Ist Bereitschaftszeit zu vergütende Arbeitszeit?

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Ist Bereitschaftszeit zu vergütende Arbeitszeit?
Bereitschaftszeit = Arbeitszeit?

Ist der Bereitschaftsdienst vergütungspflichtige Arbeitszeit?

In medizinischen Berufen (Ärzte, Krankenpfleger) , bei der Feuerwehr und auch in anderen Berufen besteht das Problem, dass häufig Bereitschaftszeiten vom Arbeitnehmer in erheblichem Umfang geleistet werden müssen. Der Arbeitnehmer ist zwar während dieser Zeiten oft nicht am Arbeitsplatz, sondern überwiegend werden diese Zeiten zu Hause geleistet, allerdings kann der Arbeitnehmer in seiner „Freizeit“ nicht frei disponieren und muss immer erreichbar sein. Es stellt sich die Frage, ob diese Zeiten nun als reguläre Arbeitszeit zu werten sind, so dass der Arbeitgeber die Bereitschaftszeit zu vergüten hat.

Man muss grundsätzlich zwischen „echten“ Bereitschaftsdienst und der sog. „Rufbereitschaft“ unterscheiden. Es stellt sich auch die Frage, ob Rufbereitschaft unter bestimmten Bedingungen zu bezahlen ist.

Was ist Bereitschaftsdienst oder Bereitschaftszeit?

Im Unterschied zur Vollarbeit liegt ein Bereitschaftsdienst vor, wenn der Arbeitnehmer sich auf Anordnung des Arbeitgebers außerhalb der regelmäßigen, regulären Arbeitszeit an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle aufhält, um im Bedarfsfall die Arbeit aufzunehmen. Der Arbeitnehmer kann während des Bereitschaftsdienstes seine Zeit weitgehend frei gestalten und  sich ggfs. auch ausruhen. Der Arbeitnehmer muss jedoch stets in der Lage sein, unverzüglich seine Tätigkeit aufnehmen zu können. Er darf sich nicht vom Bereitschaftsort entfernen. Dies ist zusätzliche Arbeitszeit, welche zu bezahlen ist.

Was sind die vertraglichen Grundlagen eine vergütungspflichtige Bereitschaftszeit?

Als vertragliche Grundlage der Bereitschaftszeiten kommt vor allem ein Tarifvertrag aber auch der Arbeitsvertrag in Betracht.

Der geleistete Bereitschaftsdienst ist Arbeitszeit. Dies entspricht mittlerweile der ständigen Rechtsprechung. Sämtliche Zeiten des Bereitschaftsdienstes gehören zur Arbeitszeit im Sinne von § 2 Abs. 1 ArbZG.

Mit der uneingeschränkten Bewertung des Bereitschaftsdienstes als Arbeitszeit im Sinne des § 2 Abs. 1 ArbZG hat der deutsche Gesetzgeber die vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorgenommene Auslegung des Begriffs der „Arbeitszeit“ in das deutsche Recht übernommen.

Den geleisteten Bereitschaftsdienst kann grundsätzlich als Arbeitszeit einordnen, was insbesondere für folgende Punkte Konsequenzen hat:

  • Höchstarbeitszeiten (Bereitschaftszeit =Arbeitszeit)
  • Ruhephasen (es gibt in der Regel keine Ruhezeitenwährend des Bereitschaftsdienstes)
  • Vergütung (der Bereitschaftsdienst ist zu bezahlen)

In Bezug auf die Vergütungspflicht ist aber auszuführen, dass die Bewertung des Bereitschaftsdienstes als Arbeitszeit nicht immer dazu führen muss, dass der Arbeitgeber den gleichen Lohn für die Bereitsschaftsstunden zahlen muss. Es können arbeitsvertraglich oder auch tarifvertraglich andere – also auch geringere – Stundensätze vereinbart werden.

Dabei darf aber der gesetzliche Mindestlohn nicht unterschritten werden.

