Corona-Virus
Unpfändbarkeit der Corona-Prämie

Corona-Zulage und das Problem der Pfändung beim Arbeitnehmer
Die sog. Corona-Prämie wurde eingeführt mit dem Corona-Steuerhilfegesetz vom 19. Juni 2020. Der Arbeitgeber diese Prämie seinen Arbeitnehmern steuerfrei aufgrund der Erschwernisse in der Corona-Pandemie zukommen lassen. Durch das Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetz wurde diese Regelung der Steuerfreiheit bis zum 31. März 2022 verlängert.
€ 1.500 sind steuerfrei
Der Arbeitgeber konnte im Zeitraum vom 1. März 2020 bis zum 31. März 2022 insgesamt maximal 1.500 Euro steuerfrei an pro Arbeitnehmer auszahlen.
Die Corona-Sonderzahlungen (Prämien) sind nicht auf bestimmte Branchen beschränkt, sondern können branchenunabhängig gewährt werden. Allerdings soll dabei ein Bezug zur Pandemie bestehen.
nur für die Pflegebranche ist die Pfändung verboten
Für die Pflegebranche gilt die Besonderheit, dass dort ein Anspruch auf eine Corona-Prämie bestand und darüber hinaus auch gesetzlich ( § 150a Abs. 8 Satz 4 SGB XI) die Unpfändbarkeit der Prämie angeordnet wurde.
Für alle anderen Branchen gibt es weder einen Rechtsanspruch, noch ein gesetzliche Regelung über die Unpfändbarkeit.
Entscheidung des Bundesarbeitsgericht
Das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 25. August 2022 – 8 AZR 14/22) hat nun entschieden, dass auch außerhalb der Pflegebranche die Corona-Prämie unpfändbar ist.
Pfändungsfreigrenzen beim Arbeitnehmer
Zur Berechnung der pfändbaren Summe beim Arbeitnehmer ist gemäß § 850c Abs. 5 ZPO das Arbeitseinkommen des Arbeitnehmers bei monatlicher Zahlung auf einen durch 10 teilbaren Betrag abzurunden. Der Pfändungsfreibetrag beträgt seit dem 01.07.2022 für den Arbeitnehmer wenigstens 1.330,16 EUR und erhöht sich bei Unterhaltspflichten.
Fall des BAG
Das Bundesarbeitsgericht hatte über folgenden Fall zu entscheiden:
Eine Arbeitnehmerin, die in einer Gaststätte als Küchenhilfe beschäftigt war, bekam im September 2020 neben dem Monatslohn von 1.350,00 Euro brutto und Sonntagszuschlägen in Höhe von 66,80 Euro brutto eine Corona-Prämie von 400,00 Euro.
Über das Vermögen der Arbeitnehmerin war im Jahr 2015 das Insolvenzverfahren eröffnet und eine Insolvenzverwalterin bestellt worden.
Für den Monat September 2020 errechnete die Insolvenzverwalterin aus dem Monatslohn sowie der Corona-Prämie als pfändungsrelevanten Nettoverdienst einen Betrag von 1.440,47 Euro und forderte den Arbeitgeber erfolglos zur Zahlung eines pfändbaren Betrags in Höhe von 182,99 Euro netto auf. Der Arbeitgeber verweigerte die Zahlung, da er davon ausging, dass die Corona-Prämie unpfändbar sein und hier hätte nicht bei der Berechnung berücksichtigt werden dürfen.
Die Insolvenzverwalterin klagte daraufhin gegen den Arbeitgeber auf Zahlung vor den Arbeitsgericht.
Die Insolvenzverwalterin vertrat die Auffassung, dass die vom Arbeitgeber an die Schuldnerin gezahlte Corona-Prämie pfändbar sei und begründet dies damit, dass – anders als im Pflegebereich, wo der Gesetzgeber in § 150a Abs. 8 Satz 4 SGB XI ausdrücklich die Unpfändbarkeit der Corona-Prämie bestimmt habe – es für eine Sonderzahlung außerhalb der Pflegebranche keine Regelung über eine Unpfändbarkeit gäbe.
Die Vorinstanzen hatten die Klage abgewiesen.
BAG – Corona-Zulage auch außerhalb der Pflegebranche unpfändbar
Das Bundesarbeitsgericht gab dem Arbeitgeber ebenfalls Recht und führte dazu in seiner Pressemitteilung 31/22 vom 25.08.2022 folgendes aus:
Die Klägerin hat – wie das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen hat – keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung des von ihr geforderten Betrags. Die Corona-Prämie gehört nach § 850a Nr. 3 ZPO nicht zum pfändbaren Einkommen der Schuldnerin. Der Beklagte wollte mit der Leistung eine bei der Arbeitsleistung der Schuldnerin tatsächlich gegebene Erschwernis kompensieren. Die vom Beklagten gezahlte Corona-Prämie überstieg auch nicht den Rahmen des Üblichen iSv. § 850a Nr. 3 ZPO.
Rechtsanwalt Andreas Martin
Während des Urlaubs in Quarantäne – Nachgewährung?

Wer als Arbeitnehmer während seines Urlaubs krank wird, hat einen Anspruch auf Nachgewährung von Urlaub. Die Frage, die sich stellt, ist die, ob dies auch dann gilt, wenn der Arbeitnehmer während seines bestehenden Erholungsurlaubes in eine sogenannte Corona-Quarantäne gehen musste. Diese ist nicht notwendigerweise mit einer Krankheit/Erkrankung verbunden und von daher rechtlich problematisch.
§ 9 des Bundesurlaubsgesetz und Nachgewährung von Urlaub
In § 9 des Bundesurlaubsgesetzes ist geregelt, dass Urlaub nachzugewähren ist, wenn der Arbeitnehmer während seines Erholungsurlaubs erkrankt. Krankheit und Urlaubsgewährung schließen sich faktisch aus.
§ 9 BUrlG lautet:
Erkrankt ein Arbeitnehmer während des Urlaubs, so werden die durch ärztliches Zeugnis nachgewiesenen Tage der Arbeitsunfähigkeit auf den Jahresurlaub nicht angerechnet.
keine gesetzliche Regelung für Corona-Quarantäne
Eine entsprechende Regelung für eine Quarantäne gibt es nicht. Dies hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass zum damaligen Zeitpunkt der Gesetzgeber an eine solche Begebenheit nicht gedacht hatte oder dies schlichtweg nicht regeln wollte.
Quarantäne und Krankheit
Wichtiges ist auch, dass es hier nicht um den Fall geht, dass ein Arbeitnehmer während seines Urlaubs in Corona-Quarantäne muss und darüber hinaus zum Arzt geht und sich eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung holt. In diesem Fall es unproblematisch der Urlaub nach zu gewähren, da der Arbeitnehmer auch arbeitsunfähig war/erkrankt war. Es greift dann die gesetzliche Regelung des § 9 des Bundesurlaubsgesetz.
