EuGH
EuGH und Urlaub – Fall „Dominguez“ – Entscheidung vom 24.01.2012
Die Entscheidung des EuGH zum „Urlaubsfall – Dominguez“ ging am 24.01.2012 durch die Presse als „Grundsatzentscheidung zum Verfall von Urlaub bei Erkrankung“, obwohl der EuGH dies schon früher (EuGH- Entscheidung vom 20.1.2009, C 350/06 – Schultz -Hoff) grundsätzlich entschieden hatte. Bei der hier vorliegenden Entscheidung ging es vor allem darum, ob ein Urlaubsanspruch durch nationales Recht abhängig gemacht werden kann von einer „Mindestbeschäftigungszeit“ pro Jahr, wie hier nach dem französischen Recht, also um die Frage der Entstehung des Urlaubsanspruches z.B. bei Erkrankung des Arbeitnehmers.
der Fall- Dominguez
Frau Dominguez erlitt im Dezember 2005 auf dem Weg von ihrer Wohnung zu ihrem Arbeitsort einen Unfall. Aufgrund dessen war sie vom 3. November 2005 bis 7. Januar 2007 krankgeschrieben. Sie wandte sich an die französischen Gerichte, um für diesen Zeitraum 22,5 Urlaubstage zu erhalten, die ihr Arbeitgeber, das Centre informatique du Centre Ouest Atlantique (CICOA) ihr verwehrt hatte; hilfsweise beantragte sie die Zahlung einer Urlaubsabgeltung von etwa 1 970 Euro. Frau Dominguez macht geltend, dass der Wegeunfall ein Arbeitsunfall gewesen sei, der der Regelung für Arbeitsunfälle unterliege. Der Zeitraum der durch den Wegeunfall bedingten Arbeitsunterbrechung müsse für die Berechnung ihres bezahlten Urlaubs tatsächlicher Arbeitszeit gleichgesetzt werden. Da dem Begehren von Frau Dominguez nicht stattgegeben wurde, erhob sie Kassationsbeschwerde.
Die Cour de cassation (Frankreich) hat dem Gerichtshof die Frage vorgelegt, ob die französische Regelung, nach der ein Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nur entsteht, wenn der Arbeitnehmer mindestens zehn Tage (oder einen Monat vor Februar 2008) beim selben Arbeitgeber im Bezugszeitraum (grundsätzlich ein Jahr) gearbeitet hat, mit der Richtlinie vereinbar ist. Die französische Regelung erkennt Fehlzeiten infolge eines Arbeitsunfalls als effektive Arbeitszeiten an, ohne in diesem Zusammenhang den Wegeunfall zu erwähnen.
die Entscheidung des EuGH
Im Urteil vom heutigen Tage antwortet der Gerichtshof erstens, dass die Richtlinie dahin auszulegen ist, dass sie einer nationalen Bestimmung entgegensteht, nach der der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub von einer effektiven Mindestarbeitszeit von zehn Tagen (oder einem Monat) während des Bezugszeitraums abhängt.
……..
Zweitens hat der Gerichtshof ausgeführt, dass die nationalen Gerichte bei der Anwendung des nationalen Rechts dieses soweit wie möglich anhand des Wortlautes und des Zwecks der Richtlinie auslegen müssen. Um die volle Wirksamkeit der Richtlinie zu gewährleisten, wird das nationale Gericht zu prüfen haben, ob es das innerstaatliche Recht in einer Weise auslegen kann, die es erlaubt, die Fehlzeiten des Arbeitnehmers aufgrund eines Wegeunfalls Fehlzeiten aufgrund eines Arbeitsunfalls gleichzustellen. Nach der Richtlinie darf das Recht eines Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub nicht beeinträchtigt werden, gleich, ob er während des Bezugszeitraums infolge eines Unfalls am Arbeitsplatz oder anderswo oder aber infolge einer Krankheit, welcher Art oder welchen Ursprungs auch immer, krankgeschrieben ist.
Rechtsanwalt A. Martin
Der EuGH und die Putzfrau – Altersbeschränkung im Tarifvertrag ist rechtmäßig!
der EuGH und die Putzfrau – Altersbeschränkung im Tarifvertrag zulässig
Der EuGH hatte sich am Dienstag (13.10.2010) sich mit der Frage der Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen von Arbeitnehmern in Tarifverträgen beschäftigt.
Putzfrau klagte
Eine Putzfrau aus Hamburg klagte, der mit dem Erreichen des 65. Lebensjahres vom Arbeitgeber mitgeteilt wurde, dass damit ihr Arbeitsverhältnis automatisch nach dem hier Anwendung findende Tarifvertrag mit dem Erreichen dieser Altersgrenze endete. Der auf das Arbeitsverhältnis anzuwendende Tarifvertrag sah diese Beendigung zum 65. Lebensjahr vor. Die Putzfrau, die aus wirtschaftlichen Gründen zu den alten Bedingungen gerne weitergearbeitet hätte, wehrte sich gegen die Beendigung und erhob Klage vor dem Hamburger Arbeitsgericht. Sie sah darin eine unzulässige Altersdiskriminierung. Das Arbeitsgericht Hamburg legte dem EuGH den Fall zur Entscheidung (Vorabentscheidung) vor.
Verstoß gegen Richtlinie 2000/78 / EG
Das Arbeitsgericht Hamburg wollte vom EuGH wissen, ob diese Regelung im Tarifvertrag gegen die Richtlinie 2000/78/EG verstoßen würde. Dort ist die Altersdiskriminierung innerhalb der EU geregelt (Richtlinien müssen von den Mitgliedsstaaten umgesetzt werden).
Entscheidung des EuGH – Ungleichbehandlung ja/ unzulässige Diskriminierung nein
Der EuGH stellte klar, dass eine Ungleichbehandlung der Arbeitnehmerin gegenüber jüngeren Arbeitnehmerinnen vorlag und prüfte dann in einem weiteren Schritt, ob diese Ungleichbehandlung gerechtfertigt sei.
Dazu führte der EuGH aus:
Der EuGH sah damit die Regelung im Tarifvertrag als zulässig an. Obwohl er nicht über den Fall einer entsprechenden Regelung im Arbeitsvertrag entschieden hat, spricht nach der Begründung des Urteils viel dafür, dass dies dann auch für entsprechende Regelungen in Arbeitsverträgen gilt, denn auf ein Großteil der Arbeitsverhältnisse finden keine Tarifverträge Anwendung.
In der Presse wurde zum Urteil häufig von einer Kündigung seitens des Arbeitgebers geschrieben, was falsch ist. Das Arbeitsverhältnis endete in diesem Fall nicht durch eine Kündigung, sondern durch das Erreichen der Altersgrenze.
RA A. Martin – Arbeitsrecht Berlin