Kündigung bei Bagatelldelikten – Übersicht
Kündigung bei Bagatelldelikten – Übersicht
Der Fall Emmely hat große Wellen geschlagen und wurde vielfach in der Öffentlichkeit diskutiert. Das BAG hat zwar nicht die ursprüngliche Rechtsprechung zur Bagatellkündigung (verhaltensbedingte Kündigung) aufgegeben, aber diese relativiert (siehe Artikel zur Emmely-Entscheidung). Es gab aber nicht nur diesem Fall, sondern diverse andere Entscheidungen vieler Landgerichte (Entscheidungsübersicht), die hier beispielhaft aufgeführt werden sollen.
Entscheidungsübersicht zur Bagatellkündigung
weitere Entscheidungen zur Bagatellkündigungen
Unter anderem haben sich folgende Landgericht mit ähnlichen Fällen beschäftigt:
für den Arbeitnehmer negative Entscheidungen
- das LAG Mecklenburg Vorpommern (Entscheidung vom 2.6.2009 – SA 237/08)das LAG MV hielt eine außerordentliche Kündigung einer städtischen Mitarbeiterin für wirksam, die aus einer Schulkantine kleinere Bargeldbeträge (3,4 und 6 Euro) entwendet hatte
- das LAG Rheinland Pfalz (Entscheidung vom 30.01.2009, Az 9 Sa 485/08) hatte Lebensmittel des Arbeitgebers aus einem Lager verbotswidrig mitgenommen. Dabei handelte es sich um geringwertige Sachen, wie z.B. um Spinat, Brötchen und Salat.
- das LAG München (Landesarbeitsgericht München (Entscheidung vom 03.03.2011, 3 Sa 641/10) – Wert = € 20 Betrug und Verschleierung durch Buchhalter
für den Arbeitnehmer positive Entscheidungen
- das LAG Hamm (Entscheidung vom 18.09.2009, 13 Sa 640/09) hielt eine fristlose, verhaltensbedingte Kündigung eines Bäckers, der den Brotaufstrich seines Arbeitgebers gegessen hatte, für unwirksam.
- das Arbeitsgericht Reutlingen (Entscheidung vom 11.05.2010, 2 CA 601/2009) entschied, dass eine außerordentliche, verhaltensbedingte Kündigung eines Arbeitnehmers der verbotswidrig die Essenmarke seiner Lebensgefährtin (Wert 0,80 Euro) eingelöst hatte, für unwirksam.
- das LAG Mannheim (Entscheidung vom 10.02.2010, 13 Sa 59/09) hielt eine außerordentliche Kündigung des Arbeitgebers gegenüber einen Arbeitnehmer, der aus einem Abfallcontainer des Arbeitgebers ein Kinderbett verbotswidrig zum privaten Gebrauch entnahm, für unwirksam.
- das LAG Hamburg (Urteil vom 1.7.2015, 27 Ca 87/15) hielt eine fristlose Kündigung wegen der Entnahme von 8 Brötchen für unwirksam
Kriterien für Entscheidungen bei verhaltensbedingten Kündigungen
Wichtig ist, dass man nicht ohne Weiteres sich auf die eine oder andere Entscheidung berufen kann. Es kommt immer auf den Einzelfall an.
Folgende Kriterien sind bei solchen Bagatellkündigungen wichtig:
- Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers
- Höhe des Schadens beim Arbeitgeber
- Verhalten des Arbeitnehmers nach der Tat (Bestreiten/ Zugeben)
- Grad der Vertrauensstörung
- Aufgabenstellung des Arbeitnehmers in Betrieb (Vermögensbetreuung/ z.B. Kassierer)
- Dauer der Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers
- vorherige Abmahnungen oder störungsfreies Arbeitsverhältnis
Vor dem Ausspruch der außerordentlichen Kündigung stellt sich immer die Frage nach milderen Maßnahmen, wie z.B. einer Abmahnung oder einer ordentlichen Kündigung (Verhältnismäßigkeitsgrundsatz).
Rechtsanwalt für Arbeitsrecht Marzahn – Anwalt Andreas Martin
20. November 2010 um 08:04
[…] sich dann nicht mit dem Risiko eines Arbeitsgerichtsprozesses mit unsicheren Ausgang (Stichwort: Bagatellkündigung) […]
14. März 2012 um 16:20
[…] Schön sind die Ausführungen in Bezug auf die “Aufzehrung des Vertrauenskapitals”, da das Verhaltens des Klägers von vornherein auf “Heimlichkeit” angelegt war. Ob die Entscheidung aber auch inhaltlich richtig ist, darf bezweifelt werden, denn eine “gewisse Heimlichkeit” wohnt fast allen Betrugsdelikten inne und ist nichts besonders Verwerfliches und kann von daher auch nicht zur “Aufzehrung des Vertrauenskaptials” führen. Aufgrund des hohen Lebensalters des Arbeitnehmers und des ohnehin baldigen Ausscheidens und der damit begrenzten Wiederholungsgefahr erscheint die Entscheidung des LAG “falsch gewuchtet”. Im Rahmen der Interessenabwägung wären diese Punkte stärker zu berücksichtigen gewesen. Eine kleine Übersicht über Kündigungen bei Bagatelldelikten findet man hier. […]