Corona-Quarantäne ohne Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
Es geht um den Fall, dass der Arbeitnehmer nur in Corona – Quarantäne aufgrund einer behördlichen Anweisung ist aber keine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung hat. Wie oben bereits ausgeführt, ist dieser Fall gesetzlich nicht geregelt.
Arbeitszeitrichtlinie
Allerdings gibt es eine Richtlinie der Europäischen Union (Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG), wonach bestimmte Urlaubsfragen durch europäisches Recht überlagert werden.
Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts
Das Bundesarbeitsgericht hatte nun über ein Fall zu entschieden, bei welchem der Arbeitnehmer während seines Erholungsurlaubs aufgrund behördlicher Anweisung in Quarantäne gehen musste.
Sachverhalt
Ein Schlosser bekam 8 Tage Erholungsurlaub für die Zeit vom 12. bis zum 21. Oktober 2020. Mit behörldichen Bescheid vom 14. Oktober 2020 ordnete die Stadt Hagen die Absonderung des Klägers in häusliche Quarantäne für die Zeit vom 9. bis zum 21. Oktober 2020 an, weil er zu einer mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 infizierten Person Kontakt hatte. Dem Schlosser war es währnd der Quarantäne untersagt seine Wohnung ohne ausdrückliche Zustimmung des Gesundheitsamts zu verlassen und Besuch von haushaltsfremden Personen zu empfangen. Der Arbeitgeber zahlte das Urlaubsgeld und ging auch für den Zeitraum der Quarantäne von einer Urlaubsgewährung aus. Der Schlosser/ Kläger begehrt nun die Wiedergutschrift der Urlaubstage auf seinem Urlaubskonto und klagte vor den Arbeitsgericht.
Entscheidung des BAG
Das Landesarbeitsgericht hatte der Klage stattgegeben. Das BAG – Beschluss vom 16. August 2022 – 9 AZR 76/22 (A) – konnte die Sache nicht sofort entscheiden und legte die Sache dem EuGH vor und führte dazu in seiner Pressemitteilung vom 16.08.2022 (Nr. 30/22) aus:
Für den Neunten Senat des Bundesarbeitsgerichts ist es entscheidungserheblich, ob es mit Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG und Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union im Einklang steht, wenn vom Arbeitnehmer beantragter und vom Arbeitgeber bewilligter Jahresurlaub, der sich mit einer nach Urlaubsbewilligung durch die zuständige Behörde angeordneten häuslichen Quarantäne zeitlich überschneidet, nach nationalem Recht nicht nachzugewähren ist, weil der betroffene Arbeitnehmer selbst nicht krank war.
Bundesarbeitsgericht – Beschluss vom 16. August 2022 – 9 AZR 76/22 (A)
Eine Entscheidung gibt es derzeit noch nicht.
Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht
Ohne Impfung keine Beschäftigung!

Impflicht in der Pflegebranche
Das Hessische Landesarbeitsgericht (LAG, Urteile vom 11.08.2022, Az. 5 SaGa 728/22 und 7 SaGa 729/22) hat in zwei einstweiligen Rechtsschutzverfahren die Anträge zweier Pfleger zurückgewiesen.
Beschäftigung ohne Impfung im Pflegeheim?
Diese wollten erreichen, dass ihr Arbeitgeber sie ohne Impfung weiter im Pflegeheim beschäftigt. Der Arbeitgeber verweigerte dies mit Verweis auf die Regelungen des Infektionsschutzgesetzes. Nach dem LAG wirke der erforderliche Impfnachweis wie eine berufliche Tätigkeitsvoraussetzung.
einrichtungsbezogene Impfpflicht
Die einrichtungsbezogene Impfpflicht in der Gesundheitsbranche – welche in § 20 a des Infektionsschutzgesetzes geregelt ist – spielt immer noch eine erhebliche Rolle. Mittlerweile müssen alle in der Gesundheitsbranche /Pflegebranche tätigen Personen eine Impfung bzw. Genesung haben und auch gegenüber dem Arbeitgeber auf Aufforderung nachweisen.
§ 20 a des Infektionsschutzgesetzes
In § 20 a Abs. 3 Satz 3 des Infektionsschutzgesetzes ist geregelt:
Eine Person nach Satz 1, die keinen Nachweis nach Absatz 2 Satz 1 vorlegt, darf nicht in den in Absatz 1 Satz 1 genannten Einrichtungen oder Unternehmen beschäftigt werden. Eine Person nach Satz 1, die über keinen Nachweis nach Absatz 2 Satz 1 verfügt oder diesen nicht vorlegt, darf nicht in den in Absatz 1 Satz 1 genannten Einrichtungen oder Unternehmen tätig werden.
Regelungen sind verfassungsgemäß
Die entsprechenden Regelungen im Infektionsschutzgesetz sind wirksam und verfassungsgemäß. Das Bundesverfassungsgericht hatte hier bereits in Bezug auf einem Eilantrag keine verfassungsrechtlichen Bedenken der “einrichtungs- und unternehmensbezogene Nachweispflicht” Bundesverfassungsgericht (BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 10. Februar 2022 – 1 BvR 2649/21) . In einem späteren (Hauptsache-) Verfahren bestätigte das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich die Impflicht in der Gesundheits- und Pflegebranche (Beschluss vom 27. April 2022 – 1 BvR 2649/21).
Entscheidung des Hessischen Landesarbeitsgericht
Hierzu gibt es bereits diverse Entscheidungen einzelner Arbeitsgerichte und Landesarbeitsgerichte.
So hatte sich nun auch das Hessische Landesarbeitsgericht mit zwei einstweiligen Verfügungsverfahren in Bezug auf die Rechtmäßigkeit der Impfpflicht in der Pflegebranche auseinanderzusetzen. Zwei Pfleger, die nicht geimpft waren, hatten darauf geklagt, dass sie im Wege der einstweiligen Verfügung (Eilverfahren) beim Arbeitgeber trotz fehlender Impfung weiter beschäftigt werden.
Impfung erforderlich
Das Arbeitsgericht Gießen wies die Klagen/Anträge ab und daraufhin musste das Landesarbeitsgericht Hessen in diesen beiden Verfahren als zweite Instanz entscheiden.
Das Landesarbeitsgericht Hessen entschied gegen die beiden Pfleger und wies die Klagen ab.
Das LAG Hessen führte dazu aus:
Die Arbeitnehmer hätten keinen Anspruch darauf, in ihrem Arbeitsverhältnis beschäftigt zu werden. Der erforderliche Impfnachweis wirke wie eine berufliche Tätigkeitsvoraussetzung. Bei der Abwägung der Interessen habe die Arbeitgeberin die Arbeitnehmer freistellen dürfen. Das schützenswerte Interesse der Bewohnerinnen und Bewohner des Seniorenheims, vor einer Gefährdung ihrer Gesundheit und ihres Lebens bewahrt zu werden, überwiege das Interesse der Pflegekräfte, ihre Tätigkeit ausüben zu können.
Die Entscheidungen des LAG sind rechtskräftig. Eine Revision zum Bundearbeitsgericht (BAG) ist in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht möglich.
Pressemitteilung vom 11.08.2022 des LAG Hessen – Urteile vom 11.08.2022, Az. 5 SaGa 728/22 und 7 SaGa 729/22
Anmerkung:
Die Entscheidungen zeigen einmal mehr, dass fast alle Arbeitsgerichte hier zugunsten der einrichtungsbezogenen Impfpflicht entscheiden und davon ausgehen, dass ein Arbeitnehmer, der in der Pflegebranche tätig ist, als Voraussetzung für diese Tätigkeit zwingend einen Impfnachweis benötigt.
Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht
Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und Corona

Corona-Infektion und Lohnfortzahlung durch Arbeitgeber
Die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und Corona sind nicht immer ganz einfach zusammenzubringen. Das Wichtigste dabei ist, dass ein an Corona erkrankter Arbeitnehmer, der sich in Quarantäne befindet, aber keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom Arzt ausgestellt hat, Probleme mit der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall bekommen wird.
Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall bei Quarantäne
Die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall setzt nämlich eine Arbeitsunfähigkeit aufgrund einer Krankheit voraus. Dies bescheinigt der Arzt. Die Quarantäne setzt nicht zwingend eine solche Arbeitsunfähigkeit voraus, da man als Arbeitnehmer in Quarantäne sein kann und nicht arbeitsunfähig sein muss. Um mögliche Ansprüche nach dem Infektionsschutzgesetz geht es hier nicht.
Krankschreibung durch Arzt bei Corona-Infektion
Von daher ist grundsätzlich jedem Arbeitnehmer zu raten, der an Corona erkrankt ist, dass er sich recht schnell beim Arzt untersuchen und gegebenenfalls eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausstellen lässt, sofern tatsächlich auch eine Arbeitsunfähigkeit vorliegt.
schuldhafte Herbeiführung einer Krankheit
Viele Arbeitnehmer wissen allerdings nicht, dass der Arbeitgeber aber die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall verweigern kann, wenn der Arbeitnehmer seine Krankheit selbst verschuldet ( § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG) hat. Dies kommt in der Praxis selten vor. Solche Fälle liegen vor allem vor, wenn der Arbeitnehmer vorsätzlich oder grob fahrlässig die Krankheit verschuldet hat.
Krankengeld
So versuchte dies ein Arbeitgeber gegenüber seinem Arbeitnehmer durchzusetzen, um wahrscheinlich den Lohnanspruch zu sparen. Der Arbeitnehmer war in der Dominikanische Republik im Urlaub und kam an Corona erkrankt zurück. Der Arbeitgeber meinte, dass der Arbeitnehmer seine Corona-Erkrankung selbst verschuldet hatte, da er in ein Hochrisiko-Coronagebiet gereist war.
Entgeltfortzahlung durch Arbeitgeber verweigert
Er verweigerte die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Der Arbeitnehmer ließ sich dies nicht gefallen und klagte vor dem Arbeitsgericht Kiel.
Der Arbeitnehmer argumentierte, dass zwar die Dominikanische Republik als Urlaubsart ein Corona-Hochrisikogebiet sei, allerdings die Inzidenzwerte für Corona-Infektionen in Deutschland vor Ort sogar noch höher waren.
Das Arbeitsgericht Kiel (Urteil vom 27.6.2022 – 5 Ca 229 f/22) gab letztendlich dem Arbeitnehmer Recht und sprach diesem die begehrte Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall zu und verneinte eine verschuldete Arbeitsunfähigkeit.
Begründung des Arbeitsgerichts Kiel
Die Begründung erfolgte wie folgt:
Wer seinen Urlaub in einem als Corona-Hochrisikogebiet ausgewiesenen Land verbringt und im Anschluss an Corona erkrankt, hat seine Erkrankung nicht im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 Entgeltfortzahlungsgesetz verschuldet, wenn die Inzidenz im gleichen Zeitraum am Wohn- und Arbeitsort bzw. in Deutschland höher liegt. Die Wertung des § 56 Abs. 1 Satz 4 IfSG (Infektionsschutzgesetz) findet keine Anwendung.
Insbesondere hat die Klägerin ihre Arbeitsunfähigkeit auch nicht verschuldet. Dies setzt einen groben Verstoß gegen das Eigeninteresse eines verständigen Menschen voraus. Dies entspricht nicht der Wertung des § 56 Abs. 1 Satz 4 IfSG. Jedenfalls dann, wenn die Inzidenzwerte im Urlaubsgebiet nicht deutlich über den Inzidenzwerten des Wohn- und Arbeitsortes bzw. der Bundesrepublik Deutschland liegen, verstößt der Arbeitnehmer nicht in grober Weise gegen sein Eigeninteresse. Die Reise in das Hochrisikogebiet geht in diesen Fällen nicht über das allgemeine Lebensrisiko hinaus.
Arbeitsgericht Kiel (Urteil vom 27.6.2022 – 5 Ca 229 f/22)
Anmerkung:
Die Entscheidung ist beachtlich und zeigt, dass man mit Augenmaß entscheiden muss und sich nicht nach irgendwelchen Risikowarnungen richtet. Die Berufung ist möglich und es kann sein, dass die Sache in der nächsten Instanz nochmals entschieden wird.
Rechtsanwalt Andreas Martin
Betriebsfest nur mit 2G+ und negativen Test

Betriebsfeier mit strengen Corona-Regelungen
Viele Arbeitgeber haben interne, betriebliche Regelungen getroffen, die die Voraussetzungen den Zugang zum Betrieb/ Arbeitsplatz festlegen. Es schon einige Entscheidungen von Arbeitsgerichten, wonach der Arbeitgeber grundsätzlich bestimmte Corona-Zugangsregelungen (Testpflicht etc) am Arbeitsplatz treffen darf.
Gesundheitsberufung mit strengen Sonderregelungen
In den Gesundheitsberufen gibt es darüber hinaus ja nun auch eine Pflicht zum Nachweis der Impfung.
Sogar für Betriebsfeiern darf der Arbeitgeber bestimmte Zugangsbeschränkungen – Pandemiepläne – aufstellen.
Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg
So jedenfalls nach einer aktuellen Entscheidung des Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg.
