AGB
Kündigung im Arbeitsrecht ab 1. Oktober 2016 noch schriftlich notwendig?
Ab dem 1. Oktober 2016 ändert sich das „Recht des Kleingedruckten“, nämlich das sog. Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen. Dieses Recht findet Anwendung, wenn ein Unternehmer mit einem Verbraucher einen Vertrag schließt.
AGB-Recht gilt auch für Arbeitsverträge
Das Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen findet auch im Arbeitsrecht – unter Beachtung der Besonderheiten des Arbeitsrechts – Anwendung.
§ 309 Nr. 13 BGB – geänderte Fassung ab dem 1. Oktober 2016
Zum 1. Oktober 2016 ist nun eine wichtige Vorschrift des AGB-Rechts geändert worden, nämlich § 309 Nr. 13 BGB.
Und zwar wie folgt:
§ 309 Nr. 13 BGB
(Form von Anzeigen und Erklärungen)
eine Bestimmung, durch die Anzeigen oder Erklärungen, die dem Verwender oder einem Dritten gegenüber abzugeben sind, gebunden werden
a)
an eine strengere Form als die schriftliche Form in einem Vertrag, für den durch Gesetz notarielle Beurkundung vorgeschrieben ist oder
b)
an eine strengere Form als die Textform in anderen als den in Buchstabe a genannten Verträgen oder
c)
an besondere Zugangserfordernisse;
starke Auswirkungen im zivilrechtlichen Bereich der Änderungen/ Kündigungen für Verbraucherverträge
Im zivilrechtlichen Bereich – bei sog. Verbraucherverträgen – waren Kündigungen meist schriftlich vorzunehmen; so schrieben es die AGB der Unternehmen vor. Damit wollte man vor allem auch eine Hemmschwelle in Bezug auf den Anspruch der Kündigung schaffen. Das ändert sich nun zum 1. Oktober 2016, denn ab dann kann der Verbraucher hier auch z.B. per E-Mail (Textform) den Vertrag kündigen.
Ab dem 1. Oktober 2016 sind nun AGB unwirksam, die für Anzeigen oder Erklärungen gegenüber dem Vertragspartner (Verbraucher) die Schriftform verlangen; die Textform ist hier ausreichend (also auch SMS/Mail/Fax).
Änderung des AGB-Recht hat auch Auswirkungen auf das Arbeitsrecht
Die obigen Regelungen gelten grundsätzlich auch für das Arbeitsrecht und für arbeitsrechtliche Verträge und Willenserklärungen.
arbeitsrechtliche Kündigungen und Aufhebungsverträge müssen auch zukünftig schriftlich erfolgen
Allerdings gilt nach wie vor, dass Kündigungen des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer oder den Arbeitgeber schriftlich erfolgen müssen. Dies deshalb, da das Schriftformgebot sich nicht aus AGB des Arbeitgebers (also aus dem „Kleingedruckten im Arbeitsvertrag“) ergibt, sondern aus dem Gesetz selbst (§ 623 BGB). Eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses in Textform (SMS/ Whats Up/ Fax/ E-Mail) ist von daher nach wie vor nicht möglich.
Dies gilt auch für den Aufhebungsvertrag (§ 623 BGB). Auch hier schreibt das Gesetz die Schriftform vor.
Auswirkungen z.B. bei Ausschlussklausel/ Schriftformklauseln
Trotzdem hat die Gesetzesänderung auch Auswirkungen auf das Arbeitsrecht. Sofern der Arbeitsvertrag für bestimmte Erklärungen die Schriftform vorschreibt, wie z.B. für die Geltendmachung für Rechten im Rahmen von Ausschlussfristen oder oder Änderungen des Arbeitsvertrages (Schriftformklausel).
Anwendung auf alle Verträge ab 30.09.2016
Die neue Regelung gilt zwar gem. Art. 229 § 37 EGBGB auf alle Verträge, die nach dem 30.09.2016 geschlossen werden.
