Schweigepflicht über Höhe der Vergütung?

Muss man über die Höhe des Lohnes schweigen?
Wieviel ein Arbeitnehmer monatlich verdient, ist gerade auch für Arbeitskollegen eine interessante Information. Arbeitgeber, die zum Beispiel ihre Mitarbeiter in Bezug auf die Lohnzahlung nicht gleich behandeln, haben ein Interesse daran, dass diese Information eben nicht im Betrieb kundgetan wird.
Geheimhaltung im Betrieb und Vergütung
Es stellt sich dann die Frage, ob der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zur Geheimhaltung verpflichten kann.
Lohn ist kein Geschäftsgeheimnis
Die Verschwiegenheitspflicht des Arbeitnehmers ist Teil seiner Treuepflicht und eine Nebenpflicht aus dem Arbeitsvertrag. Bei einer Verletzung dieser Pflicht kann der Arbeitgeber Schadensersatzansprüche geltend machen. Der Schutz des Arbeitgeber ist im Geschäftsgeheimnisgesetz gereglt. Daran sieht man schon, dass es vor allem hierbei um Geschäftsgeheimnisse und nicht für über die Arbeitsvertragsbedingungen des Arbeitnehmers geht.
Ein Geschäftsgeheimnis ist eine Information,die weder insgesamt noch in der genauen Anordnung und Zusammensetzung ihrer Bestandteile den Personen in den Kreisen, die üblicherweise mit dieser Art von Informationen umgehen, allgemein bekannt oder ohne Weiteres zugänglich ist und daher von wirtschaftlichem Wert ist (§ 2 GeschGehG).
Die Höhe des Lohnes des Arbeitnehmers fällt von daher nicht unter dem Geschäftsgeheimnisbegriff.
Verschwiegenheitsklausel im Arbeitsvertrag in Bezug auf Arbeitslohn
Nicht selten versuchen Arbeitgeber ihre Arbeitnehmer aber trotzdem, zum Beispiel durch Geheimhaltungsklauseln im Arbeitsvertrag, zu verpflichten, dass diese zur Verschwiegenheit im Hinblick auf die Vergütungshöhe verpflichtet sind.
Es stellt sich dann die Frage, ob eine solche im Arbeitsvertrag vereinbarte Verschwiegenheitspflicht in Bezug auf die Vergütung des Arbeitnehmers grundsätzlich zulässig ist oder nicht.
aktuelles Urteil des LAG Mecklenburg-Vorpommern
Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern (Urteil vom 21.10.2009 – 2 Sa 183/09) hatte sich nun mit der Frage zu beschäftigen, ob ein eine Klausel im Arbeitsvertrag, wonach der Arbeitnehmer verpflichtet ist ein Stillschweigen über Höhe seines Lohnes, insbesondere gegenüber Arbeitskollegen, zu wahren, wirksam ist.
Der Entscheidung des Landesarbeitsgericht lag folgender Fall zugrunde:
Der Arbeitnehmer war seit dem 1. September 2007 aufgrund eines Anstellungsvertrages beim der Arbeitgeberin beschäftigt. In Anstellungsvertrag hießt es es unter § 4 Nr. 4:
„Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, die Höhe der Bezüge vertraulich zu behandeln, im Interesse des Arbeitsfriedens auch gegenüber anderen Firmenangehörigen.“
Arbeitsvertrag
Der Arbeitnehmer/ Kläger gab an einen Arbeitskollegen die Information weiter, dass die Beklagte sein Nettogehalt in den Monaten Januar und Februar 2009 um insgesamt 2.995,00 EUR gekürzt und ihm im Januar lediglich 435,00 EUR netto ausgezahlt habe.
Der Arbeitnehmer / Kläger erhielt deshalb eine Abmahnung von seiner Arbeitgeberin, da er gegen die Verschwiegenheitsklausel im Arbeitsvertrag verstoßen habe, da er einem Kollegen seinem Monatslohn mitteilte.
Der Arbeitnehmer klagte gegen die Abmahnung und gewann sowohl vor dem Arbeitsgericht (Schwerin) als auch vor dem LAG Mecklenburg-Vorpommern.
Urteil des LAG MV
Das Landesarbeitsgericht führte in der Entscheidung dazu aus:
Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern – Urteil vom 21.10.2009 – 2 Sa 183/09Die Abmahnung vom 11.03.2009 ist aus der Personalakte zu entfernen, da sie nicht gerechtfertigt ist. Eine Pflichtverletzung des Klägers liegt nicht vor.
Die Klausel in § 4 Nr. 4 des Anstellungsvertrages, wonach der Arbeitnehmer verpflichtet ist, die Höhe der Bezüge vertraulich zu behandeln und auch gegenüber anderen Firmenangehörigen Stillschweigen darüber zu bewahren, ist unwirksam. Sie stellt eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers entgegen den Geboten von Treu und Glauben im Sinne von § 307 BGB dar.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (zuletzt: Urteil vom 15.07.2009, 5 AZR 486/08) ist der Arbeitgeber auch bei der Lohngestaltung dem Gleichbehandlungsgrundsatz verpflichtet. Die einzige Möglichkeit für den Arbeitnehmer festzustellen, ob er Ansprüche aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz hinsichtlich seiner Lohnhöhe hat, ist das Gespräch mit Arbeitskollegen. Ein solches Gespräch ist nur erfolgreich, wenn der Arbeitnehmer selbst auch bereit ist, über seine eigene Lohngestaltung Auskunft zu geben. Könnte man ihm derartige Gespräche wirksam verbieten, hätte der Arbeitnehmer kein erfolgversprechendes Mittel, Ansprüche wegen Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes im Rahmen der Lohngestaltung gerichtlich geltend zu machen.
Darüber hinaus wird das Verbot auch gegen die Koalitionsfreiheit gemäß Art. 9 Abs. 3 GG verstoßen, da sie auch Mitteilungen über die Lohnhöhe gegenüber einer Gewerkschaft verbietet, deren Mitglied der betroffene Arbeitnehmer sein könnte. Sinnvolle Arbeitskämpfe gegen ein Unternehmen wären so nicht möglich, da die Gewerkschaft die Lohnstruktur nicht in Erfahrung bringen kann.
Anmerkung:
Wie das LAG schon ausführt, ist eine solche Verschwiegenheitsklausel allein schon deshalb unzulässig, da fast immer der Sinn der Klausel darin besteht, dass der Arbeitgeber verhindern möchte, dass eine Ungleichbehandlung der Arbeitnehmer im Betrieb – die verboten ist – ans Licht kommt.
Rechtsanwalt Andreas Martin
18. November 2022 um 14:36
Sehr wichtiger & guter Beitrag!