Eine Klinik hatte für ihre Beschäftigte ein Betriebsfest an einem auswärtigen Veranstaltungsort ausgerichtet. Die Klinik verhängte aber strenge Zugangsregelung zur Betriebsfeier. Nach der Klinik war erforderlich, dass eine gültige, vollständige Impfung und/oder Genesung sowie eine auch Auffrischimpung und darüber hinaus ein tagesaktueller negativer Antigenschnelltest erforderlich waren (2 G+ und negativer Schnelltest).
einstweiliger Rechtschutz eines Arbeitnehmers
Dies sind schon sehr strenge Anforderungen und ein Arbeitnehmer wollte sich dies nicht gefallen lassen und wollte den Zugang zur Betriebsfeier erstreiten ohne dass er den entsprechenden strengen Zugangsregelung unterworfen wird.
Er versucht im Wege der einstweiligen Anordnung den Zugang zur Betriebsfeier zu erreichen.
Entscheidungen des Arbeitsgericht Berlin
Das Arbeitsgericht Berlin lehnte dies ab und in dem Verfahren der zweiten Instanz (Beschwerdeverfahren) bestätigte das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg das entsprechende Urteil.
Begründung des Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
Das LAG Berlin-Brandenburg (6 Ta 673/22) führte in seiner Pressemitteilung Nr. 14/22 vom 04.07.2022 dazu folgendes aus:
Der Arbeitnehmer habe keinen Anspruch auf Teilnahme an dem Sommerfest ohne Einhaltung dieser Vorgaben. Eine besondere Rechtsgrundlage für die Zugangsbeschränkungen sei entgegen der Auffassung des Arbeitnehmers nicht erforderlich. Die Klinik handle nicht hoheitlich. Vielmehr sei eine Anspruchsgrundlage für den begehrten Zutritt erforderlich. Ansprüche ergäben sich schon deshalb nicht aus dem Landesantidiskriminierungsgesetz Berlin (LADG), weil dieses gemäß § 3 Absatz 1 LADG auf öffentlich-rechtliche Körperschaften wie die Klinik nur anwendbar sei, soweit diese Verwaltungsaufgaben wahrnehme. Dies sei bei der Ausrichtung einer Betriebsfeier nicht der Fall. Aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) könnten sich keine Ansprüche ergeben, weil der Arbeitnehmer keine Benachteiligung aufgrund hier genannter Merkmale geltend mache. Er behaupte keine Behinderung und eine etwa aus diesem Grund nicht mögliche Impfung. Ein Anspruch ergebe sich auch nicht aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Hiernach müsse eine vorgenommene Gruppenbildung bei der Gewährung von Leistungen – hier dem Zutritt zum Betriebsfest – sachlich gerechtfertigt sein. Die sachliche Rechtfertigung sei hier schon angesichts der gesetzlichen Wertung in § 20a Infektionsschutzgesetz gegeben. Hiernach gebe es für Beschäftigte in Kliniken besonderen Anlass für Schutzmaßnahmen, insbesondere auch in Form eines Impf- oder Genesenennachweises. Für das Infektionsrisiko spiele es keine Rolle, ob es um Zusammenkünfte bei der Arbeit oder anlässlich einer Betriebsfeier gehe. Ferner sei für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ein besonderer Verfügungsgrund erforderlich, das heißt, dass dem Arbeitnehmer erhebliche Nachteile drohen, die außer Verhältnis zu einem möglichen Schaden der Klinik stünden. Solche Nachteile ergäben sich allein aufgrund einer unterbliebenen Teilnahme an einer Betriebsfeier nicht. Erst recht gelte dies in Abwägung mit möglichen Nachteilen des Klinikbetriebes im Hinblick auf Infektionsrisiken.
Gegen die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
LAG Berlin-Brandenburg (6 Ta 673/22) in der Pressemitteilung Nr. 14/22 vom 04.07.2022
Anmerkung:
Das LAG dreht hier den Spieß um. Nicht der Arbeitgeber muss eine Rechtsgrundlage für die strengen Zugangsvoraussetzungen nachweisen, sondern der Arbeitnehmer braucht eine solche für den begehrten Zugang zur Betriebsfeier ohne Einhaltung der strengen Corona-Vorgaben. Eine solche Rechtsgrundlage sah das LAG hier auf Seiten des Arbeitnehmers nicht, zumal es hier nicht um den Zugang zum Arbeitsplatz ging, sondern nur um eine Feier.
Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht
Telefonische Krankschreibung wieder möglich

Arbeitnehmer, die an leichten Atemwegserkrankungen leiden, können sich ab sofort wieder telefonisch krankschreiben lassen.
Krankschreibung per Telefon
Die telefonische Krankschreibungen sind ab sofort bei leichten Atemwegserkrankungen (Erkältung/ Husten) wieder für bis zu 7 Tage möglich. Ein Besuch beim Arzt ist nicht notwendig. Damit sollen die Arztpraxen entlastet werden.
gelber Schein für 7 Tage
Die Krankschreibung erfolgt nicht durch persönliches Vorsprechen in der Arztpraxis, sondern allein telefonisch. Voraussetzung ist aber, dass sich der niedergelassene Arzt persönlich vom Zustand des Patienten durch eine eingehende telefonische Befragung überzeugt. Die Krankschreibung ist bis zu 7 Tage möglich. Der gelbe Schein wird dann dem Patienten zugeschickt.
Verlängerung um 7 Tage möglich
Nach Ablauf der ersten Krankschreibung ist eine einmalige Verlängerung der Krankschreibung per Telefon für weitere 7 Kalendertage möglich. Insgesamt kann der Arzt also bis zu 14 Tage den Patienten / Arbeitnehmer arbeitsunfähig per Telefon schreiben.
Regelung bis 30.11.2022
Die Sonderregelung gilt vorerst befristet bis 30. November 2022.
Schutz von vulnerablen Gruppen
Der Hintergrund ist, dass für die kommende Monate eine Erkältungs- und Grippesaison erwartet wird. Mit dem Wiedereinsetzen der telefonischen Krankschreibung sollen volle Wartezimmer in Arztpraxen und das Entstehen neuer Infektionsketten vermieden werden.
Die Regelung soll vor allem die besonders gefährdeten Risikogruppen wie Ältere oder chronisch Kranke, die dringend regelmäßig zum Arzt müssen, vor der Ansteckung mit Corona schützen.
Rechtsanwalt Andreas Martin
Arbeitgeber darf Corona-Testpflicht im Betrieb einführen!

Verweigerung der Corona-Testpflicht und Lohn
Ob der Arbeitgeber einseitig Corona-Tests im Betrieb anordnen darf und welche Konsequenzen dies hat, wenn der Arbeitnehmer sich weigert diesem Test nachzukommen, ist immer noch ein aktuelles Thema. Die meisten Arbeitsgerichte sehen grundsätzlich die Möglichkeit der Anordnung der Corona- Testspflicht durch den Arbeitgeber und meinen auch, dass der Arbeitnehmer, der dann aufgrund der Verweigerung der Coronatests zu Hause bleibt und nicht beschäftigt wird, keinen Anspruch auf Zahlung seines Lohnes hat. Die Juristen sprechen hier von sogenannten Annahmeverzugslohn.
Bundesarbeitsgericht und Entscheidung zur Anordnung von Corona-Tests
Das Bundesarbeitsgericht hatte sich nun mit der obigen Frage auseinanderzusetzen und insbesondere darüber zu entscheiden, ob eine Arbeitnehmerin einen Anspruch auf nachträgliche Zahlung ihres Lohnes hat für einen Zeitraum, in der sie sich weigerte Coronatests durchzuführen und von daher vom Arbeitgeber auch nicht beschäftigt wurde. Das Bundesarbeitsgericht hat hier zugunsten des Arbeitgebers entschieden und ist der Meinung, dass der Arbeitgeber grundsätzlich einseitig Coronatest im Betrieb anordnen darf. Kommt der Arbeitnehmer dem nicht nach, muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auch nicht beschäftigen und der Lohnanspruch des Arbeitnehmers entfällt.
Arbeitnehmerin verweigerte die Test und bekam keinen Arbeitslohn
Der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts lag folgender Fall zugrunde:
Eine in der bayerische Staatsoper beschäftigte Flötistin sollte nach der Anweisung ihres Arbeitgebers in unterschiedlichen Zeitabständen Coronatests durchführen. Die Arbeitnehmerin weigerte sich grundsätzlich und meinte, dass ein anlassloser Massentest grundsätzlich unzulässig sei und der Arbeitgeber generell kein Recht auf Durchführung dieser Tests habe. Auch sah diese einen unzulässigen Eingriff in ihre körperliche Unversehrtheit darin.
Arbeitgeber zahlte den Lohn nicht
Die Arbeitnehmern wurde aufgrund ihrer Weigerung im Zeitraum vom Ende August bis Oktober 2020 nicht beschäftigt und bekam auch keinen Lohn. Diese klagte die Vergütung nun arbeitsgerichtlich ein und verlor sowohl in der ersten als auch in der zweiten Instanz.
Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts
Im Revisionsverfahren vor den Bundesarbeitsgericht verlor die Arbeitnehmerin endgültig.
Das Bundesarbeitsgericht führte dazu in seiner Pressemitteilung 21/22 vom 1.06.2022 folgendes aus:
Der Arbeitgeber kann zur Umsetzung der ihn treffenden arbeitsschutzrechtlichen Verpflichtungen berechtigt sein, auf Grundlage eines betrieblichen Schutz- und Hygienekonzepts Corona-Tests einseitig anzuordnen.
Der Arbeitgeber ist nach § 618 Abs. 1 BGB verpflichtet, die Arbeitsleistungen, die unter seiner Leitung vorzunehmen sind, so zu regeln, dass die Arbeitnehmer gegen Gefahren für Leben und Gesundheit soweit geschützt sind, als die Natur der Arbeitsleistung es gestattet. Die öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutznormen des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) konkretisieren den Inhalt der Fürsorgepflichten, die dem Arbeitgeber hiernach im Hinblick auf die Sicherheit und das Leben der Arbeitnehmer obliegen. Zur Umsetzung arbeitsschutzrechtlicher Maßnahmen kann der Arbeitgeber Weisungen nach § 106 Satz 2 GewO hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb erteilen. Das hierbei zu beachtende billige Ermessen wird im Wesentlichen durch die Vorgaben des ArbSchG konkretisiert.
…
Der mit der Durchführung der Tests verbundene minimale Eingriff in die körperliche Unversehrtheit ist verhältnismäßig. Auch das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung macht die Testanordnung nicht unzulässig, zumal ein positives Testergebnis mit Blick auf die infektionsschutzrechtlichen Meldepflichten und die Kontaktnachverfolgung ohnedies im Betrieb bekannt wird. Da hiernach die arbeitgeberseitige Anweisung zur Umsetzung des betrieblichen Hygienekonzepts rechtmäßig war, hat der beklagte Freistaat zu Recht eingewandt (§ 297 BGB), dass Vergütungsansprüche wegen Annahmeverzugs im streitgegenständlichen Zeitraum jedenfalls mit Blick auf den fehlenden Leistungswillen der Klägerin, die die Durchführung von PCR-Tests verweigert hat, nicht bestehen.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 1. Juni 2022 – 5 AZR 28/22
Anmerkung:
Langsam kommen einige Corona-Fälle zum Bundesarbeitsgericht. Die Tendenz in der Rechtsprechung der Landesarbeitsgericht ist aber klar. Die meisten Gerichten halten eine Testpflicht von Seiten der Arbeitgeber für zulässig. Auch scheint die Meinung bei den meisten Arbeitsgericht und LAG in Bezug auf Verstöße gegen betriebliche Corona-Auflagen dahingehend zu sein, dass diese im Einzelfall auch eine (außerordentliche) Kündigung rechtfertigen kann.
Rechtsanwalt Andreas Martin
Impfpflicht wirksam – Bundesverfassungsgericht

Impfpflicht wirksam – Bundesverfassungsgericht hat endgültig entschieden
Die Impfpflicht in der Pflegebranche bzw. in der Gesundheitsbranche, die sogenannte einrichtungbezogene Impfpflicht gegen das Corona-Virus, wurde vom Gesetzgeber im Infektionsschutzgesetz eingeführt. Eine allgemeine Impfpflicht gibt es derzeit nicht und ob diese überhaupt eingeführt wird, ist zweifelhaft.
einrichtungsbezogene Impfpflicht in der Pflege- und Gesundheitsbranche
Nach der einrichtungsbezogenen Impfpflicht hatten bis zum Ablauf des 15. März 2022 alle Arbeitnehmer, in deren Betrieb die einrichtungsbezogene Impfpflicht gilt, der Leitung des Betriebs einen Impf- oder Genesenennachweis oder aber ein ärztliches Zeugnis über das Bestehen einer medizinischen Kontraindikation vorzulegen. Geregelt ist dies in § 20a Abs. 2 Satz 1 IfSG (Infektionsschutzgesetz). Dabei muss der Impf- oder Genesenennachweis muss den Anforderungen des § 2 Nr. 3 und 5 COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung entsprechen.