Rechtsanwalt Andreas Martin
LAG Sachsen-Anhalt: Klausel über Belegung und Abzeichnung geleisteter Stunden im Arbeitsvertrag unwirksam
Das Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt (Urteil vom 8.12.2015 – 6 Sa 351/14) hat entschieden, dass eine Klausel im Arbeitsvertrag, wonach der Arbeitgeber ein Zurückbehaltungsrecht am Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers hat, wenn dieser nicht alle Arbeitsstunden durch Tätigkeitsnachweis belegt und dieser Nachweis vom Einsatzbetrieb durch Stempel und Unterschrift schriftlich bestätigt wird,unwirksam ist.
Eine solche Klausel benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen gem. § 307 Abs. 1, Satz 1 BGB.
In diesem Fall ist der Arbeitnehmer abhängig von der Bestätigung eines Dritten, obwohl der Nachweis der Ableistung der Arbeit auch anders möglich wäre. Außerdem müsste der Arbeitnehmer – wenn der Dritte die Bestätigung verweigert – erst noch gegen diesen klagen, um den Lohn erhalten zu können; auch stellt sich die Frage, ob der Einsatzbetrieb überhaupt zur Bestätigung verpflichtet ist (mit Stempel und Unterschrift).
Rechtsanwalt Andreas Martin
Verschwiegenheitsklausel über Gehalt im Arbeitsvertrag wirksam?
In vielen Arbeitsverträgen finden sich Verschwiegenheitsklauseln. Insbesondere geht es darum, dass
der Arbeitgeber sensible Daten des Unternehmens durch entsprechende Klauseln schützen möchte.
Häufig werden auch Verschwiegenheitsklauseln in Verbindung mit Vertragsstrafen verwendet.
Zulässigkeit
Im Einzelfall ist immer zu prüfen, ob eine solche Klausel zulässig ist. Häufig findet man auch sehr
allgemeine Klauseln, in denen zum Beispiel formuliert ist, dass der Arbeitnehmer sich verpflichtet über
alle betrieblichen Belange gegenüber jedermann zu schweigen. Eine solche Klausel ist aufgrund ihrer
fehlenden Bestimmtheit unwirksam (Überprüfung als AGB-Klausel durch das Gericht).
Verschwiegenheit ohne Klausel?
Zu beachten ist aber, dass eine Verschwiegenheitspflicht des Arbeitnehmers gegenüber Dritten auch
bestehen kann, ohne dass es eine entsprechende wirksame Klausel im Arbeitsvertrag gibt (§ 241 Abs.
2 BGB).
Schweigen über Gehalt aufgrud einer Klausel im Arbeitsvertrag (Verschwiegenheitsklausel) ?
In vielen Arbeitsverträgen finden sich auch Klauseln, wie zum Beispiel:
„Der Arbeitnehmer hat Stillschweigen über die Höhe seiner Vergütung gegenüber jedermann,
insbesondere gegenüber Mitarbeitern zu wahren.“
Mit einer solchen Klausel wollen Arbeitgeber häufig verhindern, dass Arbeitnehmer untereinander sich Auskunft über das im Betrieb übliche oder
empfangene Gehalt geben.Eine solche Klausel ist unwirksam.
Sie hindert nämlich den Arbeitnehmer daran, dass er selbstVerstöße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz im Rahmen der Lohnvergütung aufdeckt und
erfolgreich gegenüber dem Arbeitgeber geltend macht. Unabhängig davon liegt auch ein Verstoßgegen Artikel 9 Abs. 3 des Grundgesetzes vor, so zum Beispiel Landesarbeitsgericht Mecklenburg-
Vorpommern, Urteil vom 21.10.2009, Az. 2 Sa 237/09.
Rechtsfolgen bei unwirksamer „Schweigeklausel“?
Die Unwirksamkeit einer solchen Klausel führt dazu, dass eben eine Verpflichtung des Arbeitnehmersüber seinen Lohn z. B. gegenüber Mitarbeitern zu schweigen, nicht besteht.
Im Zweifel ist hier immer eine Überprüfung durch einen Rechtsanwalt sinnvoll.
Rechtsanwalt
Andreas Martin
Kanzlei Berlin-Marzahn
Gibt es für Arbeitsverträge / Arbeitsvertragsklauseln auch eine AGB-Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB?
