Freistellung
BSG: Unwiderrufliche Freistellung durch Vergleich und Arbeitslosengeld!
Oft werden in Aufhebungsverträgen oder bei gerichtlichen Vergleich vor den Arbeitsgerichten Regelungen über eine Freistellung des Arbeitnehmers unter Fortzahlung der Bezüge getroffen.
unwiderrufliche Freistellung
Wenn der Arbeitnehmer sicher stellen will, dass er nicht mehr beim Arbeitgeber arbeiten muss, dann bietet sich eine unwiderrufliche Freistellung an.
Ab unwiderruflicher Freistellung = arbeitslos?
Die einvernehmliche unwiderrufliche Freistellung eines Arbeitnehmers konnte nach früherer Rechtsprechung dazu führen, dass dieser ab dem Zeitpunkt der Freistellung ungeachtet des noch fortbestehenden Arbeitsverhältnisses beschäftigungslos im Sinne des SGB III war, das heißt, dass Arbeitslosigkeit und Beendigung eines sozial versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses vorlagen, was erhebliche negative Auswirkungen für den Arbeitnehmer hatte.
Insbesondere bei längeren Freistellung war dies ein Problem.
Freistellung und Arbeitslosengeld – Höhe strittig
Zuletzt war noch strittig, ob der Freistellungszeitraum bei der Berechnung der Höhe des Arbeitslosengeldes zu berücksichtigen war oder nicht.
Unsicherheit bei arbeitsgerichtlichen Vergleich
Diese Problematik führte vor allem bei langen Freistellungen dazu, dass eine Rechtsunsicherheit auf Seiten des Arbeitnehmers bestand. Teilweise konnte man dies umgehen, in dem man den Freistellungszeitraum im Wege eines Tatsachenvergleich als Zeitraum zur Gewährung von Resturlaub oder Freizeitausgleich bezeichnet hat. Dies war aber dann problematisch (und nicht sehr glaubhaft), wenn die Freistellung mehre Monate andauerte.
Urteil des Bundessozialgerichts
Das Bundessozialgericht (Urteil vom 30.08.2018 – B 11 AL 15/17 R) hat dies nun zugunsten der Arbeitnehmer entschieden. Nach dem BSG endet durch die unwiderrufliche Freistellung das Beschäftigungsverhältnis nicht.
Das BSG führt dazu aus:
Der 11. Senat des Bundessozialgerichts hat am Donnerstag, dem 30. August 2018 entschieden (Aktenzeichen B 11 AL 15/17 R), dass die während der Freistellung bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses gezahlte und abgerechnete Vergütung bei der Bemessung des Arbeitslosengeldes als Arbeitsentgelt einzubeziehen ist.
Das Bundessozialgericht hat entschieden, dass der Klägerin Arbeitslosengeld nach einem Bemessungsentgelt von kalendertäglich 181,42 Euro unter Einbeziehung der bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses gezahlten Vergütung zusteht. Dadurch bestand im erweiterten Bemessungsrahmen vom 25. März 2011 bis 24. März 2013 ein Anspruch auf Arbeitsentgelt von mehr als 150 Tagen, sodass die von der Beklagten zugrunde gelegte fiktive Bemessung ausgeschlossen ist. Maßgebend für die Arbeitslosengeld-Bemessung im Sinne des § 150 Absatz 1 Satz 1 SGB III ist der Begriff der Beschäftigung im versicherungsrechtlichen Sinn. Soweit Entscheidungen des Senats ein anderes Begriffsverständnis entnommen werden kann, hält der Senat hieran nicht fest. Auf dieser Grundlage hat das Landessozialgericht zutreffend das Arbeitslosengeld mit kalendertäglich 58,41 Euro berechnet.
Anmerkung:
Durch diese Entscheidung ist nun die Frage, ob das Beschäftigungsverhältnis im sozialversicherungsrechtlichen Sinn (nicht das Arbeitsverhältnis) schon mit dem ersten Tag der unwiderruflichen Freistellung endet, entschieden. Das Beschäftigungsverhältnis dauert auch bei einer unwiderruflichen Freistellung solange, wie das Arbeitsverhältnis, was auch nachvollziehbar und sinnvoll ist. Damit beginnt die Arbeitslosigkeit erst mit Ende des Arbeitsverhältnisses.
Rechtsanwalt Andreas Martin
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Kanzlei Marzahn-Hellersdorf
Beschäftigungsanspruch eines Piloten gegen Air Berlin abgewiesen.