Beschäftigungsverbot durch das Gesundheitsamt
Legte der Arbeitnehmer bis zum 15. März 2022 keinen Nachweis über die Impfung oder die Genesung oder ein ärztliches Attest über ein “Impfverbot” vor, hat die Leitung des jeweiligen Unternehmens unverzüglich das Gesundheitsamt zu benachrichtigen (vgl. § 20a Abs. 2 Satz 2 IfSG), welches dann in der Regel ein Beschäftigungsverbot ausgesprochen hat. Dies führte dazu, dass der Betrieb den Arbeitnehmer nicht mehr beschäftigen durfte und sodann das Arbeitsverhältnis mittels Kündigung beendete.
ab 16. März 2022 – Einstellung nur mit Impfnachweis
Arbeitnehmer, die ab dem 16. März 2022 in einem Unternehmen der Pflege- oder Gesundheitsbranche eingestellt wurde, haben ihrem Arbeitgeber vor Beginn ihrer Tätigkeit einen Nachweis nach § 20a Abs. 2 Satz 1 IfSG vorzulegen (vgl. § 20a Abs. 3 Satz 1 IfSG). Andernfalls dürfen sie dort weder beschäftigt noch tätig werden (vgl. § 20a Abs. 3 Sätze 4 und 5 IfSG). Faktisch haben ungeimpfte oder nicht genesene Arbeitnehmer keine Chance auf Einstellung in dieser Branche.
Eilentscheidung des Bundesverfassungsgericht zur Impfpflicht für Pfleger
Am 10.02.2022 hatte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG, Beschluss vom 10. Februar 2022 – 1 BvR 2649/21) den Antrag auf einstweilige Anordnung (Eilantrag) gegen die einrichtungsbezogene Impfpflicht in der Pflege- und Gesundheitsbranche abgelehnt. Dies war eine vorläufige Entscheidung und keine (endgültige) Entscheidung über eine Verfassungsbeschwerde. Das Bundesverfassungsgericht sah keinen Grund diese Impfpflicht aufzuheben, da ein Grundrechtsverstoß für die Bundesrichter zumindest nicht naheliegend war.
Ablehnung der Verfassungsbeschwerde
Nun hat das Bundesverfassungsgericht über die Verfassungsbeschwerde mehrere Arbeitnehmer aus der Pflegebranche abschließend darüber entschieden, ob die einrichtungbezogene Impfpflicht in der Pflege und Gesundheitsbranche verfassungsgemäß ist oder nicht.
einrichtungsbezogene Impfpflicht ist verfassungsgemäß
Das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 27. April 2022 – 1 BvR 2649/21) ist zum Ergebnis gekommen, was zu erwarten war, dass die einrichtungsbezogene Impfpflicht für Pfleger und Mitarbeiter in Krankenhäusern grundsätzlich verfassungsgemäß ist.
Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts
In seiner Pressemitteilung (Nr. 42/2022 vom 19. Mai 2022)) führte das Bundesverfassungsgericht dazu folgendes aus:
Die angegriffenen Vorschriften verletzen die Beschwerdeführenden nicht in ihren Rechten insbesondere aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 12 Abs. 1 GG. Soweit die Regelungen in die genannten Grundrechte eingreifen, sind diese Eingriffe verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Der Gesetzgeber hat im Rahmen des ihm zustehenden Einschätzungsspielraums einen angemessenen Ausgleich zwischen dem mit der Nachweispflicht verfolgten Schutz vulnerabler Menschen vor einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 und den Grundrechtsbeeinträchtigungen gefunden. Trotz der hohen Eingriffsintensität müssen die grundrechtlich geschützten Interessen der im Gesundheits- und Pflegebereich tätigen Beschwerdeführenden letztlich zurücktreten.
Der Eingriff in das Recht auf körperliche Unversehrtheit ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt.
Der Gesetzgeber verfolgt den legitimen Zweck, vulnerable Menschen vor einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 zu schützen. Während für die meisten Menschen eine COVID-19-Erkrankung mild verläuft, besteht für bestimmte Personen aufgrund ihres Gesundheitszustandes und/oder ihres Alters nicht nur ein erhöhtes Risiko für einen schweren oder sogar tödlichen Krankheitsverlauf. Gerade bei älteren und immunsupprimierten Personen besteht auch ein erhöhtes Risiko für eine Infektion, da sie auf eine Impfung weniger gut ansprechen. Die Annahme des Gesetzgebers, es bestehe insoweit eine erhebliche Gefahrenlage für gewichtige Schutzgüter, die gesetzgeberisches Handeln erforderlich mache, beruht auf hinreichend tragfähigen tatsächlichen Erkenntnissen. Der Gesetzgeber konnte zum Zeitpunkt der Verabschiedung des Gesetzes von einer sich verschärfenden pandemischen Lage und einer damit einhergehenden besonderen Gefährdung älterer und vorerkrankter Menschen ausgehen. Die Annahme insbesondere einer besonderen Gefährdung dieser vulnerablen Menschen trägt nach wie vor.
Die Pflicht zum Nachweis einer COVID-19-Impfung ist im verfassungsrechtlichen Sinne auch geeignet. Der Gesetzgeber konnte davon ausgehen, dass die Pflicht zum Nachweis einer Impfung oder Genesung aller Personen, die in bestimmten Einrichtungen oder Unternehmen tätig sind, zum Schutz des Lebens und der Gesundheit vulnerabler Menschen beitragen kann. Zum Zeitpunkt der Verabschiedung des Gesetzes ging eine deutliche fachwissenschaftliche Mehrheit davon aus, dass sich geimpfte und genesene Personen seltener mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 infizieren und daher das Virus seltener übertragen können. Angenommen wurde auch, dass Geimpfte bei einer Infektion weniger und kürzer als nicht Geimpfte infektiös sind. Die Vertretbarkeit dieser gesetzgeberischen Eignungsprognose wird durch die weitere Entwicklung des Pandemiegeschehens verbunden mit der Ausbreitung der Omikronvariante des Virus ausweislich der Stellungnahmen der im hiesigen Verfahren als sachkundige Dritte angehörten Fachgesellschaften nicht erschüttert. Diese gehen ganz weitgehend übereinstimmend von einer weiterhin bestehenden, wenn auch gegenüber den Vorvarianten reduzierten, relevanten Impfstoffwirksamkeit aus.
Die Nachweispflicht ist zum Schutz vulnerabler Menschen auch im verfassungsrechtlichen Sinne erforderlich. Für den Gesetzgeber bestand insoweit ein weiter Beurteilungsspielraum, denn die Pandemie ist durch eine gefährliche, aber schwer vorhersehbare Dynamik geprägt, die Sachlage also komplex. Ausgehend von den bei Verabschiedung des Gesetzes vorhandenen Erkenntnissen zur Übertragbarkeit des Virus und zu den Möglichkeiten, seiner Verbreitung zu begegnen, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber davon ausging, dass keine sicher gleich wirksamen, aber die betroffenen Grundrechte weniger stark einschränkenden Mittel zur Verfügung standen.