In fast allen Fällen benutzen Arbeitgeber vorformulierte Arbeitsverträge/ Arbeitsvertragsmuster. Dabei stellt der Arbeitgeber nur in wenigen Fällen den Arbeitsvertrag oder einzelne Klausel des Vertrags zur Disposition. In der Regel wird hier nichts ausgehandelt und der Arbeitnehmer unterschreibt den Arbeitsvertrag, um die Arbeit zu bekommen. Streitigkeiten über die Wirksamkeit einzelner Klauseln gibt es fast immer erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Dann aber stellt sich die Frage, wie eigentlich der Arbeitsvertrag zu überprüfen ist, insbesondere, ob für die Überprüfung der Vertragsklauseln die §§ 305 ff. BGB (früher AGB-Gesetz) heranzuziehen sind.
Anwendbarkeit der §§ 305 ff. BGB/ Arbeitsvertrag und allgemeine Geschäftsbedingungen
Erst seit dem Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes (2002) unterliegen auch allgemeiner Arbeitsbedingungen der gesetzlichen AGB-Kontrolle der §§ 305 ff. BGB. Von daher werden die Klauseln des Arbeitsvertrages, wie allgemeine Geschäftsbedingungen überprüft, was für den Arbeitnehmer stark vorteilhaft ist, denn die §§ 305 ff. BGB enthalten eine Vielzahl von Regelungen, die den Verbraucher (Arbeitnehmer) schützen (Stichwort: Verbraucherschutz).
Besonderheiten bei der Überprüfung von Arbeitsverträgen
§ 310 Abs. 4 S. 2 BGB regelt:
Bei der Anwendung auf Arbeitsverträge sind die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen; § 305 Abs. 2 und 3 ist nicht anzuwenden.
Dies heißt, dass bei der Überprüfung von Arbeitsverträgen und deren Klauseln Einschränkungen gelten; es sind die Besonderheiten des Arbeitsrechts zu berücksichtigen. Was dies genau heisst, erschließt sich dem Leser nicht.
BAG- AGB-Kontrolle und Berücksichtigung der Besonderheiten des Arbeitsrechts
Das Bundesarbeitsgericht hat bereits im Jahr 2004 (BAG, Entscheidung vom 4.3.2004 – AZR 196/03) sich genauer dazu geäußert.
Danach gelten folgende Grundsätze:
- die Besonderheiten beziehen sich nicht auf einzelne Arbeitsrechtsgebiete (z.B. Kündigungsschutz), sondern auf das gesamte Arbeitsrecht
- ausreichend ist, dass sich ein rechtlicher Umstand nicht ausschließlich, sondern besonders im Arbeitsrecht auswirkt
- dies gilt auch für tatsächliche Besonderheiten des Arbeitsrechts
- die Besonderheiten des Arbeitsrechts gelten für die gesamte AGB-Kontrolle nach §§ 305 ff. BGB; also auch für die Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeiten (§ 309 BGB)
Beispiele für solche Besonderheiten
Das Bundesarbeitsgericht hatte wahrscheinlich mit der obigen Definition gewollt sich einen größeren Spielraum bei der Überprüfung von Arbeitsvertragsbedingungen einzuräumen. Ohne dies wären einige Klauseln, die bereits vor 2002 seit Jahren in Arbeitsverträgen verwendet wurden und vom BAG bis dato auch für rechtmäßig anerkannt worden sind, nun aufgrund der strengen AGB-Kontrolle de, vor allem des § 309 BGB unwirksam geworden. Das BAG hätte in diesen Fällen seine Rechtsprechung komplett ändern müssen, was auch dem Vertrauen auf die Wirksamkeit solcher Klauseln zuwider gelaufen wäre.
Solche Beispiele für im Arbeitsrecht wirksame (aber außerhalb nach den §§ 305 BGB u.u. unwirksame) Klauseln sind:
- arbeitsvertragliche Anrechnungsklauseln
- Vertragsstraferegelungen
- Ausschlussklauseln in Arbeitsverträgen
Besonderheiten bei Alt-Arbeitsverträgen vor 2002?