Was ist der Unterschied zwischen Rufbereitschaft und Bereitschaftsdienst?

Vom Bereitschaftsdienst ist die Rufbereitschaft zu unterscheiden. Beide habe oft die Gemeinsamkeit der ständigen Erreichbarkeit des Mitarbeiters. Eine Rufbereitschaft liegt regelmäßig dann vor, wenn sich der Arbeitnehmer auf Anordnung des Arbeitgebers außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an einer dem Arbeitgeber anzuzeigenden Stelle aufzuhalten hat, um auf Abruf die Arbeit aufzunehmen. Häufig wird vereinbart, dass der Arbeitnehmer telefonisch (in der näheren Umgebung) erreichbar sein soll.

Der Arbeitnehmer ist bei der Wahl seines Aufenthaltsorts nur insoweit eingeschränkt, als er im Bedarfsfall die Arbeitsaufnahme gewährleisten muss.

Wichtig ist hier,dass eine Rufbereitschaft nicht zu einer unzulässigen Einschränkung des Arbeitnehmers führen darf, so dass ein bestimmter Aufenthaltsort vorgegeben wird oder eine sehr kurze Zeit für die Arbeitsaufnahme vorgeschrieben wird. In diesen Fällen liegt keine echte Rufbereitschaft vor, denn hier sind die Einschränkungen für den Arbeitnehmer vergleichbar mit dem echten Bereitschaftsdienst.

Die Rufbereitschaft ist keine Arbeitszeit. Es soll aber nochmals darauf hingewiesen werden, dass im Einzelfall sich die angebliche Rufbereitschaft als Bereitschaftsdienst herausstellen kann. Die Bezeichnung allein und die Tatsache, dass man nicht am Arbeitsort ist, sind nicht vollends ausschlaggebend für die Einordnung als Rufbereitschaft.

Im Fall des Abrufs ist die Zeit der tatsächlichen Inanspruchnahme einschließlich eventueller Wegezeiten dagegen als Arbeitszeit anzurechnen.

Achtung: Auf die Bezeichnung im Arbeitsvertrag durch den Arbeitgeber kommt es nicht an, sondern wie diese zusätzliche Arbeitszeit genau ausgestaltet ist. So kann eine als Rufbereitschaft bezeichnete Zeit dennoch zu vergütende Arbeitszeit sein, wenn der Arbeitnehmer hier sehr stark eingeschränkt ist.

Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs

Aktuell gibt es nun eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshof (EuGH, Urteil vom 11.11.2021 – Rs. C-214/20) zur Rufbereitschaft eines Feuerwehrmannes.

Der EuGH führt dazu aus, dass Art. 2 Nr. 1 der RL 2003/88/EG dahingehend auszulegen ist, dass Bereitschaftszeit, die ein Reserve-Feuerwehrmann in Form von Rufbereitschaft leistet und während deren dieser mit Genehmigung seines Arbeitgebers eine selbständige berufliche Tätigkeit ausübt, aber im Fall eines Notrufs innerhalb einer maximalen Frist von zehn Minuten seine Dienstwache erreichen muss, keine „Arbeitszeit“. Dabei spielte beim Fall des EuGH auch eine Rolle, dass der Feuerwehrmann noch eine anderen Tätigkeit während dieser Bereitschaftszeit ausüben durfte und auch nicht an allen von seiner Dienstwache aus durchgeführten Einsätzen teilzunehmen. Der Feuerwehrmann konnte also während der Rufbereitschaft die Zeit, in der seine beruflichen Leistungen als Feuerwehrmann nicht in Anspruch genommen wurden, frei zu gestalten. Vom Ergebnis sah der Europäische Gerichtshof keine vergütungspflichte Arbeitszeit in der Rufbereitschaft.

Rechtsanwalt Arbeitsrecht Berlin – A. Martin

23 Gedanken zu „Ist Bereitschaftszeit zu vergütende Arbeitszeit?

    Schlüter sagte:
    11. März 2010 um 12:14

    Bereitschaftsdienst = Arbeitszeit ?