Das Arbeitsgericht Düsseldorf (Beschluss vom 23.11.2017 – 10 Ga 89/17) hat in einem einstweiligen Verfügungsverfahren einen Antrag eines freigestellten Piloten gegen Air Berlin auf Beschäftigung zurückgewiesen und führt dazu in der Pressemitteilung vom 23.11.2017 (Nr. 65/17) aus:
Der am Standort Düsseldorf stationierte Verfügungskläger ist nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der verfügungsbeklagten Air Berlin von dieser zunächst widerruflich freigestellt worden. Die Verfügungsbeklagte hat den Flugbetrieb in Düsseldorf eingestellt, führt aber unter anderem vom Standort Köln aus noch sogenannte „wet lease-Flüge“ für andere Fluggesellschaften durch. Dort möchte der Verfügungskläger eingesetzt werden.
Er ist der Auffassung, dass er im Vergleich zu Piloten mit geringerer Betriebszugehörigkeit vorrangig zu berücksichtigen sei. Er befürchtet den Verlust seiner Typenberechtigung und beruft sich darauf, im Falle der nur widerruflichen Freistellung kein Arbeitslosengeld zu erhalten. In der heutigen Sitzung hat die Verfügungsbeklagte den Kläger nunmehr unwiderruflich freigestellt. Die Beklagte begründet die Freistellung mit der mittlerweile auch in einem Interessenausgleich vom 16.11.2017 dokumentierten Entscheidung, für einen Zeitraum von noch zwei Monaten auf wet lease-Flügen nur Piloten einzusetzen, die am jeweiligen Standort stationiert sind. Hintergrund sei, die Insolvenzmasse durch Vermeidung von Verbringungs-, Reise- und ähnlichen Kosten schonen zu wollen. Daher setze sie für Flüge ab Köln nur in Köln stationierte Piloten ein.
Die Kammer geht davon aus, dass der insolventen Arbeitgeberin ein insolvenzspezifisches Freistellungsrecht zusteht. Dieses hat sie im Rahmen billigen Ermessens wirksam ausgeübt und insoweit auch eine ordnungsgemäße Auswahlentscheidung getroffen. Die betrieblichen Interessen an der reibungslosen Aufrechterhaltung des Flugbetriebes sind bei einer nur noch zweimonatigen Durchführung der wet lease-Flüge höher zu bewerten als die Berücksichtigung der Sozialdaten einzelner Arbeitnehmer. Der Einsatz eines Piloten an einem anderen Flughafen stellt eine Versetzung dar. Der insolventen Arbeitgeberin ist es aber nicht zumutbar, bundesweit Versetzungen vorzunehmen, um den Flugbetrieb mit nur wenigen Flugzeugen für zwei Monate fortzuführen.
Rechtsanwalt Andreas Martin
-Fachanwalt für Arbeitsrecht –
LAG Köln: Der Arbeitgeber darf dem freigestellten Arbeitnehmer nicht die Teilnahme an einem Betriebsausflug verbieten.
Das Arbeitsgericht Köln hatte über folgenden Fall zu entscheiden:
Ein Arbeitnehmer/ Kläger, der langjährig bei seiner Arbeitgeberin tätig war, wurde Ende 2015 bis zum Ende seines Arbeitsverhältnisses (bis Renteneintritt) ab 2016 freigestellt.
Im Jahr 2016 wurde ein Betriebsausflug geplant. Zunächst wurde der Arbeitnehmer/ Kläger dazu eingeladen. Der neue Vorstandsvorsitzende der Arbeitgeberin wollte dies aber nicht und teilte dem Kläger dann mit, dass er an dem Betriebsausflug nicht teilnehmen darf.
Hier gegen wehrte sich der Kläger und klagte vor dem Arbeitsgericht Köln auf Feststellung, dass er grundsätzlich berechtigt sei allen Betriebsausflügen bis zum Ende seines Arbeitsverhältnisses (bis zur Rente) teilzunehmen.
Das Arbeitsgericht Köln gab dem Arbeitnehmer recht.
Das Arbeitsgericht Köln (Urteil vom 22.06.2017 – Aktenzeichen: 8 Ca 5233/16) führte in seiner Pressemitteilung 17. Juli 2017 (Nr. 8/2017) dazu aus:
Das Arbeitsgericht nahm ein solches Recht zur Teilnahme aufgrund der mündlichen Zusage sowie des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes an. Der Arbeitgeber benötige einen Sachgrund, wenn er einzelne Arbeitnehmer von der Teilnahme an derartigen betrieblichen Veranstaltungen ausschließen wolle. Ein solcher Sachgrund bestehe zum Beispiel, wenn sich der Arbeitnehmer bereits in der Vergangenheit bei derartigen Veranstaltungen störend verhalten hätte, was vorliegend nicht der Fall war. Die einvernehmliche Freistellung reiche dagegen als Sachgrund nicht aus.
Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht
LAG B-W: Einstweilige Verfügung auf Weiterbeschäftigung bei Freistellung durch den Arbeitgeber.
Der Arbeitnehmer/ Verfügungskläger war als Leiter einer Motorenentwicklungsabteilung bei seiner Arbeitgeberin/ der Verfügungsbeklagten (Dieselmotoren 6- und 8-Zylinder) beschäftigt. Im Gegensatz zu einem „normalen“ dort tätigen Produktionsarbeiter, der gleichförmige Arbeit zu leisten hat, war der Arbeitnehmer als Leiter in höherem Maße auf Kenntnis vom aktuellen Geschehen und dem Fortgang der aktuellen Projekte dieser Abteilung, die er leitet, angewiesen.Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil der Arbeitnehmer/ der Verfügungskläger sich diese Kenntnisse nicht ohne Weiteres selbst außerhalb einer Tätigkeit im Betrieb verschaffen konnte.
Der Arbeitnehmer/ Verfügungskläger wurde von der Arbeitgeberin / Verfügungsbeklagten Ende 2015 einseitig unter Fortzahlung seiner vertragsgemäßen Vergütung freigestellt.
Ein Einverständnis des Verfügungsklägers mit seiner Freistellung bestand nicht. Er bestätigte nur den Erhalt der Freistellungserklärung (auf dieser) des Arbeitgebers.
Der Arbeitnehmer/ Verfügungskläger reichte einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Weiterbeschäftigung beim Arbeitsgericht ein und verlor vor dem Arbeitsgericht.
Die Berufung zum Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg (Urteil vom 16.2.2017, 21 SaGa 1/16) hatte keinen Erfolg.
Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg führte dazu aus:
Der zulässige Antrag des Verfügungsklägers ist nicht begründet.
…
Die Klage ist nicht begründet. Es besteht kein Verfügungsanspruch des Verfügungsklägers für den zur Entscheidung gestellten Klagantrag.
…
Gem. den §§ 64 Abs. 7, 62 Abs. 2 Satz 1 ArbGG, 935, 936, 937, 940 iVm. den §§ 916, 917, 918 ZPO bedarf ein im einstweiligen Verfügungsverfahren geltend gemachter materiell-rechtlicher Anspruch sowohl eines Verfügungsanspruchs als auch eines Verfügungsgrundes.Nach wohl überwiegender, jedenfalls aber zutreffender Auffassung genügt weder das unzweifelhafte Bestehen eines Beschäftigungsanspruchs noch der auf Grund Zeitablaufs drohende Rechtsverlust des Beschäftigungsanspruchs für das Vorliegen eines Verfügungsgrundes. Wird eine auf Beschäftigung gerichtete einstweilige Verfügung erlassen, wird für jeden Tag der Beschäftigung der materiell-rechtliche Anspruch bereits erfüllt. Die begehrte einstweilige Verfügung, die nach § 940 ZPO lediglich der vorläufigen Sicherung zum Zwecke der Regelung eines einstweiligen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis dienen soll, nimmt für die Zeit dieser einstweiligen Regelung die Hauptsache bereits vorweg. An den Erlass einer Leistungsverfügung sind daher strenge Anforderungen zu stellen. So muss der Verfügungskläger auf die Erfüllung seines Anspruchs dringend angewiesen sein, dass die geschuldete Handlung so kurzfristig erbracht wird, dass die Erwirkung eines Titels im ordentlichen Verfahren nicht möglich ist und der dem Antragsteller aus der Nichterfüllung der geschuldeten Handlung drohende Schaden muss außer Verhältnis zum Schaden stehen, der dem Verfügungsbeklagten aus der sofortigen vorläufigen Erfüllung des streitigen Rechtsverhältnisses bzw. des streitigen Anspruchs droht. Daraus ergibt sich, dass der sukzessive Untergang des Beschäftigungsanspruchs durch Zeitablauf für den Verfügungsgrund allein nicht ausreicht. Hinzu kommen müssen vielmehr weitere Umstände, die zu der Erkenntnis führen, dass der Verfügungskläger auf den Erlass einer auf Beschäftigung gerichteten einstweiligen Verfügung bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren dringend angewiesen ist. Auf Grund des Gebots der Ausgewogenheit des einstweiligen Rechtsschutzes ist daher zu prüfen, ob das Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers der Sicherung durch eine einstweilige Verfügung bedarf. Dies setzt ein deutlich gesteigertes Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers voraus (LAG Berlin-Brandenburg – 4 SaGa 2600/11 – in NJW-RR 2011, 551).
