Was ist eine ausländische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung eigentlich wert?
Was ist eine ausländische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung eigentlich wert?
In Polen oder z.B. in der Türkei ist es häufig kein Problem eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom Arzt zu bekommen, obwohl man nicht krank ist. Die Frage ist, ob diesen pauschalen Zweifel an solche Bescheinigungen es rechtfertigen von vornherein – ohne weitere ernsthafte Zweifel – den Beweiswert solchen Bescheinigungen abzusprechen. Gerade in Hinblick auf das Arbeitsrecht ist dies von Bedeutung.
Zumindest für Mitgliedsstaaten der EU ist dies geklärt. Wenn die ausgestellte Bescheinigung auf der Grundlage von Art. 18 der VO 574/72 erfolgt, dann kann der Arbeitgeber nach der Rechtsprechung des EuGH (Entscheidung vom 2.05.1996,DB 1996,1039) den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nur dann erschüttern, wenn er beweist, dass sich der Arbeitnehmer mißbräuchlich oder betrügerisch arbeitsunfähig gemeldet hat, ohne krank zu sein (so auch das BAG, Entscheidung vom 19.02.1997, NZA 1997,705).
Faktisch heißt dies, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheidung aus einem anderen EU-Land in Deutschland voll anzuerkennen ist, sofern der Verfahrensablauf eingehalten wurde.
Artikel 18 der obigen Verordnung lautet wie folgt:
Geldleistungen bei Wohnort in einem anderen Mitgliedstaat
als dem zuständigen Staat
(1) Ein Arbeitnehmer oder Selbständiger hat sich für den Bezug von Geldleistungen
nach Artikel 19 Absatz 1 Buchstabe b) der Verordnung innerhalb von drei Tagen nach
Eintritt der Arbeitsunfähigkeit an den Träger des Wohnorts zu wenden und dabei eine
Anzeige über die Arbeitseinstellung oder, wenn die von dem zuständigen Träger oder
von dem Träger des Wohnorts anzuwendenden Rechtsvorschriften dies vorsehen, eine
vom behandelnden Arzt ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorzulegen.
(2) Stellen die behandelnden Ärzte des Wohnlandes keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen
aus, so wendet sich die betreffende Person innerhalb der Frist, die
in den vom Träger des Wohnorts anzuwendenden Rechtsvorschriften festgesetzt ist,
unmittelbar an diesen Träger.
Dieser veranlaßt sofort die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit und die
Ausstellung der in Absatz 1 genannten Bescheinigung. Die Bescheinigung, in der die
voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit anzugeben ist, muß dem zuständigen
Träger unverzüglich übermittelt werden.
(3) Der Träger des Wohnorts führt in den Fällen, in denen Absatz 2 nicht anwendbar
ist, sobald wie möglich, auf jeden Fall innerhalb von drei Tagen, nachdem sich die
betreffende Person an ihn gewandt hat, die ärztliche Kontrolluntersuchung dieser
Person in gleicher Weise wie bei seinen eigenen Versicherten durch. Der Träger des
Wohnorts übermittelt dem zuständigen Träger innerhalb von drei Tagen nach der Kontrolluntersuchung
den Bericht des Arztes, der die Kontrolluntersuchung durchgeführt
hat; in dem Bericht ist insbesondere die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit
anzugeben.
(4) Der Träger des Wohnorts führt später erforderlichenfalls die verwaltungsmäßige
oder die ärztliche Kontrolle der betreffenden Person wie bei seinen eigenen Versicherten
durch. Sobald er feststellt, daß die betreffende Person wieder arbeitsfähig
ist, benachrichtigt er sie sowie den zuständigen Träger hiervon unverzüglich und
gibt dabei den Tag an, an dem ihre Arbeitsunfähigkeit endet. Die Mitteilung an die
betreffende Person ist als Entscheidung anzusehen, die für den zuständigen Träger
getroffen worden ist; Absatz 6 bleibt unberührt.
(5) Der zuständige Träger behält in allen Fällen die Möglichkeit, die betreffende
Person durch einen Arzt seiner Wahl untersuchen zu lassen.
(6) Entscheidet der zuständige Träger, die Geldleistungen zu versagen, weil die
betreffende Person die nach den Rechtsvorschriften des Wohnlandes vorgesehenen
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VO (EWG) Nr. 574/72
Formvorschriften nicht eingehalten hat, oder stellt er fest, daß die betreffende Person
wieder arbeitsfähig ist, so teilt er der betreffenden Person seine Entscheidung mit und
übermittelt gleichzeitig dem Träger des Wohnorts ein Doppel dieser Entscheidung.
(7) Die betreffende Person teilt dem zuständigen Träger die Wiederaufnahme der
Arbeit mit, sofern die von diesem Träger anzuwendenden Rechtsvorschriften dies
vorsehen.
(8) Der zuständige Träger zahlt die Geldleistungen in jeder geeigneten Weise,
insbesondere durch internationale Postanweisung, und benachrichtigt den Träger
des Wohnorts sowie die betreffende Person hiervon. Werden die Geldleistungen zu
Lasten des zuständigen Trägers vom Träger des Wohnorts gezahlt, so unterrichtet der
zuständige Träger die betreffende Person über die Ansprüche und teilt dem Träger
des Wohnorts die Höhe der Geldleistungen, die Tage, an denen sie zu zahlen sind,
sowie die Höchstdauer mit, für die die Geldleistungen nach den Rechtsvorschriften
des zuständigen Staates gewährt werden.
(9) Zwei oder mehr Mitgliedstaaten oder die zuständigen Behörden dieser Mitgliedstaaten
können nach Stellungnahme der Verwaltungskommission andere Durchführungsvorschriften
vereinbaren.
Anwalt A. Martin- Berlin
siehe hierzu auch „Krankschreibungen wegen psychischer Probleme“
21. März 2021 um 12:40
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