Arbeitsgericht Hamburg: Diebstahl von ein paar belegten Brötchen rechtfertigt nicht ohne weiteres eine fristlose Kündigung
Eine Arbeitnehmerin / Krankenschwester entnahm aus dem Kühlschrank im Pausenraum 8 belegte Brötchen, wobei sie ein Brötchen selbt aß und den Rest an ihre Kolleginnen verteilte. Die Brötchen waren ausdrücklich nicht für das Personal des Krankenhauses bestimmt, sondern für externe Personen (hier externe Rettungssanitäter). Dies wusste die Arbeitnehmerin.
Als der Arbeitgeber davon erfuhr, kündigte er das Arbeitsverhältnis außerordentlich und fristlos. Zuvor räumte die Arbeitnehmerin auch ihr Fehlverhalten ein und entschuldigte sich.
Gegen die Kündigung erhob die Krankenschwester Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht Hamburg und gewann dort den Kündigungsrechtsstreit.
Das Arbeitsgericht Hamburg (Urteil vom 1.7.2015, 27 Ca 87/15) stellte klar, dass auch die Entwendung geringwertiger Sachen grundsätzlich eine Kündigung rechtfertigen kann (sog. Bagatellkündigung). Dies folgt ab nicht automatisch.
Vielmehr ist immer auf die Umstände des Einzelfalles abzustellen, insbesondere im Rahmen der Interessenabwägung.
Zwar lag hier eine schwerwiegende Pflichtverletzung der Arbeitnehmerin vor, allerdings sprach hier für die Arbeitnehmerin:
– kein heimliches Vorgehen
– nicht nur eigennütziges Verhalten (Verteilung der Brötchen)
– sofortiges Einräumen der Vorwürfe
– Reue
– lange und beanstandungsfreie Beschäftigung
Das Arbeitsgericht meinte, dass hier eine Abmahnung zur Wiederherstellung des Vertrauens ausreichend gewesen wäre. Nach Ansicht des Arbeitsgerichts Hamburg war die Kündigung unwirksam.
Diese Entscheidung zeigt einmal mehr, dass eben nicht automatisch jede schwere Pflichtverletzung eine außerordentliche und fristlose Kündigung rechtfertigt. Wie schon oft ausgeführt, kommt es immer auf den Einzelfall an. In der Entscheidung „Emmely“ hat das BAG den Begriff des sog. „Vertrauenskapitals“ geprägt. Ein langbeschäftigter Arbeitnehmer, der bisher beanstandungsfrei gearbeitet hat, kann sich „ausnahmsweise“ auch schon einmal einen „Schnitzer“ erlauben, zumindest dann, wenn dieser nicht gravierend ist.
Rechtsanwalt Andreas Martin
30. August 2015 um 07:45
[…] LAG Hamburg (Urteil vom 1.7.2015, 27 Ca 87/15) hielt eine fristlose Kündigung wegen der Entnahme von 8 Brötchen für […]
30. August 2015 um 14:50
a,A. bekanntlich Rieble, Barbara Emme: Ein Lehrstück über den Umgang mit der Justiz! NJW 2009, 2101-2105 (1,1 MB)
4. Februar 2016 um 13:31
[…] Arbeitnehmer streitet sich mit seinem Arbeitgeber darüber, ob diese verpflichtet ist, im Betrieb gestohlener Wertsachen zu […]
8. Dezember 2016 um 13:21
[…] Tasche steckte. Die Arbeitnehmerin erstellte sich bei diesem Vorgang einen Kassenbon über eine Pfandbarauszahlung in Höhe von insgesamt 3,25 EUR für 13 […]
26. August 2018 um 17:21
[…] tätig. Dort hatte der Beklagte eine offene Videoüberwachung installiert, um sein Eigentum für Diebstahl – vor allem durch Kunden – zu […]