    Eine Assistenzärtzin arbeitet Vollzeit im Krankenhaus (GmbH). Sie leistet im Rahmen Ihrer Funktion auch Bereitschaftsdienst im Krankenhaus (Anweseheitspflicht). Diese Anwesenheits-Arbeitsstunden (von 16 Uhr bis 7.00 Uhr) werden pauschal mit 100 Euros vergütet. Diese Stunden werden jedoch überhaupt nicht auf Ihrem Arbeitzeitkonto erfasst.

    Wenn sie am nächsten Tag den Freizeitausgleich in Anspruch nehmen muss, belasten diese 8 Stunden widerum negativ ihr regelmässiges Arbeitszeitkonto, weil sie tagsüber die „normale“ Arbeitszeit nicht leisten kann bzw. darf.

    Ich finde es perverse. Ist es überhaupt konform mit dem Arbeitsrecht in Deutschland ?

    […] 4. Bereitschaftszeit gleich Arbeitszeit? […]

    chris sagte:
    18. Februar 2013 um 18:11

    hallo zb ein bestatter arbeitet von 8.00 – 16.00 uhr ab 16 – 8.00 uhr in der früh hat er bereitschaft sowie das ganze wochenende also das heist wenn auserhalb der arbeitszeit jemand verstirbt würd er angerufen fährt zur arbeitsstelle zieht sich um und holt den verstoeben ab was für eine bereitschaft ist das dann???

      Xbnug sagte:
      27. März 2016 um 17:14

      Hallo,
      Ich selbst weiß wovon du redest.
      Ich habe regelmäßig Bereitschaftsdienst.
      Unter anderem da wir auch für eine Behörde in zwei Städten fahren somit hat man regelmäßig den Bereitschaftdienst.
      Es ist eine Bereitschaft diese sich bei den meisten als Telefonbereirschaft niederschlägt den du musst ja erreichbar sei. Und ggfl. In wenigen Minuten am Betrieb sein

    Rüdiger Berth sagte:
    17. Mai 2013 um 07:41

    ich bin Busfahrer! Meine Arbeitszeit beginnt morgens um 10:00 Uhr und endet gegen 1:00 Uhr! Zwischenzeitlich habe ich 6 Stunden Fahrzeit (Lenkzeit) die restliche Zeit sitze ich auf dem Bus und meine Fahrerkarte berechnet weiterhin „Bereitschaftszeit“! Die Tageslenkzeit wird also nicht überschritten. Wie sieht es mit der Arbeitszeit aus?

    […] Man kann nur vereinbaren, dass für Bereitschaftsstunden ein anderer Lohn gezahlt wird. Siehe: http://rechtsanwaltarbeitsrechtberli…t-arbeitszeit/ […]

    […] sofort aufnehmen zu können (sog. “Bereitschaftszeit”) als Arbeitszeit zu rechnen ist (“Bereitschaftszeit = Arbeitszeit” aus Rechtsanwalt Arbeitsrecht Berlin blog. Suchmaschinen werfen zu diesem Thema unzählige […]

    Die Nachtdroschke » Mindestlohn sagte:
    27. März 2014 um 02:14

    […] Vom Bereitschaftsdienst ist die Rufbereitschaft zu unterscheiden. Eine Rufbereitschaft liegt regelmäßig dann vor, wenn sich der Arbeitnehmer auf Anordnung des Arbeitgebers außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an einer dem Arbeitgeber anzuzeigenden Stelle aufzuhalten hat, um auf Abruf die Arbeit aufzunehmen. Häufig wird vereinbart, dass der Arbeitnehmer telefonisch (in der näheren Umgebung) erreichbar sein soll. (Quelle) […]

    Sebastian FRITZ sagte:
    5. August 2015 um 02:12

    Guten Tag, in unserem Betrieb existiert ein fester Rahmendienstplan. Dieser sieht in 14 Wochen 12 Tage Rufbereitschaft vor. Rufbereitschaft darf laut Tarifvertrag nur angeordnet werden, wenn nur in Ausnahmefällen Arbeit anfällt. Oft werden diese Tage jedoch auch schon vier Wochen vorher fest mit Schichten belegt. Sind diese verplanten Tage dennoch als Rufbereitschaftstage zu zählen? Dann würde nämlich in 80% der Fälle Arbeit während der Rufbereitschaft anfallen und diese dürfte damit nicht angeordnet werden.

