Arbeitsrecht – Berlin Marzahn Hellersdorf
Fristlose Kündigung wegen Änderung des Xing-Profils unwirksam.
Der Kläger, ein Arbeitnehmer, der in einer Steuerkanzlei tätig war, vereinbarte mit seiner Arbeitgeberin, der Beklagten, die Aufhebung seines Arbeitsverhältnisses. Es wurde am 30.09.2015 ein Aufhebungsvertrag zum 31.03.2016 geschlossen.
Im Arbeitsvertrag wurde geregelt:
„Bis zum Beendigungstermin bleibt der Arbeitnehmer an das arbeitsvertragliche Wettbewerbsverbot gebunden. In diesem Zeitraum ist jegliche Tätigkeit für ein Wettbewerbsunternehmen zum Unternehmen des Arbeitgebers verboten“.
Die beklagte Arbeitgeberin sah am 09.03.2016 das – ausführlichere, für XING-Mitglieder zugängliche – XING-Profil des Klägers. Im Profil des Klägers/ Arbeitnehmers war als aktueller beruflicher Status jedenfalls zum Zeitpunkt 09.03.2016 – also noch vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses – „Freiberufler“ angegeben.
Daraufhin kündigte die Beklagte dem Kläger mit Kündigungsschreiben vom 09.03.2016 das Arbeitsverhältnis außerordentlich mit der Begründung, dass der Kläger durch die Angaben in seinem XING-Profil, insbesondere dem Hinweis auf eine freiberufliche Tätigkeit, gegen das Verbot unzulässiger Konkurrenztätigkeit (Wettbewerbsverbot) verstoßen habe.
Der Kläger erhob gegen die Kündigung die Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht Aachen.
Das Arbeitsgericht Aachen hat mit Urteil vom 07.07.2016 der Klage vollumfänglich stattgegeben. Die Beklagte legte dagegen Berufung zum Landesarbeitsgericht Köln ein und verlor auch dieses Verfahren.
Das Landesarbeitsgericht Köln (Urteil vom 7.2.17, 12 Sa 745/16) führte dazu aus:
Zwar ist ein Verstoß gegen das auch bereits ohne ausdrückliche vertragliche Regelung gemäß § 60 HGB gesetzlich bestehende Verbot, während eines bestehenden Arbeitsverhältnisses eine Konkurrenztätigkeit zu entfalten, „an sich“ geeignet, einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB zu begründen (z. B. BAG, Urteil vom 23.10.2014, 2 AZR 644/13, juris, Rn. 27 ff m.w.N.; BAG, Urteil vom 26.06.2008, 2 AZR 190/07, juris).
…..
Allerdings gilt dieses gesetzliche Wettbewerbsverbot des § 60 HGB nur exakt bis zum Zeitpunkt der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Für den Zeitraum nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses besteht demgegenüber kein gesetzliches Verbot der Konkurrenztätigkeit. Ein solches kann allenfalls vertraglich unter den Voraussetzungen der §§ 74 ff. HGB vereinbart werden……
aa) Hiervon ausgehend stellt die Angabe des beruflichen Status als „Freiberufler“ im XING-Profil noch während des bestehenden Arbeitsverhältnisses ohne Hinzutreten weiterer Umstände noch keine unzulässige Wettbewerbshandlung dar, die einen Verstoß gegen § 60 HGB darstellen würde. Zwar war die Angabe des beruflichen Status des Klägers in dem am 09.03.2016 beklagtenseitig abgerufenen XING-Profil des Klägers unstreitig fehlerhaft. Der Kläger stand zu diesem Zeitpunkt noch in einem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten. Darüber hinaus hatte er sich nach eigenen Angaben zu diesem Zeitpunkt bereits Arbeit suchend für die Zeit ab dem 01.04.2016 gemeldet. Zutreffend wäre insofern der aktuelle berufliche Status „Angestellter“ bzw. „Arbeit suchen“ gewesen. Der berufliche Status „Freiberufler“ war demgegenüber unzutreffend, da der Kläger nach eigenen Angaben zu diesem Zeitpunkt keine freiberufliche Tätigkeit ausgeübt hat.
Allerdings stellt allein diese fehlerhafte Angabe im privaten XING-Profil des Klägers noch keinen Arbeitspflichtenverstoß in Form einer unzulässigen Konkurrenztätigkeit und keinen Verstoß gegen § 60 HGB dar. Eine solche unzulässige Konkurrenztätigkeit hätte man erst dann annehmen können, wenn der Kläger über sein XING-Profil aktiv eine konkurrierende Tätigkeit beworben und insofern gegebenenfalls sogar versucht hätte, Mandate der Beklagten noch während des bestehenden Arbeitsverhältnisses abzuwerben. Ein derartiger Eindruck einer aktiven Abwerbetätigkeit entsteht nach der Verkehrsanschauung eines verständigen Betrachters aus dem unter dem 09.03.2016 abgerufenen XING-Profil des Klägers jedoch nicht. Vielmehr erweckt dieses XING-Profil eher – wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat – beim objektiven verständigen Betrachter den Eindruck, dass der Kläger seinerzeit, jedenfalls bis einschließlich März 2016, als Freiberufler bei der Beklagten beschäftigt sei. Die Tätigkeit für die Beklagte wird unter der Rubrik Berufserfahrung ausdrücklich und zutreffend angegeben als derzeit aktuelle Tätigkeit. Eine selbständige Tätigkeit für andere Auftraggeber ist insofern gerade nicht genannt. Auch verweist das XING-Profil des Klägers weiterhin auf die Website der Beklagten. Insofern wird eher Werbung für die Steuerberatungskanzlei der Beklagten gemacht als für eine eigene freiberufliche Steuerberatungstätigkeit des Klägers, für die kein entsprechender Web-Auftritt verlinkt ist.
Weiter ist zu berücksichtigen, dass eine aktive Werbetätigkeit für eine Konkurrenztätigkeit gegebenenfalls darin hätte gesehen werden können, wenn der Kläger unter der Rubrik „Ich suche“ entsprechende Angaben gemacht hätte, beispielsweise dahingehend, dass er neue Mandate für freiberufliche Steuerberatungen sucht. Derartige Angaben hat der Kläger jedoch vorliegend gerade nicht gemacht.
Anmerkung:
Auch ohne arbeitsvertragliche Regelung besteht im laufenden Arbeitsverhältnis ein Wettbewerbsverbot. Dies gilt sogar während des laufenden Kündigungsschutzverfahrens. Eine Konkurrenztätigkeit sieht das LAG Köln hier mit der Mitteilung über den Status der Berufstätigkeit noch nicht als erfüllt hat; danach liegt eine bloße Vorbereitungshandlung vor. Anders wäre es, wenn der Arbeitnehmer hier aktiv Kunden geworben hätte.
LAG Köln: Arbeitgeber muss bei verspäteter Lohnzahlung € 40 an Schadenersatzpauschale zahlen
Im Jahr 2014 wurde ins BGB der Abs. 5 des § 288 eingefügt. Nach dieser Vorschrift muss ein Gläubiger, der sich mit einer Zahlung in Verzug befindet, neben den normalen Verzugsschaden, auch eine Verzugspauschale in Höhe von € 40,00 zahlen.
§ 288 Abs. 5 BGB – Schadenpauschale
Dort heißt es:
§ 288 Verzugszinsen und sonstiger Verzugsschaden
……
(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.……
Schadenpauschale beträgt bei Verzug € 40,00
Danach muss der Gläubiger bei Verzug mit einer Forderung eine Schadenpauschale in Höhe von € 40,00 an den Schuldner zahlen. Hierüber hatte ich bereits berichtet, wobei immer noch umstritten ist, ob diese Vorschrift auch auf Arbeitsverhältnisse Anwendung findet, denn es gibt hier besondere Regelungen in Punkto Kostentragung.
Rechtsprechung ist nicht einheitlich, BAG hat noch nicht entschieden
Das Landesarbeitsgericht Köln (Urteil vom 22. November 2016, 12 Sa 524/16) hat nun entschieden, dass diese Norm auch auf Arbeitsverhältnisse Anwendung findet und von daher der Arbeitgeber, der verspätet oder gar kein Lohn zahlt diese Pauschale in Höhe von € 40,00 an den Arbeitnehmer zahlen muss.