Bei Anwendung dieser Grundsätze, denen sich die erkennende Kammer anschließt, auf den vorliegenden Rechtsstreit ergibt sich, dass dem Verfügungskläger ein Verfügungsgrund für den von ihm streitgegenständlich geltend gemachten Anspruch nicht zur Seite steht.
….
Richtig ist auch, dass der Verfügungskläger als Leiter einer Motorenentwicklungsabteilung der Verfügungsbeklagten (Dieselmotoren 6- und 8-Zylinder) – im Gegensatz zu einem Arbeitnehmer, der gleichförmige Arbeit zu leisten hat – offensichtlich in höherem Maße auf Kenntnis vom aktuellen Geschehen und dem Fortgang der aktuellen Projekte dieser Abteilung, die er leitet, angewiesen ist, um seinen Aufgaben gerade als Leiter auch künftig gerecht werden zu können. Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil der Verfügungskläger sich diese Kenntnisse nicht ohne Weiteres selbst außerhalb einer Tätigkeit im Betrieb verschaffen bzw. diese erhalten kann. Es geht gerade um die Entwicklung/Optimierung von Produkten, die die Verfügungsbeklagte selbst herstellt/verwendet, also gerade nicht (nur) um das Sammeln/Erlernen von Kenntnissen, die bereits vorhanden und im Eigenstudium über andere allgemein zugängliche Informationsquellen abrufbar sind.
Hingegen ist für die erkennende Kammer nicht erkennbar, dass der Verfügungskläger, beginnend ab dem Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung bis zum Termin, an dem die Hauptsache zum vorliegenden Streitgegenstand (vom Kläger eingeleitet mit Klage vom 02.08.2016 vor dem Arbeitsgericht Heilbronn mit dem Aktenzeichen 5 Ca 219/16) vor dem Arbeitsgericht verhandelt wird, das ist der 21.02.2017, noch darauf angewiesen ist, bis dahin beschäftigt zu werden. Zunächst ist dieser Zeitraum isoliert betrachtet tatsächlich nicht geeignet, den Verlust von Fertigkeiten/Kenntnissen des Verfügungsklägers annehmen zu können, der ihm ein weiteres Tätigsein für die Verfügungsbeklagte in hohem Maße erschweren würde. Dieser Zeitraum beträgt weniger als eine Woche. Arbeitsunterbrechungen in diesem Umfang ergeben sich schon ohne Weiteres im Rahmen der Nahme von Erholungsurlaub im laufenden Arbeitsverhältnis. Nur im Zusammenhang mit dem vom Verfügungskläger bisher bereits „Versäumten“ kann dieser Zeitraum von knapp einer Woche dazu führen, dass seine Weiterbeschäftigung dringend erforderlich sein könnte, um ihm die Fertigkeiten als Leiter einer Entwicklungsabteilung notwendig zu erhalten. Davon ist die erkennende Kammer hingegen nicht überzeugt (§ 286 ZPO). Es ist für die erkennende Kammer weder offensichtlich noch vom Verfügungskläger konkret vorgetragen, dass diese Woche des Zuwartens bis zur mündlichen Verhandlung im Hauptsacheverfahren in Verbindung mit der ihm entgangenen Teilhabe an der seit Ende November 2015 fortgeschrittenen Entwicklung in einem Maße beeinträchtigt, das ihm ein Abwarten des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung im Hauptsacheverfahren am 21.02.2017 nicht mehr zumutbar macht, etwa weil er damit Erfindungen oder Entwicklungen versäumt, die er gar nicht mehr oder nur unter ganz erschwerten Umständen aufholen kann. Insoweit ist vielmehr davon auszugehen, dass der Verfügungskläger dies als lebens- und berufserfahrener Akademiker, mit bisher offensichtlich großem beruflichen Erfolg, im Hinblick auf den am 21.02.2017 stattfindenden Kammertermin über die Hauptsache (noch) schultern kann. Diese Betrachtungsweise ist der Art des geltend gemachten Anspruchs, der die Hauptsache vorweg nimmt und nicht nur bloß sichert (siehe oben), vom Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung aus gesehen geschuldet.