    […] – mit einem Stundenlohn von € 15,81 brutto – leistete im erheblichen Umfang sog. Bereitschaftszeiten, in denen er sich an einen bestimmten Ort aufhalten musste, um so – je nach Arbeitsanfall […]

    Alina Sutkuviene-Özel sagte:
    9. September 2016 um 03:55

    Rufbereitschafts Zimmer in Krankenhaus ohne Toilette und Dusche ist zulässig?

    Berti sagte:
    9. Januar 2017 um 10:24

    Hallo, ich hoffe kann hier jemand weiter helfen ich arbeite in eine Reha Klinik als Arzt unsere Bereitschaftsdiensts dauert mit dem 8 Stunde Arbeitstag insgesamt 32 Stunde das Bedeutet von 8 Uhr bis Morgen Nachmittag um 16 Uhr ist das normal ins Deutschland.
    was kann ich dagegen machen oder gibt es eine fester Regelung dafür.
    bitte schreiben Sie in meine Emel Adresse bdemaj@hotmail.com

      Rechtsanwalt Andreas Martin geantwortet:
      9. Januar 2017 um 12:59

      Bei Ärzten gibt es oft spezielle Tarifverträge, die dies regeln. Gehen Sie am besten zu einem Anwalt vor Ort und lassen sich beraten.

    […] Arbeitnehmer (IT-Bereich) sollte an Wochenenden Rufbereitschaft leisten und Störungen/ Probleme bei Kunden des Arbeitgebers – meist von zu Hause aus – […]

    […] Darüber hinaus Zudem wurdenn weitere Forderungen der Gewerkschaft der Polizei übernommen, wie zum Beispiel die maximale Planung von vier Nachtschichten, eine vollständige Vergütung von Bereitschaftszeiten und die Vergütung von Fahrtzeiten bei Rufbereitschaften. […]

    […] Jahr 2014 eine Geldbuße über € 1.800, da ein Fahrer der Firma seine regelmäßige wöchentliche Ruhezeit im Truck/ Lkw […]

    […] sofort aufnehmen zu können (sog. „Bereitschaftszeit“) als Arbeitszeit zu rechnen ist („Bereitschaftszeit = Arbeitszeit“ aus Rechtsanwalt Arbeitsrecht Berlin blog. Suchmaschinen werfen zu diesem Thema unzählige […]

    […] der Bereitschaftsdienst keine Ruhezeit, sondern Arbeitszeit ist, ist dieser zu […]

    […] es um die Vergütungspflicht des ärztlichen Hintergrunddienstes ging. Diese ist faktisch eine Rufbereitschaft und nach dem Bundesarbeitsgericht nicht zu […]

    […] die Rufbereitschaft […]

    […] gibt umfangreiche Rechtsprechung zur Frage, ob zum Beispiel Bereitschaftszeiten oder Rufbereitschaft eine Arbeitszeit darstellen, die zu vergüten ist oder […]

    […] Bereitschaftszeiten bei der Polizei kommen nicht selten vor. Wie auch beim normalen Arbeitnehmer stellt sich dann die Frage, ob solche Zeiten eine vergütungspflichtige Arbeitszeit darstellen oder als Freizeit gewertet werden. […]

    […] Arbeitgeber eine dringende Mitteilung an den Arbeitnehmer hat, zum Beispiel um den Arbeitnehmer zu Rufbereitschaft […]

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