Landesarbeitsgericht Köln spricht Arbeitnehmer die Schadenpauschale zu
In der Pressemitteilung führte das LAG Köln dazu aus:
Bei der 40-Euro-Pauschale handele es sich um eine Erweiterung der gesetzlichen Regelungen zum Verzugszins, der auch auf Arbeitsentgeltansprüche zu zahlen sei. Auch der Zweck der gesetzlichen Neuregelung – die Erhöhung des Drucks auf den Schuldner, Zahlungen pünktlich und vollständig zu erbringen – spreche für eine Anwendbarkeit zugunsten von Arbeitnehmern, die ihren Lohn unpünktlich oder unvollständig erhalten.
Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen
Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wurde wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage durch das LAG zugelassen.
Rechtsanwalt Andreas Martin
LAG Köln: Verdachtskündigung – nur bei unternommener Sachverhaltsaufklärung
Eine Verdachtskündigung bietet sich für den Arbeitgeber immer dann an, wenn er kein positives Wissen einer gravierenden Arbeitsvertragspflichtverletzung (z.B. eine Straftat) hat, aber ein dringender Tatverdacht besteht.
dringender Tatverdacht erforderlich
An den dringenden Tatverdacht sind hohe Anforderungen zu stellen. Nach dem LAG Köln (Urteil vom 22.10.15 – 7 Sa 431/15) darf bei einer Verdachtskündigung der dringende Tatverdacht nur relativ geringfügig hinter dem Grad der Gewissheit bei der Tatkündigung zurückbleiben. Die Tatbegehung muss auf jeden Fall eine deutlich höhere Wahrscheinlichkeit aufweisen als die Möglichkeit, dass der Arbeitnehmer keiner Vertragspflichtverletzung begangen hat.
Sachverhaltaufklärung erforderlich
Diesbezüglich ist der Arbeitgeber zur Sachverhaltsaufklärung verpflichtet. Denn eine Verdachtskündigung kommt – nach den LAG Köln (Urteil vom 22.10.15 – 7 Sa 431/15) – nur dann in Betracht, wenn der Kündigende alle naheliegenden, ihm möglichen und zumutbaren Anstrengungen unternommen hat, um den Sachverhalt aufzuklären.
Anhörung erforderlich
Darüber hinaus ist zwingende Voraussetzung für eine wirksame Verdachtskündigung des Arbeitgebers, dass dieser den Arbeitnehmer zum Sachverhalt anhört.
Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht
Überstundenklausel im Arbeitsvertrag oft unwirksam – so auch „zwingende nachträgliche schriftliche Bestätigung durch Vorgesetzen“.
Das Landesarbeitsgericht Köln hatte zu entscheiden, ob eine Überstundenklausel im Arbeitsvertrag wirksam vereinbart wurde. Die Klausel sah vor, dass Überstunden nur dann vom Arbeitgeber bezahtl werden, wenn diese ausdrücklich angeordnet waren oder aus betrieblichen Gründen zwingend notwendig sind und nachträglich und unverzüglich durch den Vorgesetzten schriftlich bestätigt wurden. Nur unter diesen Voraussetzungen wollte der Arbeitgeber hier Überstunden des Arbeitnehmers vergüten. Die geleisteten Überstunden wurden nicht direkt vom Arbeitgeber angeordnet, aber nachträglich von einem Vorgesetzen des Arbeitnehmers (der keine Vertretungsmacht hatte) abgezeichnet. Dies wollte der Arbeitgeber nicht gelten lassen.
Der Arbeitnehmer klagte und letztendlich landete der Fall in der Berufungsinstanz vor dem LAG Köln (Urteil vom 11.9.2015 – 4 Sa 425/15 ) welches einen Vergütungsanspruch für die geleisteten Überstunden des Arbeitnehmers bejahte. Das Landesarbeitsgericht Köln führte dazu aus, dass nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG 10.04.2013 – 5 AZR 122/12) Überstunden unter folgenden Voraussetzungen zu vergüten sind:
- die Überstunden sind vom Arbeitgeber veranlasst oder
- die Überstunden sind dem Arbeitgber zumindest zuzurechnen.