Beschluss vom 27. April 2022 – 1 BvR 2649/21
Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht
Krankschreibung per Telefon bis 31.05.2022 verlängert

Verlängerung der Krankschreibung per Telefon bis 31.05.2022
Bisher galt – befristet – die Möglichkeit, dass ein Arzt den Patienten auch nur bei telefonischen Kontakt arbeitsunfähig schreiben kann. Diese Sonderregelung zur telefonischen Krankschreibung wurde nun bis zum 31.05.2022 verlängert.
Verlängerung der Corona-Schutz-Maßnahme
Der Gemeinsame Bundesausschuss hat dazu am 18.3.2022 die Sonderregeln für die telefonische Krankschreibung bei leichten Atemwegsinfekten nochmals um weitere zwei Monate bis einschließlich 31.5.2022 verlängert. Dies ist eine Sonderregelung in der Corona- Pandemie.
telefonische Krankschreibung durch einen Arzt
Diese telefonische Krankschreibung ist nur dann möglich ,wenn der Patient/ Arbeitnehmer an leichten Atemwegserkrankungen leidet. In einen solchen Fall kann dieser weiterhin telefonisch für bis zu 7 Kalendertage krankgeschrieben werden. Damit soll verhindert werden, dass an Corona infizierte Patienten durch ihre persönliche Anwesenheit in einer Arztpraxis weitere Personen infizieren.
Informationen per Telefon über Patienten und Symptome
Ein Arzt muss sich allerdings – vor der Krankschreibung per Telefon – durch eine eingehende telefonische Befragung persönlich vom Zustand des Patienten überzeugen.
Verlängerung für weitere 7 Tage möglich
Die telefonische Krankschreibung kann zudem weiterhin einmalig für weitere 7 Kalendertage verlängert werden.
Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht
Corona-Test verweigert – muss der Arbeitgeber trotzdem Lohn zahlen?

Die Corona-Infektionszahlen mit SARS-CoV in Deutschland sind wieder spürbar angestiegenen auch wenn die Impfquote der Bevölkerung sowie die Zahl der durchgeführten Boosterimpfungen stetig steigen. Auch hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass selbst 2 Impfungen wegen vor einer Corona-Infektion, noch für der Übertragung des Corona-Viruses schützen. Allerdings sollen die Impfungen zumindest vor schwere Verläufe schützen. Dies alles hat auch Einfluss auf das deutsche Arbeitsrecht und den Arbeitsschutz am Arbeitsplatz.
Bundesinfektionsschutzgesetz und Corona-Test am Arbeitsplatz
Eine zentrale Regelung ist das bundesweit geltende Infektionsschutzgesetz, die bisherigen grundlegenden Regeln zum betrieblichen Infektionsschutz bestehen bis einschließlich 19. März 2022 unverändert fort. Darüber hinaus enthält § 28b des Infektionsschutzgesetzes nund noch weitere Verschärfungen, was Corona-Test am Arbeitsplatz und den Zutritt zum Arbeitsplatz für ungeimpfte Personen betrifft, die ebenfalls befristet bis einschließlich 19. März 2022 gelten.
Was bedeutet die 3G-Regel am Arbeitsplatz?
Mitarbeiter, die Kontakt zu anderen Personen haben, dürfen den Arbeitsplatz nur betreten, wenn sie geimpft, genesen oder positiv getestet wurden. Der Arbeitgeber muss dazu den Nachweis dafür prüfen und dokumentieren. Auch hierfür besteht eine tägliche Nachweispflicht. Arbeitgeber und Beschäftigte müssen beim Betreten der Arbeitsstätte eine Impf- und Genesenennachweis oder eine aktuelle Bescheinigung über einen negativen Coronatest mitführen.
Was ist die gesetzliche Grundlage für die betriebliche 3G-Regel am Arbeitsplatz?
§ 28b des Infektionsschutzgesetzes , welcher befristet bis einschließlich 19. März 2022 gilt, regelt die betriebliche 3-G-Pflicht.
Was ist in § 28 b Infektionsschutzgesetz geregelt?
§ 28b IfSG ist geregelt:
(1) Arbeitgeber und Beschäftigte dürfen Arbeitsstätten, in denen physische Kontakte von Arbeitgebern und Beschäftigten untereinander oder zu Dritten nicht ausgeschlossen werden können, nur betreten und Arbeitgeber dürfen Transporte von mehreren Beschäftigten zur Arbeitsstätte oder von der Arbeitsstätte nur durchführen, wenn sie geimpfte Personen, genesene Personen oder getestete Personen im Sinne des § 2 Nummer 2, Nummer 4 oder Nummer 6 der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung in der jeweils geltenden Fassung sind und einen Impfnachweis, einen Genesenennachweis oder einen Testnachweis im Sinne des § 2 Nummer 3, Nummer 5 oder Nummer 7 der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung in der jeweils geltenden Fassung mit sich führen, zur Kontrolle verfügbar halten oder bei dem Arbeitgeber hinterlegt haben. Sofern die dem Testnachweis zugrunde liegende Testung mittels Nukleinsäurenachweis (PCR, PoC-PCR oder weitere Methoden der Nukleinsäureamplifikationstechnik) erfolgt ist, darf diese abweichend von § 2 Nummer 7 der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung in der jeweils geltenden Fassung maximal 48 Stunden zurückliegen. Abweichend von Satz 1 ist Arbeitgebern und Beschäftigten ein Betreten der Arbeitsstätte erlaubt, um1.
unmittelbar vor der Arbeitsaufnahme ein Testangebot des Arbeitgebers zur Erlangung eines Nachweises im Sinne des § 4 Absatz 1 der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung vom 25. Juni 2021 (BAnz AT 28.06.2021 V1), die durch Artikel 1 der Verordnung vom 6. September 2021 (BAnz AT 09.09.2021 V1) geändert worden ist, wahrzunehmen oder2.
ein Impfangebot des Arbeitgebers wahrzunehmen.
Der Arbeitgeber hat seine Beschäftigten bei Bedarf in barrierefrei zugänglicher Form über die betrieblichen Zugangsregelungen zu informieren.
§ 28 b Abs. 1 des Infektionsschutzgesetzes
Für Gesundheits- und Pflegeberufe gelten sogar noch Verschärfungen, die man in Absatz der Regelung findet.
Kann der Arbeitgeber Corona-Tests vorschreiben?
In Deutschland können Tests nur durchgeführt werden, wenn dafür eine gesetzliche Grundlage besteht. Die Grundlage für die Testpflicht ist die obigen Regelung des Infektionsschutzgesetzes.