Nach Art. 229 § 5 S. 1 EGBGB sind für alle Arbeitsverträge vor 2002 ab dem 1.1.2003 die Regelungen über die AGB-Kontrolle nach §§ 305 BGB ff. anzuwenden. Das BAG nimmt hier in Einzelfällen dennoch Einschränkungen vor. In besonderen Härtefällen erfolgt nach dem Bundesarbeitsgericht (BAG, Entscheidung vom 12.01.2005 – 5 AZR 364/04) ein Anpassung unzulässiger Arbeitsvertragsklauseln im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung (dies widerspricht ja dem Grundsatz, dass es keine geltungserhaltende Reduktion unwirksamer Klauseln gibt). Dies rechtfertigt das BAG damit, dass ansonsten eine echte Rückwirkung des Gesetzes vorliegen würde, was verfassungsmäßig bedenklich wäre.
Was wird alles nach den §§ 305 BGB überprüft?
Der AGB-Kontrolle unterliegen:
- Formulararbeitsverträge
- allgemeine Arbeitsbedingungen
- arbeitsvertragliche Einheitsregelungen
- Gesamtzusagen
- betriebliche Übungen
- auch arbeitsvertragliche Aufhebungsverträge
Was wird nicht durch die AGB-Kontrolle überprüft?
Früher – also vor 2002 – gab es eine sog. Bereichsausnahme, die nun in § 310 Abs. 4 BGB geregelt ist.
Danach gibt es keine AGB-Kontrolle bei:
- Tarifverträgen
- Betriebsvereinbarungen
- Dienstvereinbarungen
Eine solche Kontrolle würde zur Verletzung der Tarifautonomie und der betrieblichen Mitbestimmung führen. Dies heißt aber nicht, dass es gar keine Kontrolle gibt.
Tarifverträge unterliegen einer Rechtskontrolle (wie Gesetzes. Betriebs- und Dienstvereinbarungen einer Billigkeitskontrolle.
Was gilt, wenn in Arbeitsverträgen Bezug auf Tarifverträge genommen wird?
Nimmt der Arbeitsvertrag auf Tarifverträge Bezug, so ist eine solche Bezugnahmeklausel einer AGB-Kontrolle zu unterwerfen. In der Regel ist dies aber zulässig und verstößt nicht gegen das Transparentsgebot / Unklarheitsregel.
gesamte Verweisung auf einschlägigen Tarifvertrag
Eine Überprüfung des Tarifvertrages, der ja nicht normativ gilt (dann theoretisch kein Ausschluss der Kontrolle nach § 310 AGB), ist aber unzulässig, wegen der Richtigkeitsgewähr des Tarifvertrages (Art. 9 GG).
Gesamtverweisung auf nicht einschlägigen (branchenfremden) Tarifvertrag
Dies gilt aber nicht ohne weiteres, wenn auf einen branchenfremden Tarifvertrag verwiesen wird. Hier kann die Richtigkeitsgewähr nicht ohne weiteres unterstellt werden.
Verweisung auf einzelne Normen des Tarifvertrags
Wird im Arbeitsvertrag nur auf einzelne Normen/ Normenbereich des Tarifvertrages verwiesen, dann erfolgt auch eine AGB-Kontrolle der tarifvertraglichen Normen. Ausgenommen sind deklaratorische Vertragsklauseln; also z.B. Klauseln, die ohnehin die gesetzliche Regelung wiedergeben.
Grundsätze der Auslegung von allgemeinen Arbeitsbedingungen
Bei der AGB-Kontrolle ist mit einer Auslegung der zu überprüfenden Klausel zu beginnen.
Dabei sind folgende Grundsätze zu beachten:
- Maßstab: aus Sicht eines objektiven Durchschnittsarbeitnehmers ohne rechtliche Vorbildung
- begleitende Umstände können berücksichtigt werden
- Zweifel gehen zu Lasten des Arbeitgebers (sog. Unklarheitsregel)
Rechtsanwalt Andreas Martin – Zweigstelle Berlin