Dies ist dann der Fall, wenn die Überstunden
- vom Arbeitgeber angeordnet sind oder
- , vom Arbeitgeber gebilligt sind oder
- diese vom Arbeitgeber geduldet wurden oder
- jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig gewesen sind
Wenn eine der obigen Fälle Nr. 1 bis 4 vorliegt, ergibt sind in der Regel eine Verpflichtung zur Vergütung der Überstunden, so die Rechtsprechung des BAG.
Das LAG Köln führt weiter aus, dass nach dem BAG eine Billigung von Überstunden Folgendes gemeint ist:
„Mit der Billigung von Überstunden ersetzt der Arbeitgeber gleichsam durch eine nachträgliche Genehmigung die fehlende vorherige Anordnung schon geleisteter Überstunden. Die Billigung von Überstunden setzt deshalb voraus, dass der Arbeitgeber zu erkennen gibt, mit der schon erfolgten Leistung bestimmter Überstunden einverstanden zu sein. Das muss nicht ausdrücklich erfolgen und kann insbesondere dann anzunehmen sein, wenn der Arbeitgeber oder ein für ihn handelnder Vorgesetzter des Arbeitnehmers eine bestimmte Anzahl von Stunden abzeichnet und damit sein Einverständnis mit der Überstundenleistung ausdrückt.“
Dies führt dazu, dass ausreichend ist, wenn ein (bzw. irgendein) Vorgesetzter eine bestimmte Anzahl von Stunden abzeichnet. Auf eine rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht kommt es hierbei nicht an.
Die obige Klausel im Arbeitsvertrag ist nach Ansicht des LAG gemäß § 307 Abs. 1 und Abs. 2 Nrn. 1 und 2 BGB unwirksam, denn nach der obigen Klausel mussten die Überstunden aus betrieblichen Gründen zwingend notwendig sein und nachträglich und unverzüglich durch den Vorgesetzten schriftlich bestätigt werden. Dies widerspricht der ständigen Rechtsprechung des BAG, wonach allein schon das Vorliegen von betrieblichen Gründen für den Anspruch auf Überstundenvergütung ausreicht ohne, dass noch weitere Voraussetzungen notwendig sind (wie z.B. die schriftliche Bestätigung).
Anmerkung:
Diese Entscheidung ist sehr interessant, denn es finden sich in vielen Arbeitsverträgen derartige Klauseln. Wenn solche Klauseln unwirksam sind, heißt dies aber noch nicht, dass der Arbeitnehmer jegliche Überstunden erstattet bekommen muss. Es gilt dann weiter die obige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgericht, welche ja bestimmte Voraussetzungen an die Vergütungspflicht von Überstunden stellt.
Arbeitnehmer sollte in der Praxis immer darauf achten, dass sie sich geleistete Überstunden vom Vorgesetzen abzeichnen lassen.
Rechtsanwalt Andreas Martin
LAG Köln: nachträgliche schriftliche Befristung des Arbeitsvertrags
Eine Ärztin war in einer Kinderklinik angestellt. Ihr wurde zu Beginn des Arbeitsverhältnisses mit Schreiben vom 29. Juni 2012 mitgeteilt, dass sie als Oberärztin befristet bis zum 30.9.2014 eingestellt wird. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag wurde nicht geschlossen. Am 2. November 2012 bat die Ärztin per E-Mail um Übersendung eines schriftlichen Arbeitsvertrages. Der Arbeitsvertrag wurde übersandt und am 8. November 2012 unterzeichnet. Der Vertrag enthielt eine Befristung der Ärztin zum 30. September 2014.
Die Arbeitnehmerin/Ärztin erhob Entfristungsklage, nachdem der Arbeitgeber die Befristung nicht verlängerte.
Die Arbeitnehmerin/Ärztin gewann sowohl in der ersten Instanz als auch in der Berufungsinstanz.
Das Landesarbeitsgericht Köln (Urteil vom 5.8.2015 – 3 SAa 420/15) gab der Arbeitnehmerin Recht.
Das Problem für den Arbeitgeber war hier, dass er keinen befristeten Arbeitsvertrag von Anfang an schriftlich schloss. Die Befristung wurde erst später schriftlich vereinbart, dabei ist es unerheblich, dass zuvor mündlich eine Befristung vereinbart wurde. Eine Heilung durch die nachträgliche schriftliche Befristung des ursprünglich unwirksamen befristeten Vertrages war nicht möglich.
In der Praxis kommen derartige Fälle häufig vor. Es gibt zwei Fälle, die sich unterscheiden.
Fall 1: zunächst mündliche Befristung, dann schriftliche Befristung nach Arbeitsbeginn
Wird zuvor mündlich eine Befristung vereinbart und nimmt dann der Arbeitnehmer die Arbeit auf und wird dann nachträglich die Befristung schriftlich fixiert, so ist diese nichtig (§ 14 Abs. 4 TzBfG i.V.m. § 125 BGB). Dies ist der Fall, der vom LAG Köln entschieden wurde.
Fall 2: keine Befristungsabrede, dann schriftliche Befristung nach Arbeitsaufnahme
Ein anderer Fall liegt vor, wenn die Arbeitsvertragsparteien zunächst keine Befristung vereinbaren ( auch nicht mündlich) und der Arbeitnehmer die Arbeit aufnimmt und dann später dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber ein Arbeitsvertrag vorlegt wird, indem eine (schriftliche) Befristung vereinbart ist. Hier ist die Befristung nicht von vornherein nichtig, da der Arbeitnehmer und Arbeitgeber zunächst eine mündlichen Arbeitsvertrag geschlossen haben und später eine schriftliche Vereinbarung einer Befristung.
Zu beachten ist aber, dass diese Befristung nur dann wirksam ist, wenn ein Sachgrund vorliegt. Eine sachgrundlose Befristung ist in dieser Konstellation nicht möglich, denn es bestand ja zuvor bereits ein (mdl) Arbeitsverhältnis, wenn auch nur wenige Tage. Für eine sachgrundlose Befristung ist nämlich Voraussetzung, dass zwischen den Parteien – zumindest in den letzten drei Jahren – kein Arbeitsverhältnis bestanden hat.
Rechtsanwalt Andreas Martin
Lohnfortzahlung im Krankheitsfall – 6 – Wochenfrist und erneute Erkrankung
Nach § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz muss der Arbeitgeber maximal für 6 Wochen während der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers den Lohn fortzahlen.
§ 3 Abs. 1 Satz 1 Entgeltfortzahlungsgesetz lautet:
(1) Wird ein Arbeitnehmer durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert, ohne daß ihn ein Verschulden trifft, so hat er Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitgeber für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen. Wird der Arbeitnehmer infolge derselben Krankheit erneut arbeitsunfähig, so verliert er wegen der erneuten Arbeitsunfähigkeit den Anspruch nach Satz 1 für einen weiteren Zeitraum von höchstens sechs Wochen nicht, wenn
1.
er vor der erneuten Arbeitsunfähigkeit mindestens sechs Monate nicht infolge derselben Krankheit arbeitsunfähig war oder
2.
seit Beginn der ersten Arbeitsunfähigkeit infolge derselben Krankheit eine Frist von zwölf Monaten abgelaufen ist.
Problematisch wird die Angelegenheit nur dann, wenn der Arbeitnehmer nun während oder im Anschluss an die erste Erkrankung erneut (an einer anderen Krankheit) erkrankt. Dann stellt sich die Frage, ob sich die 6-Wochenfrist verlängert und ab der 2. Erkrankung die Frist (6 Wochen) erneut beginnt.
Das LAG Köln (Urteil vom 9.2.2015 – 5 Sa 831/14) hat dies nun nochmals klargestellt:
Erkrankt der Arbeitnehmer und wechselt während des 6-Wochenzeitraumes die Erkrankung, dann beginnt die 6-Wochenfrist nicht von neuen zu laufen (sog. Einheit des Versicherungsfalles). Dies gilt nur dann, wenn der Arbeitnehmer nicht ohne Unterbrechnung arbeitsunfähig erkrankt ist.
Besteht zwischen dem „Wechsel“ der Krankheiten – und sei es nur für wenige Stunden – wieder Arbeitsfähigkeit, löst die neue Erkrankung einen neuen Versicherungsfall und damit eine neue Frist (6-Wochen) aus.
Wenn es keine Unterbrechnung gibt,also ein „nahtloser Wechsel“ , während bestehender Arbeitsunfähigkeit stattfindet, dann löst nur der erste Krankheitsfall die 6-Wochenfrist aus.
RA A. Martin