Nach der obigen Regelung dürfen ungeimpfte Personen, die nicht zu den genesen im Person gehören, die Arbeitsstätte nur mit einem gültigen PCR-Test betreten. Geregelt ist in der Vorschrift des § 28 B Abs. 1 des Infektionsschutzgesetz es aber nicht, dass der Arbeitgeber selbst den Test durchführen darf. Wenn der Arbeitnehmer einen ausreichenden Test hat, die aktuell ist, dann darf er damit den Betrieb grundsätzlich betreten und hat dann, wenn er seine Arbeitsleistung erbringt einen Anspruch auf Zahlung von Arbeitslohn. Von daher darf der Arbeitgeber selbst den Test nach dieser Vorschrift nicht durchführen lassen, sondern kann nur verlangen, dass der Arbeitnehmer einen ausreichenden Test vorliegt.
Verweigerter Corona-Test kann zum Entfall der Lohnfortzahlung führen
Wenn der Arbeitnehmer nun als ungeimpfte und nicht genese Person keinen entsprechenden Nachweis über den negativen PCR-Test hat, dann darf dieser seinen Arbeitsplatz nicht betreten. Der Arbeitgeber darf dem Arbeitnehmer im Betrieb keine Arbeit zuweisen, zumindest dann nicht, wenn Kontakt zu anderen Personen besteht. Faktisch kann der Arbeitgeber-in den meisten Fällen-den Arbeitnehmer nicht beschäftigen. Er wird in der Regel dann den Arbeitnehmer von der Arbeitsleistung unbezahlt freistellen und der Arbeitnehmer hat dann keinen Anspruch auf Vergütung. Auch andere Anspruchsgrundlagen greifen hier nicht. Ein Anspruch auf Kurzarbeitergeld besteht mangels Kurzarbeit ebensowenig, wie eine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, da der Arbeitnehmer nicht krankheitsbedingt arbeitsunfähig ist. Denkbar wäre allenfalls eine Beschäftigung in Home-Office oder eine Freistellung unter Nutzung von Arbeitszeitkonten, was aber selten vorkommen dürfte.
Lohnzahlung und verweigerter PCR-Test
Vom Ergebnis führt dies dazu, dass der Arbeitnehmer nach Hause geschickt wird und auch keinen Anspruch auf Entschädigung hat. Es gilt der Grundsatz, ohne Arbeit kein Lohn. Der Arbeitnehmer muss, sofern er der Meinung ist, dass er in der Ausnahme von diesem Grundsatz einen Lohnanspruch hat dann nachweisen, dass die Voraussetzung dafür vorliegen. Ein Annahmeverzugslohnanspruch liegt aber nicht vor, da der Arbeitgeber den Arbeitnehmer keinen innerbetrieblichen Arbeitsplatz aufgrund der gesetzlichen Regelung anbieten darf. Kurz um, der Arbeitgeber darf den Arbeitnehmer in Kontakt zu anderen Arbeitnehmern bzw. Kunden nicht beschäftigen und von daher kann der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung, selbst verschuldet, nicht erbringen und hat in der Regel keinen Lohnanspruch.
Entscheidung des Landesarbeitsgericht München
Das Landesarbeitsgericht München (Urteil vom 26.10.2021, Az. 9 Sa 332/21) hat dazu bereits entschieden und dem Arbeitgeber Recht gegeben.
Es lag ein Fall vor, wonach nach einem Tarifvertrag eine Arbeitnehmerin (Orchestermusikerin) zur Durchführung eines PCR-Test verpflichtet war bzw. einen negativen Test für den Arbeitsantritt (Proben/ Auftritte) vorlegen musste.
Diese weigerte sich und wurde dann vom Arbeitgeber nicht beschäftigt. Sie klagte daraufhin auf Zahlung ihres Arbeitslohnes und Beschäftigung auch ohne Corona-Test und verlor sowohl vor dem Arbeitsgericht als auch von dem Landesarbeitsgericht München.
Das Landesarbeitsgericht München entschied dazu, dass die Arbeitnehmerin keinen Anspruch auf Lohnzahlung und Beschäftigung ohne gültigen PCR-Test hat.
Das LAG München führt dazu in seiner Pressemitteilung vom 25.11.2021 aus:
Das Landesarbeitsgericht hat die klageabweisende Entscheidung des Arbeitsgerichts bestätigt und ausgeführt, dass der Arbeitgeber aufgrund des Tarifvertrages berechtigt war, die Testung zu verlan- gen auch ohne dass konkrete Symptome für eine Erkrankung vorlagen. Bei einer Infektion mit dem Sars-Cov-2-Virus handele es sich um eine ansteckende Erkrankung i.S.d. Tarifnorm, die auch von symptomfreien Personen übertragen werde, und die bei einem erheblichen Anteil der Erkrankten, insbesondere bei Personen mit höherem Lebensalter, zum Tod, und bei einem erheblichen Anteil der Personen mit leichteren Verläufen zu Langzeitschäden führe. Der Schutz der Orchesterkollegen vor Ansteckung sei gerade bei der Tätigkeit als Flötistin anderweitig nicht möglich. Die Testpflicht sei ver- hältnismäßig. Der Nasen- und Rachenabstrich sei nicht zwingend gewesen. Der Arbeitgeber habe es vielmehr akzeptiert, dass die Arbeitnehmer einen PCR-Test bei einem Arzt ihres Vertrauens in Form eines reinen Rachenabstrichs durchführen. Hierin liege kein unzulässiger Eingriff in die körperliche Unversehrtheit. Ein Verstoß gegen Datenschutzbestimmungen habe nicht vorgelegen
Der Arbeitgeber war deshalb nicht verpflichtet, die Klägerin ohne Vorlage eines Tests auf eine Infektion mit dem Sars-Cov-2-Virus zu beschäftigen und musste ihr aufgrund ihrer Weigerung auch keine Vergütung zahlen, solange sie aufgrund ihrer Weigerung ihrer Verpflichtung nicht nachkommen durfte, an Proben und Aufführungen teilzunehmen.
Pressemitteilung des LAG München Nr. 25.11.2021
Anmerkung zum Urteil:
Die Besonderheit des Urteils besteht darin, dass hier die Testpflicht sich nicht nach dem Infektionsschutzgesetz ergab, sondern aufgrund eines anwendbaren Tarifvertrags einen entsprechenden negativen Test als Voraussetzung für den Arbeitsantritt vorsieht. Dies ist in der Praxis recht selten. Allerdings hätte auch eine Entscheidung ohne diesen Tarifvertrag nach dem neuen Infektionsschutzgesetz nicht anders aussehen dürfen. Ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung der Arbeitnehmerin bestand hier nicht.
Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht