Bundesarbeitsgericht: Wer muss was im Überstundenprozess beweisen?

Überstunden vor dem Arbeitsgericht
In Deutschland werden viele Überstunden geleistet. Entsprechend gibt es viele Überstundenprozesse vor den Arbeitsgerichten.
Einklagen von Überstunden und Fachkräftemangel
Aufgrund des Fachkräftemangels hat sich die Problematik sogar noch weiter verschärft. Arbeitnehmer gehen immer noch wie selbstverständlich davon aus, dass sie die geleisteten Überstunden immmer bezahlt bekommen und diese notfalls einfach vor dem Arbeitsgericht durchsetzen können. Dies stimmt so aber nicht. Ein Prozess auf Zahlung von Überstunden ist schwierig zu führen.
Überstundenprozesse sind schwierig
Kommt es nämlich zum Streit zwischen Arbeitnehmern Arbeitgeber und zahlt der Arbeitgeber die Überstunden nicht, dann bleibt dem Arbeitnehmer nur die Möglichkeit die absolvierten Überstunden vor dem Arbeitsgericht geltend zu machen. In Berlin ist dafür das Arbeitsgericht Berlin örtlich zuständig. Der Arbeitnehmer muss dann notgedrungen – auch oft wegen bestehender Ausschlussfristen – einen Überstundenprozess vor dem Arbeitsgericht führen.
Lohnklage ist nicht vergleichbar
Was viele Arbeitnehmer nicht wissen ist, dass diese Prozesse auf Zahlung von Überstunden recht schwierig zu führen und zu gewinnen sind. Während man den „normalen“ Arbeitslohn recht einfach vor dem Arbeitsgericht einklagen kann und dazu auch nicht allzu viel vor dem Gericht dazu vorzutragen hat, ist dies im Überstundenprozess anders. Der Arbeitnehmer muss hier bestimmte Umstände vortragen und notfalls auch beweisen. Dies macht den Prozess schwierig und den Ausgang des Prozesses von daher auch schwer vorhersagbar.
Entscheidung des Bundesarbeitsgericht
Das Bundesarbeitsgericht (BAG, Urteil vom 4. Mai 2022 – 5 AZR 359/21 ) hat sich nun nochmals mit der Frage der Darlegungs- und Beweislast im Überstundenprozess beschäftigt. Der Hintergrund ist der, dass es eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes gibt, wonach der deutsche Gesetzgeber verpflichtet ist, dafür zu sorgen, dass Arbeitgeber verpflichtet sind, um zu verhindern dass das Arbeitszeitgesetz bzw. die Richtlinie zur Arbeitszeit umgangen werden, die Arbeitszeiten ihrer Arbeitnehmer zu erfassen. Eine entsprechende gesetzliche Regelung gibt es aber in der Bundesrepublik Deutschland noch nicht.
Urteil des BAG
Das Bundesarbeitsgericht hat hier seine alte Rechtsprechung im Wesentlichen bestätigt und nochmals genau festgesetzt, was der Arbeitnehmer im Überstundenprozess genau vorzutragen und beweisen hat.
In der Pressemitteilung des BAG vom 04.05.2022 zur Nr. 16/22 führt das Bundesarbeitsgericht Folgendes aus:
Der Arbeitnehmer hat zur Begründung einer Klage auf Vergütung geleisteter Überstunden – kurz zusammengefasst – erstens darzulegen, dass er Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden Umfang geleistet oder sich auf Weisung des Arbeitgebers hierzu bereitgehalten hat. Da der Arbeitgeber Vergütung nur für von ihm veranlasste Überstunden zahlen muss, hat der Arbeitnehmer zweitens vorzutragen, dass der Arbeitgeber die geleisteten Überstunden ausdrücklich oder konkludent angeordnet, geduldet oder nachträglich gebilligt hat. Diese vom Bundesarbeitsgericht entwickelten Grundsätze zur Verteilung der Darlegungs- und Beweislast für die Leistung von Überstunden durch den Arbeitnehmer und deren Veranlassung durch den Arbeitgeber werden durch die auf Unionsrecht beruhende Pflicht zur Einführung eines Systems zur Messung der vom Arbeitnehmer geleisteten täglichen Arbeitszeit nicht verändert.
BAG, Urteil vom 4. Mai 2022 – 5 AZR 359/21
Anmerkung:
Der Arbeitnehmer muss danach darlegen und notfalls beweisen:
- Wann und welchem Umfang er Überstunden geleistet hat.
- Der Arbeitgeber muss die Überstunden angeordnet, geduldet oder nachträglich gebilligt haben.
Überstunden sind dabei die Stunden, welche die regelmäßige Arbeitszeit übersteigen.
Beispiel:
Im Arbeitsvertrag beträgt die regelmäßige Arbeitszeit 40 h pro Woche. Hier wäre die 41 Stunde, die erste Überstunden. Dabei ist unerheblich, wie sich die Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage verteilt!
Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht