Monat: Mai 2017
Neuregelung des Mutterschutzes ab 1.1.2018
Der Bundestag hat am 30.3.2017 in 2. und 3. Lesung das Gesetz zur Neuregelung des Mutterschutzrechts beschlossen. Der Gesetzgeber hat in das Mutterschutzgesetz nun einige Neuregelungen eingeführt, die einen „bestmöglichen Gesundheitsschutz“ für schwangere und stillende Frauen gewährleisten sollen. Die Regelungen greifen überwiegend zum 1.1.2008.
Im Wesentlichen geht es um folgende Neuregelungen:
– Mutterschutz gilt nun auch für arbeitnehmerähnlichen Personen
– branchenunabhängiges Verbot von Nacht- und Sonntagsarbeit
– Verbot der Mehrarbeit auch bei Teilzeit bis Höchstgrenze
– behördliches Genehmigungsverfahren bei Arbeit nach 20 Uhr bis 22 Uhr
– Integration der Verordnung zum Schutze der Mütter am Arbeitsplatz (MuSchArbV) in das Mutterschutzgesetz
– Einrichtung eines Ausschusses für Mutterschutz, welcher Behörden und Betriebe bei Umsetzung der Vorschriften berät
Insgesamt wird der Schutz der werdenden Mütter ausgebaut und verstärkt. Für die bisher privilegierten Branchen bei der Nachtarbeit (§ 8 Abs. 3 MuSchG), wie die Gastronomie und die Landwirtschaft bedeutet das Gesetz zusätzliche Einschnitte, die aber in Kauf zu nehmen sein werden, um die Gesundheit der Schwangeren und des ungeborenen Kindes zu gewährleisten.
Rechtsanwalt Andreas Martin
Anlegen der Pistole = 12 Minuten Arbeitszeit
Polizisten in NRW erhalten für das Anlegen von Pistole, Schutzweste und Handfesseln pro Dienstschicht zukünftig zwölf Minuten Arbeitszeit gutgeschrieben.
In der Vergangenheit gab es diesbezüglich Streit zwischen dem Dienstherrn in NRW und der Gewerkschaft der Polizei. Nun wurde der Streit im Rahmen der Neufassung der Arbeitszeitverordnung der Polizei (AZVOPol) beigelegt.
Damit werden bei der Polizei in NRW erstmals landesweit verbindliche Rahmenbedingungen für Schichtdienstmodelle (Wechselschichtdienst) festgelegt.
Darüber hinaus Zudem wurdenn weitere Forderungen der Gewerkschaft der Polizei übernommen, wie zum Beispiel die maximale Planung von vier Nachtschichten, eine vollständige Vergütung von Bereitschaftszeiten und die Vergütung von Fahrtzeiten bei Rufbereitschaften.
Rechtsanwalt Andreas Martin
Arbeitnehmer stellt Kofferbomben-Attrappe im Betrieb auf- fristlose Kündigung
Ein 49-jähriger Angestellter, der sei 33 Jahren bereits beim Arbeitgeber, zuletzt in der Maschinenabteilung des Bergwerks Prosper-Haniel tätig war, kam auf die dumme Idee, dem Arbeitgeber und seinen Kollegen einen Streich spielen zu wollen.
Streich des Arbeitnehmers
Anfang 2016 fand er -während einer Nachtschicht – einen ungewöhnlichen Koffer, der mit einem Absperrhahn und einem Manometer versehenen war und aus dem Drähte herausragten.
„Bombenkoffer“ mit „arabischer“ Beschriftung und Süßwaren im Innern
Auf diesem Koffer brachte er in weißer Farbe Schriftzüge mit Fantasiewörtern auf, die den Eindruck islamistischer „Parolen“ erweckten. In den Koffer legte der Angestellte dann Süßwaren, die als Belohnung für „mutige“ Kofferöffner dienen sollten.
Polizeieinsatz/ Räumung des Betriebs
Eine Woche später wurde der Koffer im Bereich der Aufbereitung gefunden. Der Arbeitgeber schaltete sofort die Polizei ein. Eine Sprengstoffeinheit der Polizei wurde angefordert. Bis zum Eintreffen der Einheit musste das Gebäude abgesperrt und geräumt werden.
Arbeitgeber verstand keinen Spaß
Auch wenn sich dann herausstellte, dass alles nur ein „Spaß“ war und es sich um keine Bombe, sondern um eine Attrappe handelte, war der Arbeitgeber äußerst verärgert und sah in dem Verhalten des Arbeitnehmers ein grobe Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten des Arbeitnehmer.
außerordentliche Kündigung, hilfsweise ordentlich
Er kündigte dem Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis fristlos aus außerordentlichem Grund (hilfsweise ordentlich) und führte an, dass der „Scherz“ des Arbeitnehmers psychische Belastungen für die Belegschaft und eine gravierende Störung der Betriebsabläufe verursacht hatte. Außerdem sei der Betriebsfrieden gestört worden. Das Verhalten sei geeignet gewesen, Beschäftigte mit türkischem oder arabischem Migrationshintergrund in Misskredit zu bringen.
Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht
Der Angestellte erhob Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht.
Der Arbeitnehmer meinte, dass der Koffer kein gefährlicher Gegenstand gewesen sei, sondern ein „Spaßgegenstand„.
Das Arbeitsgericht Herne entschied gegen den Arbeitnehmer und wies die Kündigungsschutzklage ab. Im Berufungsverfahren vor dem Landesarbeitsgericht Hamm (5.4.17, 3 Sa 1398/16) einigten sich die Parteien auf einen Vergleich und zwar auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund der ebenfalls (hilfsweise) ausgesprochenen ordentlichen Kündigung ohne Zahlung einer Abfindung.
Anmerkung:
Auch ein Spaß kann für den Arbeitnehmer böse enden. Was der Arbeitnehmer noch für lustig hält, kann unter Umständen – so wie hier – eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen.
Rechtsanwalt Andreas Martin
EuGH: vormalige Beschäftigungszeiten sind nach Betriebsübergang für die Berechnung der Kündigungsfrist zu berücksichtigen
Ein schwedisches Unternehmen, welches den vorherigen Betrieb (Veräußerer) der Arbeitnehmer übernommen hatte (Betriebsübergang), kündigte den Arbeitnehmern ordentlich das Arbeitsverhältnis mit einer Kündigungsfrist von 6 Monaten. Bei der Bestimmung der Kündigungsfrist berechnete der Arbeitgeber aber nicht die Beschäftigungszeit der Arbeitnehmer, vor dem Betriebsübergang beim „übernommenen Arbeitnehmer“ mit ein. Unter Hinzurechnung dieser Beschäftigungszeit hätte hier eine längere Kündigungsfrist als 6 Monate gegolten.
Die Arbeitnehmer erhoben Klage vor dem zuständigen schwedischen Arbeitsgericht. Der schwedische Arbeitsgerichtshof setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH den Fall mit folgender Frage vor:
Ist es mit der Richtlinie 2001/23 vereinbar, dass ein Erwerber – nachdem seit dem Übergang des Betriebs ein Jahr vergangen ist – bei der Anwendung einer Bestimmung in seinem Kollektivvertrag, wonach für eine verlängerte Kündigungszeit eine gewisse ununterbrochene Beschäftigungszeit bei ein und demselben Arbeitgeber vorausgesetzt wird, die Beschäftigungszeit beim Veräußerer nicht berücksichtigt, wenn die Arbeitnehmer nach einer gleichlautenden Bestimmung in dem für den Veräußerer geltenden Kollektivvertrag einen Anspruch auf Berücksichtigung dieser Beschäftigungszeit hatten?
Kurz: Wäre nach der Betriebsübergangsrichtlinie der EU die komplette Beschäftigungszeit (vor und nach dem Betriebsübergang) zusammenzurechnen, um die Kündigungsfrist zu bestimmen.
Art 3 Abs. 1, Unterabsatz 1 der Betriebsübergangsrichtlinie lautet:
Wahrung der Ansprüche und Rechte der Arbeitnehmer
Art. 3 [Rechte und Pflichten bei Betriebsübergang] 1. Die Rechte und Pflichten des Veräußerers aus einem zum Zeitpunkt des Übergangs bestehen- den Arbeitsvertrag oder Arbeitsverhältnis gehen aufgrund des Übergangs auf den Erwerber über.
Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass der Veräußerer und der Erwerber nach dem Zeitpunkt des Übergangs gesamtschuldnerisch für die Verpflichtungen haften, die vor dem Zeitpunkt des Übergangs durch einen Arbeitsvertrag oder ein Arbeitsverhältnis entstanden sind, der bzw. das zum Zeitpunkt des Übergangs bestand.
Der Europäische Gerichtshof (Urteil vom 6.4.2017 – Rs. C-336/15 – Unionen gegen Almega Tjänsteförbunden,ISS Facility Services AB) bejahte dies und führte dazu aus:
Dementsprechend hat der Gerichtshof – unter Hinweis darauf, dass der Erwerber aus einem anderen Grund als dem eines Unternehmensübergangs und im Rahmen des nach dem nationalen Recht Zulässigen die Entgeltbedingungen zum Nachteil der Arbeitnehmer ändern kann – entschieden, dass Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 77/187/EWG vom 14. Februar 1977 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen (ABl. 1977, L 61, S. 26), dessen Wortlaut im Wesentlichen dem von Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2001/23 entspricht, dahin auszulegen ist, dass der Erwerber bei der Berechnung finanzieller Rechte alle von dem übernommenen Personal geleisteten Beschäftigungsjahre zu berücksichtigen hat, soweit sich diese Verpflichtung aus dem Arbeitsverhältnis zwischen diesem Personal und dem Veräußerer ergab, und zwar gemäß den im Rahmen dieses Verhältnisses vereinbarten Modalitäten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. September 2000, Collino und Chiappero, C‑343/98, EU:C:2000:441, Rn. 51 und 52).
…….
Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich zwar, dass Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2001/23 dahin auszulegen ist, dass der Erwerber im Anschluss an einen Unternehmensübergang bei der Kündigung eines Arbeitnehmers in die Berechnung der Beschäftigungszeiten des Arbeitnehmers, nach denen sich bestimmt, welche Kündigungsfrist diesem zusteht, die von dem Arbeitnehmer beim Veräußerer zurückgelegten Beschäftigungszeiten einzubeziehen hat, doch ist zu prüfen, ob sich diese Auslegung unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens im Licht von Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 2 dieser Richtlinie als richtig erweist.
Anmerkung:
Wenn man Urteile des EuGH liest, dann ist man erstaunt, wie „verschachtelt“ die Aussagen des Gerichts oft sind. Hier meint der EuGH, dass Beschäftigungszeiten des Arbeitnehmers beim Veräußerers auf Beschäftigungszeiten ab Betriebsübergang (beim Übernehmer) anzurechnen sind.
Rechtsanwalt Andreas Martin