Anmerkung:
Derartige Beschäftigungsansprüche sind schwer mittels einsteiliger Verfügung durchzusetzen. Die einstweilige Verfügung darf nämlich im Normalfall nicht gleich den geltend gemachten Anspruch auf Weiterbeschäftigung durchsetzen.
Interessant ist auch noch ein anderer Aspekt des Falles. Der Arbeitnehmer hatte nämlich auf der Freistellungsbescheinigung unter dem Punkt „erhalten“ unterschrieben. Die Arbeitgeberin trug im Prozess vor, dass damit bereits der Arbeitnehmer der Freistellung zugestimmt hätte. Das LAG fand hierfür deutliche Worte und führte dazu aus:
Daraus den Schluss zu ziehen, dass der Verfügungskläger mit seiner Freistellung von der Arbeit einverstanden gewesen sei ist völlig abwegig und bringt allein den untauglichen Versuch der Verfügungsbeklagten zum Ausdruck, in das in ihrem Schreiben vom 25.11.2015 erwähnte Gespräch mit dem Kläger das hineinzuinterpretieren, was ihren Interessen entspricht und was sich aus ihrem tatsächlichen Vortrag über den konkreten Inhalt dieses Gespräch gerade nicht ergibt.
Schön formuliert.
Rechtsanwalt Andreas Martin- Fachanwalt für Arbeitsrecht
Ausgleich von Überstunden bei Krankheit während der Freistellung ?
Nicht selten stellt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nach einer ordentlichen Kündigung bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist frei. Dabei erfolgt die Freistellung in der Regel unter Anrechnungen von Überstunden und Urlaubsansprüchen.
Erkrankung im Freistellungszeitraum
Problematisch wird dies aber dann, wenn der Arbeitnehmer während des Freistellungszeitraumes erkrankt. Es stellt sich dann die Frage, ob die Überstunden evtl. doch nicht im Freistellungszeitraum genommen (also Freizeitausgleich) wurden, denn der Arbeitnehmer konnte ja aufgrund seiner Erkrankung die Überstunden nicht „abbummeln“.
Entscheidung des LAG Rheinland-Pfalz
Das LAG Rheinland-Pfalz (19.11.15, 5 Sa 342/15) geht aber davon aus, dass die Überstunden trotz der Krankheit genommen wurden und führt dazu aus, dass der Anspruch auf Arbeitszeitausgleich durch die Freistellung erfüllt wurde; auch wenn der Arbeitnehmer im Freistellungszeitraum erkrankt war.
Erkrankung im Freistellungszeitraum unerheblich für Überstunden
Der Arbeitnehmer kann im Freistellungszeitraum frei über seine Arbeitskraft verfügen, ohne dass die Pflicht des Arbeitgebers zur Zahlung der entsprechenden Vergütung entfällt. Von daher macht eine nachträglich eintretende krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit im Freistellungszeitraum die Erfüllung des Ausgleichsanspruchs nicht hinfällig. Der Arbeitnehmer trägt nämlich das Risiko, die durch Arbeitsbefreiung als Arbeitszeitausgleich gewonnene Freizeit auch tatsächlich nach seinen Vorstellungen nutzen zu können. Entgegen der Ansicht des Arbeitnehmers im vorstehenden Prozess sei der Arbeitgeber nicht verpflichtet, die durch Krankheit „verlorenen“ Überstunden nachzugewähren.
Sachverhalt – Arbeitnehmer sollte 66 Überstunden abbummeln
Der Entscheidung lag der Sachverhalt zu Grunde, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis kündigte und diesen unter Anrechnung des restlichen Urlaubs sowie der gesammelter Überstunden – dies waren hier 66 Stunden – freistellte. Im Laufe der Kündigungsfrist wurde der Arbeitnehmer arbeitsunfähig krank und zeigte dies dem Arbeitgeber an. Nach Ablauf der Kündigungsfrist zog der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die 66 Überstunden ab. Der Arbeitnehmer – es bestand ein Arbeitszeitkonto – verlangte nun die Gutschrift dieser Überstunden.
Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz entschied, dass der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Gutschrift / Auszahlung der 66 Überstunden hatte. Diese waren im Freistellungszeitraum gewährt worden, trotz der Erkrankung des Arbeitnehmers.
Rechtsanwalt Andreas Martin
LAG Hamm: Freistellungsklausel beim Chefarzt wirksam!
Im Arbeitsvertrag einer leitenden Chefärztin für Neurologie (€ 465.000 Jahreseinkommen) war geregelt, dass der Arbeitgeber das Recht auf (bezahlte) Freistellung der Ärztin für den Zeitraum vom Ausspruch der Kündigung für die Dauer der Kündigungsfrist hat.
Ende November 2014 kündigte der Arbeitgeber dann der Chefärztin das Arbeitsverhältnis mit ordentlicher Frist zum 30.6.2015. Der Arbeitgeber stellte die Arbeitnehmerin ab dem Zeitpunkt der ordentlichen Kündigung bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter Fortzahlung der Bezüge und Anrechnung etwaiger Urlaubsansprüche frei.
Die Arbeitnehmerin / Chefärztin erhob fristgerecht Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht. Darüber hinaus stellte die Arbeitnehmerin einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, mit dem sie die Weiterbeschäftigung beim Arbeitgeber bis zum Ablauf der Kündigungsfrist von diesem verlangte.
Das Arbeitsgericht Bielefeld gab der Chefärztin/Arbeitnehmerin in Bezug auf die einstweilige Verfügung Recht. Das Berufungsgericht, nämlich das Landesarbeitsgericht Hamm, hob das Urteil der ersten Instanz auf.
Das Landesarbeitsgericht Hamm (Urteil vom 13. Februar 2015, 18 SaGA 1/15) ging davon aus, dass die Freistellungsklausel im Chefarztvertrag zulässig sei. Dies deshalb, deine solche Klauseln in einen Chefarztvertrag nicht überraschend sei und darüber hinaus auf Seiten des Arbeitgebers auch ein berechtigtes Interesse an einer Freistellung eines Chefarztes in der Regel vorliegt. So auch hier.
Ein besonderes Freistellungsinteresse als Voraussetzung für eine Freistellung im Falle einer Kündigung sah das Landesarbeitsgericht Hamm hier nicht als Voraussetzung an. aber nach der Ansicht des LAG lag dieses auch vor. Gerade bei Chefärzten in Führungspositionen vermeidet eine Freistellungsklausel „ Interessenkollisionen und Loyalitätskonflikte“, so das Landesarbeitsgericht.
Rechtsanwalt Andreas Martin
Familienpflegezeit kommt ab 1.1.2015 – was ist neu?
Ab dem 1. Januar 2015 treten die Neuerungen über die Familienpflegezeit in Kraft. Neu ist hier die Finanzierung der „Auszeit“ für den Arbeitnehmer entweder durch Lohnersatzleistungen durch die Pflegekassen oder durch die Möglichkeit der Aufnahme eines zinslosen Darlehens.
Das Ziel des Gesetzes ergibt aus § 1 des FPfZG
Durch die Einführung der Familienpflegezeit werden die Möglichkeiten zur Vereinbarkeit von Beruf und familiärer Pflege verbessert.
Das Gesetz stellt dem Arbeitnehmer dazu 3 Mittel zur Verfügung:
- das Pflegeunterstützungsgeld (bei Kurzzeitpflege)
die Pflegezeit sowie (bei Pflege bis 6 Monate)
die Familienpflegezeit (bei bis zu 2 Jahren Pflege)
das Pflegeunterstützungsgeld
Unabhängig von der Größe des Betriebes und der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer gilt:
Der Arbeitnehmer, der Zeit für die Organisation einer
akuten Pflegesituation eines Angehörigen benötigt, kann bis zu zehn Arbeitstage ohne Ankündigungsfrist der Arbeit fernbleiben.
Neu ist nun, dass ab dem 1.1.2015 für diese Zeit eine Lohnersatzleistung – das Pflegeunterstützungsgeld – vorgesehen ist.
Die Kosten (Pflegeunterstütungsgeld) werden von der Pflegeversicherung des zu pflegenden nahen Angehörigen / oder der Pflegekasse übernommen.
die Pflegezeit
In Betrieben mit regelmäßig mehr als 15 Arbeitnehmern (Schwellenwert) kann die sog. Pflegezeit in Anspruch genommen werden.
In diesen Betrieben haben dann Arbeitnehmer einen Anspruch darauf, bis zu sechs Monate teilweise oder ganz von der Arbeit freigestellt zu werden, wenn sie einen pflegebedürftigen nahen Angehörigen in häuslicher Umgebung pflegen.
Nach wie vor haben Beschäftigte die Möglichkeit, bis zu sechs Monate ganz oder teilweise aus dem Beruf auszusteigen, um einen pflegebedürftigen nahen Angehörigen in häuslicher Umgebung zu pflegen.
Neu ist ab dem 1.1.2015 die Möglichkeit für den Arbeitnehmer, für diese Zeit ein zinsloses Darlehen beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben zu beantragen, um die Einkommensverluste in dieser Zeit abzufedern.
Ob davon in der Praxis Gebrauch gemacht wird, bleibt abzuwarten.
Familienpflegezeit
In Betrieben mit regelmäßig mehr als 15 Arbeitnehmern (Schwellenwert) kann die sog. Familienpflegezeit in Anspruch genommen werden.
Zur Pflege von nahen Angehörigen in häuslicher Umgebung haben Arbeitnehmer (in den obigen Betrieben) einen Anspruch auf Reduzierung der Arbeitszeit auf bis zu 15 Stunden pro Woche für bis zu 24 Monate.
Zur Finanzierung besteht die Möglichkeit der Inanspruchnahme eines zinslosen Darlehens.Auch hier kann das Darlehen beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben beantragt werden.
RA A. Martin
LAG R-P: Arbeitgeber muss Freistellung mit Urlaubsgewährung nachweisen
Häufig stellt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nach einer ordentlichen Kündigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist von der Arbeitsleistung (bezahlt) frei. Dies ist in der Praxis üblich. Die Freistellung allein führt aber noch nicht zur Gewährung von Urlaub und Überstunden während des Freistellungszeitraumes, auch wenn der Arbeitgeber dies meint. Entscheidend ist, dass der Arbeitgeber dies (in der Freistellungserklärung) ausdrücklich erklärt (siehe dazu „Resturlaub bei Kündigung„).
Freistellung des Arbeitnehmers unter Anrechnung von Urlaubsansprüchen
Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (Urteil vom 6.5.14 – 7 Sa 540/13) hat nun entschieden, dass der Arbeitgeber, sofern er sich auf die Erfüllung seiner urlaubsrechtliche Freistellungsverpflichtung beruft, im Einzelnen darlegen und ggfs. beweisen muss, dass er gegenüber dem Arbeitnehmer die entsprechende Freistellungsverpflichtung abgegeben hat und diese Erklärung dem Arbeitnehmer zugegangen ist.
BAG: Freistellung durch Arbeitgeber nach Kündigung unter Anrechnung von Resturlaubsansprüchen
Häufig erklärt der Arbeitgeber nach einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses, dass der Arbeitnehmer „… unter Anrechnung von bestehenden Resturlaub bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses freigestellt …“ sei.
unwiderruflicher Freistellung unter Gewährung von Resturlaub
Ein Arbeitnehmer fand – wie oben nach unwiderruflicher Freistellung – dass durch die Erklärung des Arbeitgebers der Resturlaub eben nicht wirksam gewährt wurde, da der Arbeitgeber es offen gelassen hat, wann genau der Urlaub gewährt wird (an welchen konkreten Tagen innerhalb des Freistellungszeitraumes). Der Arbeitnehmer erhob später Zahlungsklage auf Abgeltung des Resturlaubsanspruches.
Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts
Das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 16.7.2013, 9 AZR 50/12) hielt die Revision des Arbeitnehmers für unbegründet und führt dazu aus:
Mit der unwiderruflichen Freistellung des Klägers seit dem 1. Juli 2009 erfüllte die Beklagte den Anspruch des Klägers auf Gewährung des streitgegenständlichen Resturlaubs.
a) Die Erfüllung eines Anspruchs auf Erholungsurlaub setzt voraus, dass der Arbeitnehmer im Voraus durch eine unwiderrufliche Freistellungserklärung des Arbeitgebers zu Erholungszwecken von seiner sonst bestehenden Arbeitspflicht befreit wird (BAG 19. Januar 2010 – 9 AZR 246/09 – Rn. 27).
Diese Voraussetzungen erfüllte die Freistellungserklärung der Beklagten mit Schreiben vom 30. Juni 2009. Danach stellte sie den Kläger ab dem 1. Juli 2009 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses unwiderruflich von der Pflicht zur Arbeitsleistung frei. Noch bestehende Resturlaubsansprüche sollten in dieser Zeit in Natur eingebracht werden.
b) Der Erfüllungswirkung steht nicht entgegen, dass die Freistellungserklärung nicht erkennen lässt, an welchen Tagen die Beklagte den Kläger zum Zwecke der Gewährung von Erholungsurlaub und an welchen Tagen sie ihn zu anderen Zwecken freistellte.
aa) Einer nicht näher bestimmten Urlaubsfestlegung kann der Arbeitnehmer regelmäßig entnehmen, dass der Arbeitgeber es ihm überlässt, die zeitliche Lage seines Urlaubs innerhalb des Freistellungszeitraums festzulegen (BAG 19. März 2002 – 9 AZR 16/01 – zu II 2 b bb (2) der Gründe).
Eine zeitliche Festlegung des – im Voraus erteilten – Urlaubszeitraums ist deshalb regelmäßig nicht notwendig. Dieses Recht des Klägers zur Festlegung des Urlaubszeitraums lässt sich der Freistellungserklärung der Beklagten entnehmen. Danach sollten noch bestehende Resturlaubsansprüche vom Kläger im Freistellungszeitraum in Natur eingebracht werden. Der Kläger rügt zu Unrecht, er habe mit dem Urlaubsantrag vom 12. Mai 2009, mit der Urlaubsaufstellung vom 30. Juni 2009 sowie mit Schreiben vom 1. Juli 2009 seine restlichen Urlaubsansprüche unter „Beantragung der Urlaubstermine“ geltend gemacht. Er trägt hierzu nicht vor, dass er damit abweichende Urlaubswünsche im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 geäußert habe. Dies wäre auch logisch nicht denkbar, weil ohnehin nur der Freistellungszeitraum vom 1. Juli 2009 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses für die Urlaubsgewährung in Betracht kam.
bb) Vorliegend war auch nicht ausnahmsweise eine zeitliche Festlegung des Urlaubszeitraums notwendig.
1) Der Arbeitnehmer kann, insbesondere aus wirtschaftlichen Gründen, ein berechtigtes Interesse an einer solchen zeitlichen Festlegung haben. So hat er ein wirtschaftliches Interesse daran, sein Verhalten während des Freistellungszeitraums daran zu orientieren, ob ein etwaiger Zwischenverdienst der Anrechnung unterliegt oder nicht. Deshalb obliegt es dem Arbeitgeber in solchen Fällen, entweder den anrechnungsfreien Urlaubszeitraum konkret zu benennen, die Reihenfolge der Zeiträume zweifelsfrei festzulegen oder dem Arbeitnehmer auf andere Weise mitzuteilen, ob und innerhalb welcher Zeiträume die Anrechnungsvorschrift des § 615 Satz 2 BGB nicht zur Anwendung kommt.
(2) Solche berechtigten Interessen des Klägers sind hier nicht ersichtlich. Insbesondere verzichtete die Beklagte durch die Freistellungserklärung darauf, einen etwaigen anderweitigen Verdienst des Klägers im gesamten Freistellungszeitraum mit Ausnahme des Urlaubszeitraums anzurechnen. Ein Vorbehalt, anderweitiger Verdienst werde angerechnet, ergibt sich aus der Erklärung vom 30. Juni 2009 nicht. Aus ihr folgt vielmehr, dass die Beklagte den Kläger von der Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung unter Fortzahlung der Vergütung entbinden wollte (vgl. BAG 19. März 2002 – 9 AZR 16/01 – zu II 2 d der Gründe).(3) Entgegen der Auffassung des Klägers kommt es nicht darauf an, ob die Beklagte ihn von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freistellen durfte. Eine rechtswidrige Freistellung hätte lediglich zur Folge gehabt, dass der Kläger weiterhin einen Beschäftigungsanspruch hätte geltend machen können. Annahmeverzugsansprüche des Klägers wären nicht entstanden. Denn die Beklagte brachte mit der Freistellung zum Ausdruck, dass sie auch ohne Arbeitsleistung die Vergütungsansprüche des Klägers erfüllen werde.
Das BAG bestätigt hiermit also, dass in der Praxis übliche vorgehen. Wichtig ist aber, dass das BAG aber bereits schon einmal entschieden, dass wenn alter Jahresurlaub und neuer innerhalb der Freistellungserklärung genommen werden sollen, dies klar bestimmt sein muss. Problematisch könnte aber – im obigen Fall – sein, wenn der Arbeitnehmer für einige Tage im Freistellungszeitraum erkrankt. Dann ist eben nicht klar, ob er im Zeitraum „Freistellungszeitraum“ oder im „Urlaubsgewährungszeitraum“ arbeitsunfähig war und ob damit diese Tage (sofern dies nicht mehr möglich ist) abzugelten sind.
RA A. Martin